Unternehmen sollten die Employee Experience jetzt auch auf die neuen Anforderungen der Mitarbeitenden ausrichten.
Die Arbeitswelt und die Mitarbeiterbedürfnisse verändern sich rapide. Mitarbeitende engagieren sich zunehmend in Netzwerken und agilen Organisationsformaten; sie arbeiten nicht mehr nur von „nine to five“ im Büro, sondern im Rahmen flexibler hybrider Arbeitsmodelle. Dass Arbeitgeber heute deutlich mehr als Laptop, Obstkorb und Topfpflanze bieten müssen, ist klar: Doch worauf kommt es bei der Gestaltung der Employee Experience (EX) jetzt an, um Mitarbeitende zu gewinnen, zu binden und zu inspirieren, ihr Bestes zu geben?
Die ESG-Kriterien werden nicht nur für Vorstandsmitglieder, Investoren und Führungskräfte immer wichtiger, sondern auch für die Art und Weise, wie Unternehmen ihre internen Prioritäten definieren, ihr eigenes Verhalten bewerten und dies in- und extern kommunizieren.
Denn wer in seinem Alltag viel Wert auf Umweltbewusstsein, soziale Verantwortung und generell auf Nachhaltigkeit legt, möchte bei einem Unternehmen arbeiten, das sich entsprechend verhält. Speziell für Berufseinsteiger spielt dies laut EIB-Klimaumfrage in Deutschland eine immer wichtigere Rolle bei der Arbeitgeberwahl. Schon jetzt erwartet gut die Hälfte aller Befragten (56 Prozent) von einem potenziellen Arbeitgeber, dass er auf Nachhaltigkeit achtet. Bei Berufseinsteigern zwischen 20 und 29 Jahren nennen mehr als drei Viertel (81 Prozent) Nachhaltigkeit als wichtigen Faktor bei der Job-Wahl. Für 18 Prozent hat dieses Kriterium absolute Priorität.
81% der Berufseinsteiger zwischen 20 und 29 Jahren nennen Nachhaltigkeit als wichtigen Faktor bei der Job-Wahl.
Unternehmen sollten deshalb transparent machen, welche ESG-Verpflichtungen sie haben und mit welchen Maßnahmen sie die Umwelt schützen, das Gemeinwohl fördern und ethische und integrative Praktiken unterstützen. WTW-Studien belegen, dass die Konformität mit den ESG-Kriterien weit über ein „nice to have“ hinausgeht, denn Unternehmen, die über eine robuste ESG-Strategie verfügen, erzielen bessere finanzielle Ergebnisse.
Aber nicht nur Erwartungshaltungen und Transparenzwünsche der Mitarbeitenden gewinnen an Bedeutung. Auch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU zielt darauf, die Qualität der nichtfinanziellen bzw. nachhaltigkeitsbezogenen Berichterstattung deutlich zu verbessern. Die Berichtspflicht für kleine und mittelständische kapitalmarktorientierte Unternehmen beginnt 2026 bzw. mit Ausnahmeregelung („Opt-out“) 2028. Allein in Deutschland müssen dann etwa 15.000 Unternehmen spätestens ab 2028 über Nachhaltigkeitsaspekte im Sinne der CSRD berichten.
Eine wirksame und glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategie kann zu einem echten Differenzierungsmerkmal im „War for Talents“ werden. Diese Strategie sollte zum Unternehmen passen, auf seine Ziele einzahlen und messbare ESG-Ziele mit ökonomischen Aspekten verknüpfen. In der Praxis erstellen viele Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht, der auf den 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen basiert und nutzen diesen Bericht als Basis für weitere Maßnahmen der internen und externen Kommunikation. Doch nur wenige Unternehmen verfügen über eine integrierte ESG-Strategie und können entsprechende Daten sammeln, die den Mitarbeitenden ihren Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele verdeutlicht.
Das Streben nach Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion (Diversity, Equity & Inclusion, DEI) ist für Unternehmen weltweit stark in den Vordergrund gerückt. Das Messen der „Diversitäts- und Inklusions-Experience“ hat in den letzten drei Jahren deutlich zugenommen – auch angetrieben durch die negativen Auswirkungen der COVID-Pandemie und den globalen Aufschrei gegen Rassenungerechtigkeit. In Deutschland denkt laut WTW-Studie „Dynamics at work 2023“ mehr als ein Drittel deutscher Unternehmen darüber nach, gängige DEI-Programme und -Prozesse zu prüfen und zu aktualisieren.
Die Vorteile sind klar: Vielfältige Teams bringen eine Reihe von Perspektiven ein, was zu mehr Kreativität, Innovation und Zusammenarbeit führt; denn ein vielfältiger und integrativer Arbeitsplatz ist entscheidend für eine positive Mitarbeitererfahrung. Viele Unternehmen setzen bereits beim Recruitment auf Vielfalt, führen integrative Richtlinien ein und fördern eine Kultur der Zugehörigkeit.
Qualitative Auswertungen von WTW-Befragungen in den letzten 24 Monaten haben ergeben, dass Gleichbehandlung nicht immer als fair angesehen wird und dass sich nicht geförderte Mitarbeitende übersehen und diskriminiert fühlen. Ein Beispiel dafür ist, dass „weiße Männer mancherorts die am meisten diskriminierte Gruppe sind“ (Personalwirtschaft, „Nicht überfördern“, Seite 32), wohlgemerkt „mancherorts“.
Generell sollte Förderung kein Nullsummenspiel sein und die Förderung von benachteiligten Gruppen auch mit Blick auf andere Gruppen fair erfolgen. Dabei helfen Befragungen und Advanced Analytics. Unternehmen gewinnen damit aussagekräftige Daten rund um Fragen wie zum Beispiel: Wie sieht unser Gender Pay Gap aus? Oder wie lauten unsere Frauen- und Queer-Gender-Quote im Top-Management? Auf Basis dieser Daten können Entscheidungen getroffen werden, die zu mehr Fairness führen. Faire Förderung heißt aber auch, Leistungen unabhängig von Diversitäts-Aspekten zu bewerten und zu honorieren und entsprechende Entscheidungen klar zu kommunizieren – das sorgt für ein besseres Verständnis auf allen Seiten.
Nach der Pandemie erlebten viele deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr einen Aufschwung und erhöhten die Gehälter deutlich mit dem Ziel, Fachkräfte zu halten. Für Gehaltserhöhungen im Jahr 2023 hat sich das Konjunkturumfeld jedoch verschlechtert. Die anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit, geopolitische Spannungen, hohe Inflation sowie eine erwartete Rezession erfordern eine andere Herangehensweise an Gehaltsentscheidungen.
Künftig werden Unternehmen überdenken müssen, welcher Gegenwert für geleistete Arbeit und Leistung besser passt. Dazu gehören vor allem – aber nicht nur – eine (markt-)gerechte und faire Bezahlung aller Mitarbeitenden im Branchenvergleich, zugeschnittene Sozialleistungen, damit es sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten können, in ihrem Job und ihrem Unternehmen zu bleiben, und die Überlegung, welche Gehaltskompromisse bei der Bindung der Top-Talente eingegangenen werden können.
Es überrascht dabei nicht, dass in unsicheren Zeiten Jobsicherheit und bedarfsgerechte Personalprogramme für Beschäftigte in der heutigen Arbeitswelt eine übergeordnete Rolle spielen. Sie schaffen Stabilität, finanzielle Sicherheit, fördern die Karriereentwicklung und verbessern das Wohlbefinden und die Gesundheit der Arbeitnehmer.
Neben dem Vertrauen in den finanziellen unternehmerischen Erfolg eines Arbeitgebers und Sicherheit ist ein zukunftsfestes und faires Vergütungspaket einer der wichtigsten Faktoren für Mitarbeitende, um weiterhin im Unternehmen zu bleiben und Leistung zu zeigen. Oft kritisieren Mitarbeitende in WTW-Befragungen allerdings weniger das Gehalt per se, sondern mangelhafte interne Fairness und Differenzierung nach Leistung.
Homeoffice in der Pandemie hat die EX von einer beruflichen Erfahrung im Unternehmen zu einer persönlichen Erfahrung im eigenen Heim gemacht. Berufliches und Privates greifen mehr denn je ineinander, und die Vereinbarkeit beider wird immer wichtiger. Unternehmen haben sich jedoch traditionell davor gescheut, nach außerberuflichen Angelegenheiten ihrer Mitarbeitenden zu fragen, vor allem, um deren Privatsphäre zu wahren.
Forscher argumentieren jedoch, dass die Grenzen während der Pandemie verschwammen und viele Arbeitnehmer nicht mehr bereit sind, so zu tun, als ob ihr Arbeitsleben und ihr Privatleben immer klar getrennt wären. „Die Mitarbeiter wollen, dass ihre Vorgesetzten über ihre persönlichen Verpflichtungen Bescheid wissen und ihnen, wenn möglich, entgegenkommen“, sagt etwa Dion Love, Vize-Präsident, Personalwesen bei Gartner.
Trotz unscharfer Grenzen sind viele Mitarbeitende nicht mehr bereit, Überstunden für einen höheren Gehaltsscheck zu machen – egal, ob zuhause oder im Unternehmen. Sie schauen sich zunehmend an, wie sie in ihrer Lebenssituation vom Arbeitgeber unterstützt werden. Das Schlüsselwort lautet „Work-Life-Balance“, das Gleichgewicht von Leben und Arbeit.
Mitarbeitende wollen ihre Karriere ausbauen, ohne ihr Privatleben, ihre Familien, ihre Freizeit und ihre (psychische) Gesundheit zu opfern. Unterstützen Arbeitgeber eine gesunde Work-Life-Balance durch flexible Arbeitsmodelle, sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eher bereit, mehr zu leisten als nur Dienst nach Vorschrift. Gerade wenn ihnen die Möglichkeit gegeben wird, selbst zu entscheiden, wann und wie sie arbeiten, kann dies die Employee Experience verbessern, das Engagement der Mitarbeitenden steigern, ihre Produktivität erhöhen und Burnout reduzieren.
Insgesamt zeigt sich: Unternehmen sollten prüfen, ob sie noch eine Employee Experience ermöglichen, die den aktuellen Anforderungen der Mitarbeitenden entspricht. In vielen Fällen bietet sich ein Update der Employee Experience an, damit es Unternehmen auch in Zukunft gelingt, ausreichend geeignete Mitarbeitende zu gewinnen, zu binden und im Sinne der Unternehmensziele zu motivieren.
Veränderte Anforderungen und Erwartungen an eine bessere Employee Experience müssen in den Mittelpunkt gestellt werden. Für Verbesserung von Leistung und Zusammenarbeit ist es essenziell, wenn zu achten, worauf Mitarbeitende wirklich Wert legen. Andernfalls werden künftige Umbrüche, Krisen und Herausforderungen nur noch schwerer zu bewältigen sein.