360°Vorsorge I News
Arbeitnehmer in der Schweiz sind sich der Bedeutung des Themas Altersvorsorge bewusst. Aber Studien und Erfahrungen zeigen, dass es nach wie vor große Lücken im Verständnis des Vorsorgesystems gibt, was besonders dann relevant ist, wenn Reformen in der ersten und zweiten Säule erforderlich sind. Auch die Erwartungen an den Ruhestand unterscheiden sich stark zwischen der jüngeren Generation und älteren Arbeitnehmern, die kurz vor der Pensionierung stehen. Letztendlich ist es oft eine Frage des Vertrauens in das schweizerische Vorsorgesystem, und es bleibt noch einiges zu tun, damit alle Schweizer Arbeitnehmer volles Vertrauen in das Vorsorgesystem haben und eine aktivere Rolle in ihrer eigenen Finanzplanung übernehmen. So ist zum Beispiel das Rentenalter für alle leicht zu verstehen. Der Umwandlungssatz ist demgegenüber für Schweizer Arbeitnehmer sehr viel schwieriger zu verstehen, zumal es sich dabei um einen wichtigen Leistungsparameter handelt, der je nach Pensionskasse und Arbeitgeber sehr unterschiedlich ist.
Das Verständnis der Arbeitnehmer über ihre Altersversorgung ist für Unternehmen auch in finanzieller Hinsicht bedeutsam, da die Altersversorgung in der Regel neben der Lohnvergütung (Gehalt und Prämien) der kostspieligste Teil der Personalkosten ist. Daher sollten Arbeitgeber ein starkes Interesse daran haben, die Einstellung und Wertschätzung der Mitarbeiter für ihre Altersvorsorgeleistungen zu verstehen. Die jüngste 2022 Global Benefits Attitudes Survey von WTW zeigt, dass die Altersversorgung tatsächlich der wichtigste Bereich ist, bei welchem sich Arbeitnehmer mehr Unterstützung von ihrem Arbeitgeber wünschen. Dies liegt sogar noch vor Flexibilisierung, Karrieremanagement und emotionaler Gesundheit, um nur einige zu nennen.
Darüber hinaus haben viele jüngere Arbeitnehmer das Gefühl, dass sie aus dem schweizerischen Vorsorgesystem weniger erhalten werden als ihre älteren Kollegen. Dies kann ihrerseits zur Meinung führen, dass sie von ihrer Pensionskasse mehr Bildung und Flexibilität erhalten müssen, als dies heute im Allgemeinen der Fall ist. 65 % der Arbeitnehmer sind der Meinung, dass sie nicht so viel für den Ruhestand sparen wie sie eigentlich müssten. Die potenzielle Lücke beim Ansparen ist bei Niedriglohnempfängern und weiblichen Arbeitnehmern am grössten. Für diese Menschen wird es durch fehlende Möglichkeiten kurzfristig zu sparen oft schwierig ihre langfristigen Ziele für den Ruhestand zu erreichen.
Das Bild zeigt, dass 65 % der Arbeitnehmer der Meinung sind, dass sie nicht genug für den Ruhestand sparen, als sie sollten. Sie sparen 9 Prozent ihres Einkommens, sollten aber 14 Prozent sparen. Daraus ergibt sich eine Lücke von 5 Prozent.
Die Antwort auf diese Herausforderung liegt sowohl in Reformen als auch in einer besseren Aufklärung der Arbeitnehmer, aber auch in der Kommunikation und Technologie. Hierbei ist herauszustellen, dass Arbeitnehmer, die Apps für die Altersvorsorge nutzen, mit grösserer Wahrscheinlichkeit angeben, dass ihr Altersvorsorgeplan ihren Bedürfnissen entspricht. Tatsächlich geben fast 70 % von ihnen an, dass ihr Altersvorsorgeplan ihren Bedürfnissen entspricht. Das Problem: In der Schweiz nutzen heute nur etwa 9 % der Arbeitnehmer Apps für die Kontrolle und Planung der Altersvorsorge, vor allem weil noch nicht viele Vorsorge-Apps auf dem Markt angeboten werden. Dies ist ein Bereich, in dem Arbeitgeber und ihre Pensionskassen einen echten Unterschied machen könnten, indem sie bessere Kommunikationsmittel (wie Apps) anbieten, um die Wertschätzung und das Verständnis ihrer Mitarbeiter für den Wert der angebotenen Pensionsleistungen und die Planung ihrer längerfristigen Ziele zu verbessern.
Das Investment von Pensionskassen erfährt in letzter Zeit auch in der Schweiz mehr Aufmerksamkeit, da immer mehr Arbeitgeber und Pensionskassen bei ihren Anlageentscheidungen umwelt-, sozial- und governancebezogene Faktoren (ESG) berücksichtigen müssen. ESG-Faktoren sind nicht nur finanzielle Faktoren, die mit der Qualität einer Investition verbunden sind, sondern sie können auch viel über die Nachhaltigkeit einer Investition aussagen. Unsere Umfrage zeigt, dass etwa ein Drittel der Arbeitnehmer ESG-Faktoren aus ethischen Gründen bevorzugt (unabhängig von den Auswirkungen auf die Rendite). Die restlichen zwei Drittel wollen sich auf maximale Renditen konzentrieren, wobei hier unterschiedliche Ansichten existieren, wie ESG-Investitionen langfristig abschneiden werden. Interessanterweise ist sich die grosse Mehrheit derjenigen, die sich auf maximale Renditen konzentrieren wollen, entweder nicht sicher oder glaubt, dass ESG-Ansätze langfristig zu niedrigeren Renditen führen werden. Es muss eindeutig daran gearbeitet werden, die Auswirkungen von ESG-Faktoren auf langfristige Anlagerenditen und -risiken zu verstehen, insbesondere in Anbetracht des sich entwickelnden Bereichs des "Greenwashing"-Marketings. Hierbei werden Anlageprodukte mittels Marketingtaktiken als umweltfreundlicher dargestellt als sie eigentlich sind. Generell können wir feststellen, dass öffentlich-rechtliche Pensionskassen in der Regel zur Bewertung ihrer ESG-Faktoren verpflichtet sind, da sie gewöhnlich an regierungsnahe Stellen berichten.
Und schliesslich, auch wenn die jüngsten Reformideen nur schwer einen Konsens finden, entwickelt sich die Altersvorsorgemarkt rasch weiter. In jüngster Zeit könnte die Rückkehr der Inflation auch Arbeitnehmer dazu zwingen, ihre Erwartungen in Bezug auf das Rentenalter, die erwartete Rentenhöhe und die erforderliche Beitragshöhe anzupassen. Eine etwas alarmierende Statistik aus dieser Umfrage ist, dass trotz aller von Arbeitnehmern erwähnten Herausforderungen bei der Ruhestandsplanung und ihrer selbst erklärten Lücke bei den Altersersparnissen immer noch rund 80% der Schweizer Arbeitnehmer erwarten, zum oder früher als das derzeitige normale Ruhestandsalter in Rente zu gehen. Werden diese Arbeitnehmer ein angemessenes Rentenniveau erreichen?