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Artikel | HR Perspectives

Vergütungsmanagement 2.0

20. Dezember 2023

Flexibilität, Segmentierung und Total Rewards prägen die Vergütungssysteme der nächsten Jahre. Ein Interview mit Dr. Ute Fumagalli, WTW.
Compensation Strategy & Design|Work Transformation|Ukupne nagrade
N/A

Frau Dr. Fumagalli, was kennzeichnet aktuelle Vergütungssysteme?

Ute Fumagalli: Unternehmen haben in den letzten Jahren ihre Stellen Job-Familien zugeordnet und bewertet und die daraus entstehende Stellenarchitektur mit Vergütungsbändern verknüpft. HR und Führungskräfte konnten so mit Blick auf Wertigkeitslevel und Vergütungsbandbreiten ihre Vergütungsentscheidungen treffen. Die Bänder wurden meist jährlich überprüft und bei Bedarf angepasst. Nur vereinzelt wurden job-spezifische Bänder definiert, etwa für den Sales-Bereich. Insgesamt haben Unternehmen ihren Vergütungssystemen also eine klare Struktur gegeben.

Wird es bei diesem Ansatz bleiben?

Ute Fumagalli: Klare Strukturen bleiben wichtig. Dafür sorgen allein schon die regulatorischen Anforderungen in Sachen Fair Pay bzw. Vergütungsgerechtigkeit: Unternehmen sind laut Entgelttransparenzgesetz gefordert, Vergütungsunterschiede transparent zu machen und zu berichten. Dies gelingt eben nur auf Basis klarer Strukturen. Viele Unternehmen haben die Anforderungen des Entgelttransparenzgesetzes erkannt und eine Struktur geschaffen bzw. vorhandene Stellenarchitekturen in Ordnung gebracht. Wer hier nicht bis spätestens 2027 transparent und berichtsfähig ist, muss mit Sanktionen rechnen.

Passen solche Strukturen noch in unsere dynamische Welt?

Ute Fumagalli: Unternehmen müssen jetzt Struktur und Flexibilität miteinander verbinden. Denn Konjunkturzyklen sind immer kürzer, Unternehmen verändern sich immer schneller und umfassender, viele durchlaufen eine grundlegende Transformation. HR muss dies alles flankieren und Stellen abbauen, die weniger wichtig werden, sowie Stellen aufbauen, die in Zukunft erfolgskritisch sind. Gleichzeitig geht es darum, bestehende Stellenprofile mit Blick auf künftige Anforderungen anzupassen oder auch Raum für neue Stellenprofile zu schaffen. Es ist also viel in Bewegung. Und dazu braucht es im Rahmen von Strukturen eben auch genügend Flexibilität.

Unternehmen müssen Struktur und Flexibilität miteinander verbinden.”

Dr. Ute Fumagalli | Director Work and Rewards, WTW

Wie kann die nötige Flexibilität gesichert werden?

Ute Fumagalli: Zum einen sollten die Stellenbewertungssysteme generischer werden, sie dürfen nicht mehr zu kleinteilig sein. Zum anderen kommt es darauf an, die angedockten Gehaltsbänder mehr zu segmentieren. Hier geht es etwa um Jobs im IT- und im Sales-Bereich, deren Vergütung in kurzer Zeit im Markt deutlich zugenommen hat. In Zukunft zählt nicht mehr das eine Gehaltsband für alle, sondern eine marktorientierte Segmentierung. Zudem kommt es darauf an, für erfolgsentscheidende Skills, die im Markt stark nachgefragt werden, einen besonderen Vergütungszuschlag, ein Skills Premium, zu bieten.

In Zukunft zählt eine marktorientierte Segmentierung.”

Dr. Ute Fumagalli | Director Work and Rewards, WTW

Bedeutet eine solche Differenzierung nicht noch mehr Komplexität?

Ute Fumagalli: In einem gewissen Maße schon. Unternehmen können dieser Komplexität jedoch mit Hilfe digitaler Prozesse und geeigneter IT-Tools effizient entgegenwirken. Die meisten HR-Bereiche haben während der Corona-Pandemie hier einen Sprung nach vorn gemacht und können deshalb ihr Vergütungsmanagement zukunftsgerecht gestalten.

Vergütungsstrukturen sind das eine, aber welche Trends sehen Sie bei den Vergütungskomponenten?

Ute Fumagalli: In den letzten Jahren stand die Grundvergütung im Vordergrund; so manches Unternehmen musste die Boni aus wirtschaftlichen Gründen reduzieren. Und einige hatten versucht, ganz ohne Bonus-System auszukommen. Die haben jedoch schnell festgestellt, dass ihnen ein wirkungsvolles Instrument fehlt, um ihre Mitarbeitenden zu motivieren und deren Leistung auf relevante Ziele zu lenken. Jetzt sehen wir: Bonus is back. Und das bleibt auch so. Ein zielführendes Performance-Management und der Bonus bzw. die variable Vergütung gehören zusammen.

Vergütungsmangement im Vergleich

Was hat sich wie verändert?
heute morgen
starr flexibel strukturiert
standardisiert segmentiert
allgemein individuell
langfristig beweglich
aufgabenorientiert leistungs- und erfolgsorientiert

Also zurück zur gewohnten variablen Vergütung?

Ute Fumagalli: Nein, sie wird einfacher und transparenter, indem sie mit wenigen und dafür strategisch relevanten Zielen verknüpft wird. Sie wird wirkungsvoller, indem mehr zwischen Gut- und Schlechtleistern differenziert wird. Und sie wird digitaler und somit administrativ weniger aufwändig; der digitale Prozess kann dabei von der Zielvereinbarung über die unterjährigen Boxenstopps bis zur abschließenden Bewertung und der entsprechenden Bemessung und Auszahlung der Boni reichen.

Und welche Trends zeigen sich abseits der monetären Vergütung?

Ute Fumagalli: Mitarbeitenden wird eine weitere Komponente im Rahmen der Total Rewards immer wichtiger: die Nebenleistungen. Hier geht es etwa um die betriebliche Altersversorgung. In den Fokus der Mitarbeitenden rücken jedoch zunehmend auch die Themen Gesundheit und Mobilität. Unternehmen sollten dabei ihren Mitarbeitenden bestimmte Leistungen zur Auswahl anzubieten – der eine kann sich dann zum Beispiel für ein Fitnessprogramm entscheiden und die andere für ein Bahnticket.

Sind damit nicht auch höhere Kosten verbunden?

Ute Fumagalli: Nicht unbedingt. Die meisten Unternehmen verfügen bereits über ein vielfältiges Angebot an Nebenleistungen. Wichtig ist, dieses Angebot noch besser auf die Mitarbeiterwünsche zuzuschneiden und alles attraktiv zu kommunizieren, etwa über eine digitale Plattform. Der finanzielle Aufwand dafür bleibt überschaubar, doch die Wirkung auf die Mitarbeiterzufriedenheit ist groß. Auch ohne Mehrkosten kann viel erreicht werden.

Auch ohne Mehrkosten kann viel erreicht werden.”

Dr. Ute Fumagalli | Director Work and Rewards, WTW

Darüber dürften sich die Mitarbeitenden, HR und Finance freuen.

Ute Fumagalli: Durchaus, und Unternehmen können auch im Rahmen der anhaltenden Trends rund um die New Ways of Working ohne größere Investments viel bewegen, um Mitarbeitende zu gewinnen, zu binden und ihr Engagement zu stärken. Hier geht es um flexible Arbeitszeiten, Arbeitsorte und Beschäftigungsmodelle. Gerade viele Jüngere schätzen solche Angebote mehr als ein Gehaltsplus. Hier geht es nicht um die großen Budgets, sondern um organisatorisches Geschick.

Was sollten Unternehmen jetzt tun?

Ute Fumagalli: Sie sollten prüfen, ob ihre Stellenarchitektur ein Vergütungssystem ermöglicht, das zum einen den regulatorischen Anforderungen entspricht und zum anderen ausreichend Flexibilität z.B. für eine marktgerechte Vergütung bietet. Sie sollten sich auch ansehen, welche HR-Programme sie vereinfachen und besser „vermarkten“ können.

Unter dem Strich entscheidet das Gesamtpaket.”

Dr. Ute Fumagalli | Director Work and Rewards, WTW

Insgesamt geht es für Unternehmen darum, welchem der skizzierten Trends sie folgen wollen: Brauchen sie Skills Premiums für IT-Profis? Attraktive Benefits, die kostengünstig in der Breite wirken? Flexible Beschäftigungsmodelle, um Talente anzuziehen? Oder ist für sie ein Fokus auf den Bonus im Sinne des Leistungsgedankens wichtig, um den Unternehmenserfolg zu stiegern? Über den jeweils besten Mix entscheiden die Branche, das Geschäftsmodell und die personalpolitischen Ziele. Generell gilt jedoch: Geld ist nicht alles – unter dem Strich entscheidet das Gesamtpaket.

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Dr. Ute Fumagalli
Director Work and Rewards

Managing Director, Head of Work and Rewards Germany/Austria

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