Seit Beginn der Covid-19 Pandemie Anfang 2020 ist unsere Wirtschaft im Krisenmodus. Immerhin haben staatliche Unterstützungsmaßnahmen die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen während der Pandemie auf einem niedrigen Niveau gehalten. Zu erwähnen ist hier vor allem der zwischen den Kreditversicherern und der Bundesregierung abgestimmte Schutzschirm für Lieferketten: Der Bund hatte sich dazu verpflichtet, 2020 und 2021 eine Garantie für Entschädigungszahlungen der Kreditversicherer in Höhe von 30 Mrd. Euro zu übernehmen.
Zum 30.06.2021 ist der Schutzschirm ausgelaufen. Doch auch wenn im dritten Quartal 2022 das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal leicht zugelegt hat, sehen die mittel- bis langfristigen Prognosen weiterhin düster aus. Steigende Energiepreise infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine, eine zweistellige Rekordinflation (10,4 Prozent im Oktober 2022), Fachkräftemangel, unterbrochene Lieferketten und ein weiter steigendes Zinsniveau machen es Unternehmen äußerst schwer, ihr Geschäft zuverlässig zu planen.
In diesem Kontext erwartet Allianz Trade einen Anstieg der Insolvenzen um 40 Prozent im Euroraum in den kommenden beiden Jahren. Auch außerhalb Europas ist ein deutlicher Anstieg zu erwarten. Hier sind vor allem China (+ 15 Prozent) und die USA (+ 38 Prozent) zu erwähnen.
Sollten die prognostizierten Entwicklungen real werden und sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschlechtern, können bonitätsschwache Unternehmen ihre Liquidität nur noch schwer sichern, da Banken in Krisenzeiten erfahrungsgemäß zu einer restriktiven Kreditvergabe neigen. Und mit der Zahl der Insolvenzen wird wohl auch die Zahl der Insolvenzanfechtungen zunehmen.
Die Thematik „Insolvenzanfechtungsrisiko“ wird bereits seit Jahren intensiv diskutiert. Viele richterliche Entscheidungen belegen ihre praktische Relevanz. Immer wieder wurden die Rechtsfolgen und auch die Zeiträume, in denen eine Anfechtung möglich ist, von Wirtschaftsverbänden kritisiert. Dies hat auch dazu geführt, dass der Gesetzgeber in Teilen „nachjustiert“ hat.
Wichtig ist dabei die Aufgabe der Insolvenzverwalter, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen. Das verbliebene Vermögen soll quotal, also gerecht, auf die Gläubiger verteilt werden. Wenn ein Insolvenzverwalter anfechtbare Rechtshandlungen identifiziert, muss er sie prüfen und ihnen nachgehen. Und dies geschieht oft. Die Bedeutung des Insolvenzanfechtungsrechts hat zugenommen.
Den Grundsatz für eine Anfechtung definiert § 129 der Insolvenzordnung (InsO). Veranlasst durch den Insolvenzverwalter sollen damit Gläubigerbenachteiligungen rückgängig gemacht werden können, die in der Zeit vor der Insolvenzantragstellung entstanden sind. So soll die Insolvenzmasse gemehrt und die Benachteiligung anderer Gläubiger ausgeschlossen werden. Nur der Insolvenzverwalter hat die Möglichkeit der Anfechtung nach § 129 InsO. Dazu muss das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet worden sein. Durch die Anfechtung lebt die Forderung wieder auf.
Für die Lieferanten bedeutet das in erster Linie Rechtsunsicherheit. Im „Worst Case“ kann eine vom Insolvenzverwalter durchgeführte Anfechtung bereits erhaltener Zahlungen für sie zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder gar zur eigenen Insolvenz führen. Bei grenzüberschreitenden Geschäften ist das Risiko einer Insolvenzanfechtung ebenfalls gegeben. Auch ausländische Jurisdiktionen kennen die Thematik. Hier kommt erschwerend hinzu, dass die Anfechtungsvoraussetzungen und Anfechtungszeiträume vom deutschen Rechtskreis abweichen können.
Eine grundsätzliche Frage ist, ob der Lieferant von der drohenden Zahlungsunfähigkeit seines Vertragspartners wusste. In der Praxis sucht der Insolvenzverwalter nach Indizien, um eine solche Kenntnis nachzuweisen:
Das Risiko der Insolvenzanfechtung lässt sich nicht vermeiden, höchstens durch umsichtiges Verhalten reduzieren (Stichwort: „kongruenter Leistungsaustausch“). Zeichnet sich eine Krise ab, könnte etwa auf Vorkasse umgestellt werden.
Eine Warenkreditversicherung bietet Lieferanten lediglich eingeschränkten Schutz für Schäden aus einer Anfechtung. Problematisch ist, dass beim Wiederaufleben der versicherten Forderung lediglich das höchste gezeichnete Kreditlimit maßgeblich ist. Die Praxis zeigt aber, dass das Limit häufig bereits ausgeschöpft wurde.
Um das Risiko bestmöglich zu mitigieren, können sich Lieferanten vor den Folgen einer Insolvenzanfechtung mit dem Abschluss einer Insolvenzanfechtungsversicherung schützen. Seit 2014 werden entsprechende Lösungen am deutschen Versicherungsmarkt angeboten.
Dabei wird unterschieden zwischen
Sinn und Zweck einer solchen Absicherung ist es, eine Entschädigungsleistung für den gesamten versicherten Ausfall zu erreichen – also auch für den Fall, dass der versicherte Ausfall durch das Wiederaufleben der Forderung das Kreditlimit übersteigt.
Nur Fachanwälte, die mit der Materie vertraut sind, sollten mit der Wahrung der eigenen Interessen beauftragt werden. Nur Experten können beurteilen, ob behauptete Anfechtungsansprüche tatsächlich bestehen. Insolvenzanfechtungsrecht ist oft Einzelfallrechtsprechung! Daher empfiehlt sich eine Mitversicherung auch der in diesem Zusammenhang entstehenden Rechtskosten.