Herr Frank, Frau Fischer: Die Inflationsrate lag in Deutschland im April bei 7,9 Prozent. Also entsprechend rauf mit den Gehältern, damit die Kaufkraft wieder stimmt?
Florian Frank: So einfach ist es nicht. Schließlich weiß zum Beispiel niemand, wie sich die Inflation entwickelt. Bleibt sie in den nächsten Jahren hoch? Tendiert sie in absehbarer Zeit wieder nach unten? Alles hängt davon ab, wie sich die Inflationstreiber verhalten – allen voran die Energiekosten und die Lebensmittelpreise. Klar ist jedoch: Hohe Gehälter können nicht reduziert werden, wenn die Inflation wieder sinkt.
Nicole Fischer: Vielleicht sehen wir uns kurz die Rolle der Vergütung an, um uns den Gesamtzusammenhang zu vergegenwärtigen: Als Gegenleistung für ihre Arbeit, gibt Vergütung den Mitarbeitenden Sicherheit und die Möglichkeit sich einen bestimmten Lebensstandard leisten zu können. Darüber hinaus ist die Erhöhung ein Maßstab der Anerkennung der Fähigkeiten. Für Unternehmen ist die Vergütung ein Instrument, um Mitarbeitende zu gewinnen, zu binden und ihr Engagement, etwa via variable Vergütung, auf bestimmte Ziele zu lenken. Und sie ist für viele Unternehmen der größte Kostenblock. Wir bewegen uns also in einem Spannungsfeld von Mitarbeiterinteressen, personalpolitischen Zielen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Unternehmen.
Florian Frank: Und der wirtschaftliche Spielraum der Unternehmen ist zur Zeit besonders begrenzt. Viele leiden finanziell ebenfalls unter den hohen Energiekosten oder verzeichnen Einbußen, weil die Logistikketten gestört sind und Vorprodukte mehr kosten oder nur schlecht beschafft werden können. Lieferfähigkeit, Umsatz und Gewinn sind in vielen Branchen erheblich unter Druck.
Doch es hilft ja nichts, die Mitarbeitenden sehen ihre Kaufkraft schwinden und fordern dafür einen Ausgleich.
Nicole Fischer: Für Unternehmen kann dieser verständliche Wunsch jedoch teuer werden. Und der anhaltende Fachkräftemangel verschärft das Ganze noch: Unternehmen, die keine attraktive Vergütung bieten, bekommen nicht die Mitarbeitenden, die sie für ihren Geschäftserfolg brauchen. Viele Unternehmen sind hier also in einem Dilemma.
Aber wie kommen sie aus diesem Dilemma heraus?
Florian Frank: Wir empfehlen unseren Kunden dazu als erstes eine gründliche Analyse: Wie sieht ihre finanzwirtschaftliche Perspektive aus? Welche strategischen Ziele haben sie sich gesetzt? In welchen Bereichen ist die Inflation besonders hoch, wie wird sie sich entwickeln und wie lange anhalten? Was für Auswirkung hat die Inflation auf Gehalt, Bonus aber auch Nebenleistungen wie die bAV? Und was sollten sie, auch mit Blick auf ihre Wettbewerber, Mitarbeitenden bieten, um sie wie erforderlich gewinnen, binden und motivieren zu können?
Nicole Fischer: Die monetäre Vergütung, um die es uns gerade geht, ist dabei ja nur ein Teil der Gesamtvergütung. Dazu gehören auch Nebenleistungen, Entwicklungs- und Karrierechancen, Arbeitsmodelle und insgesamt eine als attraktiv erlebte Arbeitswelt. Unternehmen müssen auch dafür Geld in die Hand nehmen. Unter dem Strich kommt es deshalb auf eine gesamthafte Kosten-Nutzen-Kalkulation an. Aber klar, bei diesem Gesamtbild spielt natürlich die Steuerung der Vergütungsbudgets aktuell eine besonders wichtige Rolle.
Betrachten wir diesen Punkt also etwas genauer. Worauf kommt es dabei an?
Florian Frank: Erst einmal sollte jeder Aktivismus vermieden werden. Wir sehen ja in den aktuellen Tarifabschlüssen der Chemie- und der Bankenbranche, dass es vorerst bei vergleichsweise moderaten Gehaltsanpassungen in Verbindung mit Einmalzahlungen bleibt. Diese Kombination bietet sich auch im außertariflichen Bereich an, um vor einer gründlicheren Anpassung des Vergütungssystems besser abschätzen zu können, wie sich die Lage entwickelt.
“Für den Fall, dass die Inflation dauerhaft hoch bleibt, sollten Unternehmen jedoch bereits jetzt mögliche Maßnahmen definieren.”
Florian Frank | Senior Director, Head of Work and Rewards
“Florian Frank: Alles natürlich nur im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten. Gerade Mitarbeitende in den oberen Gehaltsklassen sollten hier auch verstehen, dass sie deutlich davon profitiert haben, dass ihr Vergütungszuwachs in den letzten Jahren über der Inflationsrate rangierten. Auch der umgekehrte Fall wäre für eine gewisse Zeit durchaus zumutbar.Eine Einmalzahlung als Inflationsausgleich können sie zügig auf den Weg bringen. Sie sollten jedoch ihre Vergütung generell noch strategischer planen und sich für den Fall einer dauerhaften Inflation überlegen, welchen Mitarbeitergruppen sie mit welchen Vergütungsinstrumenten und Nebenleistungen einen Ausgleich bieten können, um als Arbeitgeber zu punkten.”
Nicole Fischer | Director, Work and Rewards