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Mitwirkungsrechte von Rentnern

360°Vorsorge I News

Von Carmela Wyler-Schmelzer und Michael Wieser | 9. November 2022

Rentner wirken in der Regel weder bei Stiftungsratsentscheiden noch bei Reglementsanpassungen oder beim Wechsel von Vorsorgeeinrichtungen mit. Ihren Interessen ist aber bei der Entscheidfällung Rechnung zu tragen.
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Ein wesentlicher Teil des Vermögens wie auch der Verpflichtungen einer Vorsorgeeinrichtung tangiert Rentner. Rentner können je nach Konstellation einen beachtlichen Teil des Destinatärskreises ausmachen. Eine Vielzahl von Entscheiden des Stiftungsrates sind auch für Rentner von grossem Interesse – man denke beispielsweise an Teue­rungsanpassungen, Anlageentscheide, Verzinsungsfragen oder Sanierungsmassnahmen. Dies wirft die berechtigte Frage auf, wie Rentner bei Entscheiden der Vorsorgeeinrichtung mitwirken können oder sollen und wie sie bei Reglementsanpassungen einzubeziehen sind. Sodann stellt sich die Frage, inwiefern Rentner bei einem Anschlusswechsel einzubeziehen sind.

Mitwirkung im Stiftungsrat

Rentner haben nach Gesetz weder Anspruch darauf, im Stiftungsrat Einsitz zu nehmen, noch haben sie ein aktives Wahlrecht. Art. 51 BVG statuiert vielmehr das Recht der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers, die gleiche Zahl von Vertretern in den Stiftungsrat zu entsenden. Die paritätische Vertretung und sozialpartnerschaftliche Führung und Lenkung der Vorsorgeeinrichtung wird also in der beruflichen Vorsorge als tragendes Element angesehen. Sowohl potenzielle Arbeitgebervertreter als auch Rentner dürfen demnach aufgrund der unterschiedlichen Interessen die Arbeitnehmer nicht vertreten. Die Interessen der Arbeitgebervertreter wie auch die Interessen der Rentner können nämlich den Interessen der Arbeitnehmer entgegenstehen.

In der Praxis ist es verbreitet, eine externe Person als Arbeitgeber- oder Arbeitnehmervertreter in den Stiftungsrat einzuberufen. Dies muss reglementarisch vorgesehen sein. Die Stiftungsaufsicht verlangt, mit Hinweis auf das Er­fordernis der Parität, dass die Arbeitnehmer auch ein Recht haben müssen, eine externe Person als Vertreter zu wählen, wenn dieses Recht dem Arbeitgeber zusteht. Ein solches externes Stiftungsratsmitglied muss aber tatsächlich eine aussenstehende Person sein. Dies wäre nicht der Fall, wenn ein Rentner der Vorsorgeeinrichtung für die Arbeitnehmer im Stiftungsrat Einsitz nimmt.1

Es ist aber zulässig, statutarisch oder reglementarisch die Vertretung von Rentnern im obersten Organ vorzusehen, solange eine Rentnervertretung nicht zu Lasten der Arbeitnehmervertreter geht. Unzulässig wäre es also beispielsweise, drei Arbeitnehmervertreter, vier Arbeitgebervertreter und einen Rentnervertreter vorzusehen.

Daneben gibt es andere Formen von Mitwirkungsrechten, die auch in der Praxis (vereinzelt) auftreten. Beispielsweise kann Rentnern ein Beisitzrecht mit oder ohne Antragsrecht sowie ein Informations- und Antragsrecht vor oder nach den Stiftungsratssitzungen (schriftlich oder an einer separaten Rentnerversammlung beispielsweise) gewährt werden. Dies kann je nach Zusammensetzung des Destinatärskreises sinnvoll sein.

Damit stellt sich die Frage, weshalb Rentnermitwirkungsrechte in der Praxis nicht mehr verbreitet sind, zumal die Rentner eine wichtige Interessengruppe darstellen. Angesichts steigender Teuerung und vermehrt auftretender Verteilungsmodelle für eine übergreifende Generationenfairness dürfte sich die Bedeutung der Rentnervertretung in der Zukunft gar erhöhen. In diesem Zusammenhang muss auch sichergestellt werden, dass die neue Rentnergeneration, welche jahrzehntelang aufgrund von Querfinanzierungen weniger Verzinsung erhielt und nun mit tieferen Umwandlungssätzen leben muss, künftig adäquate Leistungsverbesserungen erhält. Ansonsten entsteht eine Verlierergeneration.

Bei reinen Rentnerkassen können naturgemäss Arbeitnehmer nicht mehr vertreten sein, und häufig fehlt nun auch der Bezug zum Arbeitgeber. Das Gesetz regelt nicht, wie in diesen Fällen der Stiftungsrat oder die Vorsorgekommission zusammengesetzt wird. Sinnvollerweise enthält das Regle­ ment Regelungen, welche sicherstellen, dass jederzeit ein funktionierender Stiftungsrat bestellt werden kann. Es können beispielsweise Regelungen zu den Wahlvoraussetzungen, zu Altersbeschränkungen, zur Wahl entweder durch die Rentner oder durch den Stiftungsrat selbst vorgesehen werden. In solchen Situationen macht sicherlich auch der Einsitz von externen Fachpersonen Sinn.

Beispiel Stiftungsrat mit Rentnervertretung
Beispiel Stiftungsrat mit Rentnervertretung

Reglementsänderungen

Der Rentenanspruch als solcher wird durch Reglementsänderungen nicht tangiert. Aber wenn beispielsweise die Bestimmungen zu den Überentschädigungsregelungen, zur Teuerung oder zu den Anwartschaften angepasst werden, so hat dies auch auf die Rentner einen Einfluss. Der Stiftungsrat ist im gesetzlichen und reglementarischen Rahmen2 befugt, das Vorsorgereglement anzupassen. Der Rentner hat kein Mitspracherecht (ebenso die Aktivversicherten). Das geänderte Reglement muss aber den Aktiven und auch den Rentnern zur Verfügung gestellt werden, damit es anwendbar wird. Dabei genügt es nicht, wenn die Vorsorgeeinrichtung das Reglement nur im Intranet bzw. Internet aufschaltet. Grundsätzlich ausreichend ist eine Zustellung per Mail mit einem Link zum geltenden Reglement. Gerade bei älteren Rentnern ist aber eine Zustellung per Post nach wie vor erforderlich, kann doch von solchen Personen der Umgang mit elektronischen Medien nicht gleichermassen erwartet werden wie bei jüngeren Personen. Zusätzlich sind die Versicherten – also sowohl die Aktivversicherten als auch die Rentner – umfassend und klar über die konkreten Änderungen zu informieren (vgl. Art. 86b BVG). 3 Dies gilt insbesondere, wenn beispielsweise Leistungen reduziert werden oder neue formelle Anforderungen (z. B. bezüglich einer Begünstigtenerklärung bei einer Lebenspartnerrente) eingeführt werden.

Anschlusswechsel

Gemäss Art. 11 Abs. 3 bis BVG ist für die Auflösung eines Anschlussvertrages und den Wiederanschluss an eine neue Vorsorgeeinrichtung durch den Arbeitgeber das Einverständnis des Personals oder der allfälligen Arbeitnehmervertretung erforderlich. Auch Rentner können von einem Wechsel der Vorsorgeeinrichtung betroffen sein (vgl. Art. 53e BVG).

Ihnen steht aber kein Mitspracherecht zu, wenn es um einen Wechsel der Vorsorgeeinrichtung geht. Dies ist auch sachlich gerechtfertigt, da die Renten nur dann übertragen werden können, wenn die neue Vorsorgeeinrichtung bestätigt, dass die Rentner zu den gleichen Bedingungen übernommen werden. Der Rentenanspruch als solcher wird also vom Anschlusswechsel nicht berührt. 4 Die Unsicherheiten und Bedenken der Rentner bei einem Anschlusswechsel sind aber ernst zu nehmen. Es empfiehlt sich, die Rentner frühzeitig über die Hintergründe der Übertragung und die neue Vor­ sorgelösung zu orientieren und dabei auch den Aspekt der ausreichenden Finanzierung konkret anzusprechen. Dabei ist ausdrücklich festzuhalten, dass die nach den bisherigen reglementarischen Grundlagen erworbenen Ansprüche von der Übertragung nicht tangiert werden (Garantie der Rentenleistungen). Die Informationspflicht betrifft zunächst die bisherige Vorsorgeeinrichtung. Die neue Vorsorgeeinrichtung hat die Rentner sodann über die neuen reglementarischen Grundlagen, die Ansprechpersonen und weitere Angaben zur neuen Vorsorgeeinrichtung zu orientieren.

Fazit

Rentner wirken in der Regel weder bei Stiftungsratsentscheiden noch bei Reglementsanpassungen oder beim Wechsel von Vorsorgeeinrichtungen mit. Ihren Interessen ist aber bei der Entscheidfällung Rechnung zu tragen. Der Stiftungsrat ist verpflichtet, die Interessen aller Versicherten und damit auch jene der Rentner zu wahren. 5 Angesichts der drohenden Teuerung und der aktuellen Verteilungsmodelle werden Rentenanpassungen immer wichtiger. Wer steht für die Interessen der Rentner ein? Allenfalls ist es an der Zeit, vermehrt auch Rentner in angemessenem Verhältnis in den Stiftungsrat zu integrieren, wobei die Art des Einbezugs je nach Konstellation unterschiedlich ausfallen kann.

Fussnoten

1 Urteil BVGE vom 19.08.2020, A-6435/2018 E. 7. Demgegenüber kann aber ein Rentner als Arbeitnehmervertreter Einsitz in den Stiftungsrat einer anderen Vorsorgeeinrichtung nehmen, sofern er von dieser keine Leistungen bezieht.
2 Insbesondere sind die verfassungsmässigen Schranken Der Stiftungsrat kann das Vorsorgereglement nur dann einseitig abändern, wenn dieses einen entsprechenden Abänderungsvorbehalt enthält.
3 Beispielsweise BGE 136 V 331, BGE vom 26.06.2019, 9C_874/2018.
4 Allerdings kann die neue Vorsorgeeinrichtung andere Modalitäten, z. B. bezüglich der Überentschädigungsregelung, vorsehen. Diesbezüglich ist allerdings darauf hinzuweisen, dass auch beim Verbleib in der bisherigen Vorsorgeeinrichtung bei Reglementsänderungen z. eine neue Überentschädigungsregelung auf die Rentner anwendbar wäre (vgl. dazu die Ausführungen oben).
5 1b Abs. 2 BVG.

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