Zur Zeit führt der Weg zahlreicher Arbeitnehmer in Deutschland über wenige Meter vom Frühstückstisch ins Büro. Unsere Studie zeigt: Etwa zehnmal so viel Mitarbeiter arbeiten heute im Homeoffice wie vor drei Jahren. Für den rasanten Aufschwung des Homeoffice haben im letzten Jahr vor allem die gesundheitspolitischen Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie gesorgt: Wer zu Hause arbeitet, bleibt hoffentlich auch gesund.
Für Unternehmen stellt sich im Homeoffice-Kontext eine alte Frage neu: Wie können wir unseren Wunsch nach Produktivität, Effizienz und Innovationskraft mit dem Wunsch unserer Mitarbeiter nach körperlichem, emotionalem, finanziellem und sozialem Wellbeing flexibel in Balance bringen? Und diese Frage sollten sie nachhaltig beantworten, denn das Homeoffice bzw. das Thema „work from anywhere“ wird bleiben, vor allem auch, weil viele Mitarbeiter es so wollen.
Allerdings belegt unsere Studie auch, dass viele Vorgesetzte das Führen auf Distanz nicht wirklich gut beherrschen. So manche Führungskraft kämpft zum einen mit den digitalen Tools. Zum anderen ist es via Videokonferenz & Co. nicht leicht, für persönliche Nähe zu sorgen oder zu wissen, was die Mitarbeiter den ganzen Tag so machen. Führungskräfte, die es gewohnt waren, ihre Mitarbeiter zu kontrollieren, müssen sich jetzt in eine neue Rolle finden und der Vertrauenskultur eine Chance geben.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Die richtige digitale Technik und kompetente Führung auf Distanz reichen nicht aus, um das neue Miteinander erfolgreich zu machen. Dazu braucht es auch digitale Geschäfts- und Arbeitsmodelle. Hier geht es darum, die gemeinsame Wertschöpfung unternehmensweit neu zu organisieren, zu flexibilisieren und schneller zu machen.
Die alternativen digitalen Formen der Zusammenarbeit sollten zudem klar geregelt sein. Rund 40 Prozent der Studienteilnehmer verfügen jedoch über keine entsprechenden Policies. Immerhin: 80 Prozent der hier bislang eher freihändig agierenden Unternehmen wollen sich dieses bzw. nächstes Jahr eine formale Policy geben, also etwa definieren, welche Mitarbeitergruppen in welchem Maß und zu welchen Zeiten von zu Hause aus arbeiten dürfen.
Wenn klar ist, dass viele Mitarbeiter keinen festen Büroarbeitsplatz mehr brauchen, zeigt sich auch ein anderer Effekt: Die Unternehmen sparen Geld. Sie können ihre Büroflächen reduzieren. Und sie müssen zum Beispiel weniger ausgeben für Fahrtkostenzuschüsse, das Kantinenessen oder Geschäftswagen. Unsere Studienteilnehmer sehen hier gute Sparpotenziale.
Die Frage ist, was die Unternehmen mit den eingesparten Mitteln am besten machen. Unsere Studie gibt auch darauf eine Antwort: Sie sollten in Benefits investieren, die dem Wellbeing ihrer Mitarbeiter zugute kommen. Denn in Zukunft geht es im Rahmen alternativer digitaler Arbeitsmodelle vor allem auch um die Themen Produktivität, Engagement und Mitarbeiterbindung. Die drei Themen sind dabei eng miteinander verbunden: Wer engagiert ans Werk geht und sich seinem Unternehmen dauerhaft verbunden fühlt, ist produktiver.
Und Benefits spielen hier eine wichtige Rolle – zum Beispiel digitale Fitnesskurse, die für mehr körperliches Wellbeing sorgen, oder zum Beispiel Zuschüsse für die Einrichtung und den Betrieb eines Homeoffice, die das finanzielle Wellbeing steigern, oder auch regelmäßige Team-Meetings, bei denen es nicht nur um geschäftliche Dinge geht, sondern vor allem um die alltäglichen Sorgen und Freuden; das fördert das soziale und das emotionale Wellbeing.
Entsprechende Benefits erfordern ein hybrides Vergütungsmodell: Wer viel im Homeoffice arbeitet, kommt in deren Genuss, wer hingegen in erster Linie im Büro mehr oder weniger fern von zu Hause aus tätig ist, profitiert wiederum von anderen Benefits. Unternehmen sind gefragt, jedem Mitarbeiter ein attraktives passgenaues Paket zu schnüren. Das meinen auch viele unserer Studienteilnehmer.
Die allermeisten Unternehmen in Deutschland wollen allerdings nicht die Höhe der Vergütung ihrer Mitarbeiter generell danach bemessen, ob sie primär zu Hause oder im „offiziellen“ Büro arbeiten – neun von zehn der Studienteilnehmer sehen hier aktuell keinen Handlungsbedarf.
In den Blickpunkt rücken jedenfalls die formale Stellenarchitektur und das Job Leveling, also Themen, die strukturell mit dem Thema Vergütung verknüpft sind. Hier steht jedoch insgesamt das Ziel im Fokus, Belegschaften agiler zu machen und Kompetenzen flexibel produktiv einsetzen zu können.
Starre Stellenprofile zum Beispiel haben in Zeiten virtuellen digitalen Arbeitens und einer hochgradig vernetzten Wertschöpfung eben ausgedient. Weniger als zehn Prozent der Studienteilnehmer sehen sich hier allerdings gut aufgestellt – ihren Handlungsbedarf haben viele jedoch erkannt: Wer eine agile und flexible Belegschaft will, muss dafür auch den Rahmen schaffen.
Für Unternehmen gibt es also viel zu tun auf ihrem Weg zu einer agilen digitalen Arbeitswelt. Doch womit beginnen? Zuerst sollten sie sich dafür eine formale Policy geben. Dann können sie danach fragen, welche ihrer HR-Programme und -Prozesse sie schnell und wirkungsvoll anpassen können, um ihre unternehmerische Produktivität und das Wellbeing ihrer Mitarbeiter auszubalancieren. Die ersten Erfolge werden dazu motivieren, grundlegende Dinge in Angriff zu nehmen wie ein hybrides Vergütungsmodell oder eine Stellenarchitektur für die digitale und agile Arbeitswelt. Insgesamt ist die Herausforderung groß, doch wer sich ihr jetzt stellt und sie meistert, schafft damit die besten Voraussetzungen für eine engagierte Belegschaft und den Geschäftserfolg von morgen.