Seit Jahren wird angesichts der sich beständig ändernden Arbeitswelt und neuer Mitarbeitererwartungen diskutiert, was Karriere bedeuten kann. Nach wie vor scheint die Fach- oder Expertenkarriere eine gute Alternative zur Führungskarriere zu sein. Viele Unternehmen haben sie in den letzten 20 Jahren eingeführt. Doch leider hat sich die Fachkarriere nur selten als echtes Äquivalent zur Führungskarriere etabliert.
Oft wird trotz anderslautender Kommunikation die Führungskarriere von Mitarbeitenden und von Führungskräften als hochwertiger angesehen. Dies liegt auch daran, dass die Fachkarriere zwar strukturell in der Karrierearchitektur angelegt ist, sie jedoch nicht mit eigenen Steuerungsprozessen und -gremien sowie einer dezidierten Mitarbeitererfahrung (Employee Experience) mit Leben gefüllt wird.
Um die „Karriere“ zum Erfolg zu führen, erfordert es ein ganzheitliches Konzept. Es umfasst (1) eine klare Karrierearchitektur (zum Beispiel mit Fach-, Führungs- und Projektkarrierewegen), (2) transparente Karriereprozesse (zum Beispiel mit Blick auf die Themen Progression und Promotion) und (3) ein attraktives Karriereerlebnis (etwa durch ein Community Building). Viele Unternehmen haben jedoch noch Nachholbedarf, eine entsprechend ganzheitliche Karrierelandschaft zu gestalten.
Doch worauf kommt es dabei vor allem an? Und wie können auch Fach- und Projektkarrieren „Karriere machen“? Entscheidend ist hier die Frage, welche Geschäfts- und Talent-Management-Ziele erreicht werden sollen. Nach unserer Erfahrung etablieren sich die Fach- und die Projektkarriere dort am besten, wo es klare Interessen der Fachbereiche dafür gibt und sie die Karrierelandschaft mitgestalten und bewirtschaften können.
Angesichts der Vielfalt der Arbeitsorganisation in Unternehmen sehen wir aktuell drei idealtypische Gestaltungsalternativen für eine Karrierearchitektur, die zum Teil miteinander kombiniert werden können. Als gemeinsamer Referenzrahmen für Mitarbeitende und Führungskräfte prägen sie jeweils auf unterschiedliche Weise das Verständnis von Entwicklung und Karriere. Es gibt hier kein richtig oder falsch, sondern nur ein passend oder weniger passend mit Blick auf die Prioritäten eines Unternehmens.
In diesem Modell werden auf Basis einer vertikalen Struktur Karrieren für Führungskräfte und für Experten definiert, evtl. zusätzlich auch Projektkarrieren. Die Struktur umfasst typischerweise neben (weitgehend) parallelen Führungs- und Fachkarrierewegen eine vertikale Hierarchie (zum Beispiel auf Basis von Levels oder Grades) sowie eine inhaltliche Segmentierung nach Jobfamilien.
Diese recht eingängige Struktur lässt sich gut in IT-Systemen abbilden; sie bietet sich vor allem an, wenn Fachwissen für die Wertschöpfung eines Unternehmens wichtig ist. Gerade wenn die Führungskarriere als allein relevante Karriereoption vorherrschte, kann dieses Modell alternative Karrierewege gezielt aufbauen und stärken. Gleichzeitig ist bei einer zunehmenden Anzahl an Positionen die eindeutige Zuordnung nicht in allen Fällen trivial, etwa bei Teamleitern, die nur wenige Experten führen und primär einer inhaltlichen Arbeit nachgehen oder bei Fachrollen, die fachliche Netzwerke steuern.
Dieser Ansatz stellt Skills in den Mittelpunkt. Breite Skill-Cluster bündeln relevante Skills (zum Beispiel Financial, Data, Research, Consulting). Stellen können dann Elemente verschiedener Skill-Cluster zugeordnet werden. Gleichzeitig können Mitarbeitende auf Basis ihrer persönlichen Skill-Profile mögliche Karriereoptionen identifizieren. Diese Variante flexibilisiert die strategische Personalplanung und die Karriereoptionen der Mitarbeitenden.
Weil nicht die klassischen Organisations- oder Funktionsstrukturen im Fokus stehen, sondern die Skills, können strukturelle Silos aufgebrochen und neue Entwicklungs- und Karrierewege ermöglicht werden. Ein Nachteil dieser Flexibilität ist jedoch, dass die entsprechende Komplexität oft nur schwer in gängigen IT-Systemen abgebildet werden kann. Zudem ist eine reine Skill-Betrachtung für das Vergütungsbenchmarking und das Vergütungsmanagement herausfordernd.
In diesem Modell werden funktionsübergreifend archetypische Rollenprofile aus dem Geschäftsmodell abgeleitet, zum Beispiel Business Partner, Scientist, Analyst, Coach oder Executive, und deren Spannbreite in Bezug auf Grades oder Karrierelevel festgelegt. Die unterschiedlichen Karrierelevel innerhalb eines Rollenarchetypen, etwa Analyst 1, Analyst 2, Analyst 3, lassen sich dann konkret beschreiben, und die Mitarbeiterprogression kann mit rollenspezifischen Kompetenzmatrizen definiert werden.
Dieses Vorgehen ist besonders für ausgewählte, erfolgskritische Rollen in homogenen Geschäfts- oder Organisationsmodellen geeignet, bei denen ein funktionsübergreifender Ansatz sinnvoll ist und die Transparenz über cross-funktionale Entwicklungswege sowie die Flexibilität des Mitarbeitereinsatzes im Fokus stehen. Wie beim Skill-basierten Ansatz kann auch hier das Vergütungsbenchmarking herausfordernd sein.
Wie auch immer Unternehmen ihre Karrierearchitektur ausgestalten, ein zentraler Baustein ist stets die Employee Value Proposition. Sie soll die Arbeitgeberattraktivität für wichtige Talent-Segmente steigern und Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen transparent machen. Entwicklungsperspektiven rangieren schließlich nach wie vor hoch auf der Prioritätenliste von Bewerbern und Mitarbeitenden.
Im Sinne einer überzeugenden Employee Value Proposition können Unternehmen einiges tun, um das Thema Karriere lebendig werden zu lassen und zu einem attraktiven Teil der Unternehmenskultur werden zu lassen:
Unter dem Strich gibt es keine einfache Antwort auf die Frage nach der besten Karrierearchitektur bzw. der idealen Karrierelandschaft. Personalpolitische Ziele, kulturelle Aspekte und das Business-Modell wirken sich wesentlich auf diese Entscheidung aus. Ein traditioneller dualer Ansatz kann vor allem auf der Reise weg von einer reinen Führungsorientierung sehr sinnvoll sein, auch angesichts einer vielfältigen fluiden Arbeitswirklichkeit.
Unabhängig davon, für welche Variante sich ein Unternehmen entscheidet: Ein Erfolg wird sich erst dann einstellen, wenn aus Architektur, Prozessen und Employee Experience ein stimmiges Ganzes entwickelt wird.