Unaufhaltsam nimmt die Digitalisierung Einfluss auf unsere Gesellschaft und wir stellen fest: Kaum ein Arbeitgeber nimmt seine digitale Fürsorgepflicht wahr. Neue Arbeitsweisen verlangen ein Umdenken. Durch den Einsatz von neuen Technologien öffnen sich die Grenzen zwischen der Arbeit und dem Privatleben. Für die Arbeitnehmenden birgt dies nicht nur den Vorteil von mehr Flexibilität, sondern auch das Risiko, nicht mehr abschalten zu können. Arbeitgeber sollten entsprechend dafür Sorge tragen, dass Ruhezeiten eingehalten werden und die Bildschirmzeit nicht ins unermessliche wächst. Auch ein Mitarbeitererlebnis ohne technische Hürden kann dazu beitragen, die Arbeitszeit effizient zu nutzen und Stress und Frustration zu vermeiden.
Aktuelle Studien zeigen, dass Arbeitgeber dies erkennen. So zeigt die kürzlich durchgeführte «Benefits-Trends-Studie» von WTW, dass zwei von fünf Arbeitgebern das technologische Umfeld in Bezug auf den Zugang und die Auswahl von Benefits verbessern wollen. Um dies zu erreichen, bieten sich digitale Kommunikationsplattformen an, die zielgerichtet und jederzeit von überall abrufbar sind. Arbeitnehmer erwarten diese Flexibilität.
Arbeitgeber profitieren bei umsichtiger Umsetzung von einem verbesserten Mitarbeitererlebnis, das einen direkten Einfluss auf die wahrgenommene Arbeitgebermarke und die Gewinnung und Bindung von Talenten hat.
Mehr als die Hälfte der teilnehmenden Arbeitgeber der «Benefits-Trends-Studie» von WTW wollen zudem das Mitarbeitererlebnis durch einen integrierten Wellbeing-Ansatz verbessern. Dies scheint vor allem unter dem Gesichtspunkt notwendig zu sein, dass sich gemäss der 2021 vom ADP Institute durchgeführten «People at Work-Studie» im Rahmen der Pandemie der Anteil an unbezahlter Überzeit im Gegensatz zu vor der Pandemie, global gesehen, von 7.3 auf 9.2 Stunden pro Woche erhöht hat. In Europa führt die Schweiz mit durchschnittlich 7.9 Stunden die Woche.
Fakt ist: Wellbeing ist nicht nur ein Schlagwort der Pandemie. Unser aller Wohlergehen umfasst vier Dimensionen und hat einen direkten Einfluss auf unser Privat- und Geschäftsleben. Fühlen sich Mitarbeitende emotional ausgeglichen, finanziell abgesichert, sozial verbunden und physisch leistungsfähig, sind dies beste Voraussetzungen für eine engagierte Belegschaft. Die Digitalisierung nimmt dabei eine zwiespältige Funktion ein.
So nimmt der Einsatz von neuen Technologien nicht nur direkten Einfluss auf das Mitarbeitererlebnis, sondern auch – im positiven und negativen Sinne – auf unsere Gesundheit. Neue Technologien und Apps bieten Mitarbeitenden Zugang zu diversen Gesundheitsangeboten, die alle vier Dimensionen abdecken können. Auf der anderen Seite verbringen Arbeitnehmende mehr und mehr Zeit vor dem Bildschirm, bewegen sich weniger und leiden vor allem im eigenen Homeoffice immer häufiger unter nicht idealen Arbeitsplatzbedingungen in Bezug auf die Ergonomie. Zusätzlich birgt die Digitalisierung die Gefahr der mangelnden Abgrenzung zwischen dem Privat- und dem Geschäftsleben und der sozialen Vereinsamung.
Während Arbeitgeber durch Mitarbeiterschulungen versuchen, die mit der Digitalisierung einhergehenden Cyberrisiken auf das Geschäftsumfeld zu minimieren, bleibt die Gefahr des digitalen Mitarbeiter-Burnouts oft unbeachtet. Obgleich die Stresswerte in Bezug auf die Covid-19-Pandemie gemäss WTW vorliegenden Daten seit Beginn der Pandemie nach anfänglichen Höchstwerten wieder sinkend sind, findet die Kommunikation mit den Mitarbeitenden – auch wenn aktuelle Prognosen in Bezug auf die Entwicklung der Pandemie positiv sind – in Zukunft vermutlich weiterhin vermehrt digital statt. Dies impliziert für den Arbeitgeber neben zum Teil niedrigeren Bürokosten weniger persönliche Gespräche mit den Mitarbeitenden und die Gefahr, den Kontakt und das Gefühl für das Wohlergehen der Mitarbeitenden zu verlieren. Regelmässige Check-ins und Massnahmen wie zum Beispiel Mitarbeiterbefragungen und virtuelle Fokusgruppen verschaffen den Mitarbeitenden Gehör, doch wie können Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden dazu animieren, regelmässig eine Pause einzulegen?
Um einen entscheidenden Unterschied zu machen, sollten Unternehmen sicherstellen, dass Grenzen und ein gesundes Verhalten, unterstützt durch entsprechende Wellbeing-Massnahmen, zu einem integralen Bestandteil der Arbeitskultur gehören. Verstärkt sollten auch Führungskräfte eine Vorbildfunktion einnehmen und eine ausgewogene Work- Life-Balance vorleben. Dies beinhaltet neben der Einhaltung von regelmässigen Pausen zum Beispiel einen gesunden Ansatz beim Lesen, Senden und Beantworten von Geschäfts-E-Mails. Auch das Thema Arbeit und Flexibilität sollte explizit im Team angesprochen und diskutiert werden, um die Arbeitsmuster des Einzelnen transparent zu machen (bspw. arbeitet ein Arbeitnehmer oft am Abend eine Stunde, weil er sich bis 09:00 Uhr um die Kinder kümmert) und Erwartungen klarzustellen (bspw.: E-Mails sind innerhalb von zwei Arbeitstagen zu beantworten / für dringende Dinge gibt es Telefon / Chat). Zusätzlich können Workshops zum Thema Stress bei der Sensibilisierung von Führungskräften helfen, um das Erkennen von und den Umgang mit burnout-gefährdeten Mitarbeitern zu erleichtern. Es gilt einen Massstab zu setzen für die Selbstfürsorge.
Auch wenn Arbeitgeber einen grossen Einfluss auf das digitale Wohlergehen haben, sollten sich auch Arbeitnehmer ihrer Eigenverantwortung bewusst sein. Gemäss dem Motto «Work smarter, not harder» können sich Arbeitnehmer die Technologie zunutze machen. Mit einfachen Mitteln, wie zum Beispiel den richtigen Einstellungen von Benachrichtigungen, lassen sich Unterbrechungen reduzieren, die von einem effizienten Arbeiten abhalten.
Zusätzlich können diverse Funktionalitäten, wie digitale To-Do-Listen, dabei helfen, den Arbeitsalltag zu organisieren und Ruhezeiten einzuhalten. Es empfiehlt sich auch, das Notebook vor dem Nachtessen herunterzufahren und zu schliessen. Die Versuchung, später noch schnell etwas zu erledigen, wird dadurch deutlich geringer. Nebst einer befähigenden Nutzung der Technologie sollten sich Mitarbeitende auch digitale Auszeiten nehmen und diese mit nicht digitalen Hobbies wie zum Beispiel Achtsamkeitsübungen füllen. Der Umgang mit den neuen Arbeitsgegebenheiten muss gelernt sein. Selbst erfahrene Kollegen müssen sich zuerst zurechtfinden und erkennen, dass die Lernkurve steil sein kann und es entsprechendes Engagement braucht, um sich zu verbessern. Der Aufwand aber lohnt sich, denn mit ein paar neu gelernten Kniffs erledigen sich gewisse Arbeiten viel effizienter.
Unabwendbar stellen wir fest: Die Digitalisierung stellt für unsere Gesellschaft sowohl Fluch als auch Segen dar. Auf das Arbeitsumfeld bzw. hybride Arbeitsmodelle bezogen ergeben sich neue Verantwortungen. Arbeitgeber unterliegen einer digitalen Fürsorgepflicht, die neben einem vorbildhaften Verhalten von Führungskräften ein zur Eigenverantwortung befähigendes Arbeitsumfeld beinhaltet. Daneben müssen sich Unternehmen bewusst sein, dass tadellos funktionierender Hard- und Software noch mehr Bedeutung zukommt als schon vor der Covid-19-Pandemie. Arbeitnehmer wiederum sollten sich ihrer Eigenverantwortung bewusst sein und lernen, die Technik im Sinne ihres Wohlbefindens einzusetzen, aber auch dafür Sorge tragen, Offline-Zeiten im sozialen Umfeld einzuplanen – ganz im Sinne von «bewusster digital leben». Schalten Sie auch mal ab – bleiben Sie gesund.