Eine positive EX umzusetzen hat für Unternehmen oberste Priorität.
Die meisten Unternehmen haben in der Corona-Krise die Grundbedürfnisse ihrer Mitarbeitenden nach Sicherheit, Stabilität und Schutz gut gewährleistet. Die Mitarbeiterbedürfnisse entwickeln sich jedoch weiter. Um ihnen zu entsprechen, brauchen Unternehmen einen neuen, differenzierteren Ansatz.
Das haben auch die Führungskräfte erkannt: Sie legen mehr denn je Wert darauf, dass die Mitarbeitende ihre Arbeitswelt positiv erleben – die Employee Experience (EX) gerät in den Fokus. Fast 90 Prozent der Führungskräfte gaben in der WTW-Studie „2021 Employee Experience Survey“ (1) an, dass für sie die Verbesserung der EX in den nächsten drei Jahren oberste Priorität hat. Vor der Pandemie sagten das nur etwa 50 Prozent.
Weitere Untersuchungen haben ergeben, dass Mitarbeitende im Homeoffice positiver und engagierter sind als Mitarbeitende in ihrem regulären Büro. Hier sollte man jedoch differenzieren: Eltern scheinen im Homeoffice besser zurechtzukommen als Mitarbeitende, die stärker isoliert sind. Und Väter erleben die Arbeitswelt im Homeoffice positiver als Mütter. Entsprechende Statistiken belegen auch: Selbst wenn Mitarbeitende unter ähnlichen Umständen leben und arbeiten, unterscheiden sich ihre Erfahrungen und Bedürfnisse.
Deshalb sollte jetzt die EX mit Blick auf individuelle Unterschiede gestaltet werden. Aufgabenprofil, Alter, Familienstand und persönliche Eigenschaften der Mitarbeitenden spielen hier zum Beispiel eine wichtige Rolle. Die gute Nachricht: Führungskräfte können nun viel gezielter und dynamischer darauf eingehen, wie die Mitarbeitenden ihre Arbeitswelt erleben. Denn dafür gibt es jetzt innovative Lösungen – von der Listening-Technologie über Advanced Analytics und neue Zwei-Wege-Kommunikationskanäle bis zu HR-Portalen wie Embark von WTW.
Doch wo können Unternehmen ansetzen, um ihren Mitarbeitenden eine möglichst attraktive EX zu ermöglichen? Aus unserer Sicht bieten sich dazu vor allem die folgenden Punkte an.
Die Richtlinien bezüglich flexibler Arbeit haben sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Als die Pandemie ausbrach, ermöglichten viele Unternehmen ihren Mitarbeitenden, im Homeoffice zu arbeiten – manchmal zum ersten Mal. Heute, 24 Monate später, bereiten sich zwar einige Unternehmen darauf vor, ihre Mitarbeitenden wieder ins Büro zu holen, doch die Mehrheit setzt auf neue hybride Modelle.
Dabei müssen Arbeitgeber auch neue Wege finden, um ihre Mitarbeitenden zu unterstützen und zu befähigen, zum Beispiel indem sie ihre Onboarding- und Engagement-Strategien anpassen. Auch der Aufbau einer attraktiven Kultur ist in einer hybriden flexiblen Arbeitswelt entscheidend. Unternehmen müssen vor allem dafür Mitarbeitersorgen, dass sich Mitarbeitende, die ohne viele persönliche Kontakte remote arbeiten, von Anfang an ihrem Arbeitgeber und ihren Kollegen eng verbunden fühlen.
Flexibles Arbeiten in einem hybriden Umfeld verbessert auch die Leistung: Laut Gartner gelten 19 Prozent der Mitarbeitenden als „High Performer“, die selbst entscheiden können, wo, wann und wie viel sie arbeiten.
Die WTW-Studie „2021 Employee Experience Survey" zeigt auch, dass über die Hälfte der Unternehmen (54 Prozent) mehr Dynamik in ihre Gesamtvergütungsprogramme bringen möchte, um sie auf unterschiedliche Bedürfnisse zuzuschneiden. Dazu gehört ein Fokus auf faire Entlohnung, die Priorisierung von Gesundheits- und Wellbeing-Programmen und die Einbindung von Inklusion und Vielfalt in die Personalstrategie.
Laut der WTW-Studie zählen Mitarbeitende Benefits zu den fünf wichtigsten Faktoren, die zu einer positiven EX beitragen. Während der Pandemie haben Mitarbeitende eine Bestandsaufnahme dessen gemacht, was in ihrem Leben wichtig ist. Und viele Mitarbeitende wünschen sich jetzt Leistungen, die zu ihrem neuen Arbeits- und Lebensstil passen.
Die Gesamtvergütung, einschließlich der Benefits, sollte daher individuell auf persönliche Faktoren wie zum Beispiel familiäre Verpflichtungen oder das Alter zugeschnitten werden, um für jeden einzelnen relevant zu sein. „One size fits all“ reicht nicht mehr aus. Denn die Berücksichtigung individueller Arbeits- und Lebensumstände reduziert unnötigen Stress, steigert das Wohlbefinden, und die Mitarbeitende können sich besser auf ihre Arbeit konzentrieren.
Dass das mentale und emotionale Wohlbefinden bzw. „Wellbeing“ immer wichtiger wird, zeigt auch die WTW-Studie „2020 Global Benefits Attitudes Survey“ 29 Prozent der Arbeitnehmer finden, dass sich ihre psychische Gesundheit infolge der Pandemie verschlechtert hat. Unternehmen räumen deshalb der psychischen Gesundheit ihrer Mitarbeitenden mittlerweile zunehmend den gleichen Stellenwert ein wie der körperlichen Gesundheit. Wellbeing bedeutet jedoch deutlich mehr: Insgesamt geht es darum, dass sich die Mitarbeitenden physisch, psychisch, sozial und wirtschaftlich wohlfühlen.
Unternehmen sind sich zunehmend bewusst, dass eine Verbesserung des Wellbeings der Mitarbeitenden letztlich den Erfolg des gesamten Unternehmens verbessert. Dazu müssen die Mitarbeitenden die entsprechenden Programme jedoch auch kennen und leicht nutzen können.
In einer hybriden Arbeitswelt fällt es schwerer, Mitarbeitende zu binden. Eine Gehaltserhöhung ist dafür nur selten eine Lösung. Engagement und Mitarbeiterbindung korrelieren nicht mit der Höhe des Gehalts. Mitarbeitende wollen vielmehr Entscheidungen, die für sie wichtig sind, selbst beeinflussen können. Sie möchten für ein Unternehmen arbeiten, das mit ihren Werten übereinstimmt und ihnen ein Gefühl von Identität und Zugehörigkeit gibt. Und sie wollen im Rahmen einer überzeugenden Unternehmensmission einen sinnvollen Beitrag leisten.
Drei Viertel der Arbeitnehmer erwarten von ihrem Arbeitgeber deshalb auch, dass er zu aktuellen gesellschaftlichen oder kulturellen Themen Stellung bezieht; diese Erwartung hat sich im letzten Jahr noch verstärkt. Unternehmen sollten also aktuelle Debatten zu Themen wie Nachhaltigkeit, soziale Missstände oder Krieg auf dem Schirm haben und dazu klar Stellung beziehen.
Homeoffice in der Pandemie hat die EX von einer beruflichen Erfahrung im Unternehmen zu einer persönlichen Erfahrung im eigenen Heim gemacht. Berufliches und Privates greifen mehr denn je ineinander. Unternehmen haben sich jedoch traditionell davor gescheut, nach außerberuflichen Angelegenheiten ihrer Mitarbeitenden zu fragen, vor allem, um deren Privatsphäre zu wahren.
Forscher argumentieren jedoch, dass die Grenzen während der Pandemie verschwammen und viele Arbeitnehmer nicht mehr bereit sind, so zu tun, als ob ihr Arbeitsleben und ihr Privatleben immer klar getrennt wären. „Die Mitarbeitenden wollen, dass ihre Vorgesetzten über ihre persönlichen Verpflichtungen Bescheid wissen und ihnen, wenn möglich, entgegenkommen“, sagt Dion Love, Vize-Präsident, Personalwesen bei Gartner.
Die Pandemie hat zudem zu einer schnelleren und umfassenderen Umstellung auf digitales Lernen geführt, um auch im Homeoffice Zugang zur beruflichen Weiterbildung zu ermöglichen. Der Bedarf an neuen Formen von Schulung und Weiterbildung ist weiterhin groß. Der Trend geht hin zu mehr „bite-sized“ und zertifizierten digitalen Lerninhalten, die den Bedürfnissen der Lernenden entsprechen.
Niemand darf sich in seiner Entwicklung durch das Homeoffice eingeschränkt fühlen. Neben dem digitalen Lernen gehört dazu ein digital organisiertes Talent- und Karrieremanagement, das die Mitarbeitende auch im Homeoffice „abholt“ und ihnen dabei hilft, das Beste aus sich zu machen und ihren individuellen Weg zu gehen.
Insgesamt wollen die Mitarbeitenden als gesamthafte Persönlichkeiten behandelt werden, um sich mit ihrem Unternehmen verbunden zu fühlen. Die heutige angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt und die „Great Resignation“ mögen die Aufmerksamkeit der Unternehmen dafür erhöhen.
Doch es wäre ein Fehler, die geänderten Mitarbeiterwünsche als vorübergehenden Trend zu betrachten. Mitarbeitende wollen nicht nur des Geldes wegen arbeiten, sondern eine sinnvolle und attraktive Arbeitswelt erleben, die in Einklang mit ihren Werten und ihrer Lebensführung ist. Eine umfassende, attraktive Employee Experience gehört deshalb on top auf die Agenda der Unternehmen.