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Artikel | HR Perspectives

M&A: Mit Retention-Boni Mitarbeiter an Bord halten

Von Sven Huber | 17. Mai 2021

Retention-Boni sind im M&A-Kontext marktüblich. Sie sollten jedoch durchdacht genutzt werden.
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Ein Zusammenschluss von Unternehmen oder gar die Übernahme durch eine andere Firma versetzen betroffene Mitarbeitende häufig in Unsicherheit über die eigene berufliche Zukunft. Käufer verwenden Retention-Boni, um wichtige Leistungs- oder Wissensträger im Verlauf der Transaktion nicht zu verlieren. Der HR-Bereich sollte dabei keine zu kurzfristige Perspektive einnehmen, rät Sven Huber, der bei WTW Unternehmen in M&A-Fragestellungen berät.

Herr Huber, ist ein Retention-Bonus tatsächlich ein geeignetes Mittel, wenn ich als HR-Bereich des Käufers Mitarbeitende des akquirierten Unternehmens halten möchte?

Sven Huber: Zunächst einmal ist ein Retention-Bonus ein absolut marktübliches Instrument. Unsere aktuelle M&A-Retention-Studie zeigt, dass Retention-Boni in über 80 Prozent der Transaktionen zum Einsatz kommen. Man kann also sagen, dass Retention-Boni im Markt einfach dazugehören. Eine andere Frage ist, ob sie eine langfristige Bindungswirkung entfalten. Da muss man sich nichts vormachen: Mit einem Retention-Bonus gewinnt der Käufer Zeit, aber keine Loyalität der neuen Mitarbeitenden. Da braucht es sicher mehr als nur Geld. Langfristig wollen die Betroffenen wissen, wie es mit ihrer Karriere im neuen Umfeld weitergeht.

Was lassen sich Unternehmen einen Retention-Bonus im Kontext einer Transaktion kosten?

Sven Huber: Die Höhe des Budgets hängt davon ab, ob die Bindung von bestimmten Mitarbeitenden wichtig ist für den Erfolg der Transaktion. Steht der Erwerb von Technologie im Fokus, ist dies auch ohne die Bindung von Mitarbeitenden möglich. Wenn es allerdings um einen kompletten Unternehmenszukauf geht, bei dem Mitarbeitende transferiert werden, liegt das Budget für Retention-Boni in einem Bereich von ein bis zwei Prozent des Kaufpreises, der für die Transaktion aufgerufen wird.

Und wie hoch sind die individuellen Retention-Boni üblicherweise?

Sven Huber: Je nach Hierarchielevel zeigen sich da große Unterschiede. Insbesondere im Bereich des Senior-Managements sind die Ausschläge sehr stark – je nachdem, wie wichtig die Bindung eines bestimmten Mitarbeitenden ist. Zwar sind 60 Prozent der jährlichen Grundvergütung ein ungefährer Richtwert. Aber in unserer Studie wurden „weniger als 40 Prozent der Grundvergütung“ genauso häufig genannt wie Werte jenseits der 160 Prozent. Für Mitarbeitende unterhalb des Senior-Managements sehen wir so starke Ausreißer nach oben allerdings kaum.

Sie sprachen die Bedeutung von Einzelpersonen gerade an. Wie legen Unternehmen den Kreis der Berechtigten fest, die am Retention-Budget partizipieren sollen?

Sven Huber: Erster Anhaltspunkt ist die Liste der wichtigsten Mitarbeitenden, die von Verkäuferseite im Kontext des Kaufvertrags benannt werden. Häufig bleibt dies auch die einzige Informationsquelle, auf die sich der Käufer vor Abschluss der Transaktion stützen kann. Um sich selbst einen tieferen Einblick zu verschaffen, fehlt oft die Zeit.

So wünschenswert es wäre, zum Beispiel Einzelinterviews mit Führungskräften zu führen: Man muss bedenken, dass die Definition eines Berechtigtenkreises unter dem enormen zeitlichen Druck passiert, den eine Transaktion nun einmal mit sich bringt. Der HR-Bereich kann hier vorbeugen, indem er bereits in der Anbahnungsphase einer Transaktion oder sogar unabhängig davon eigene Kriterien festlegt, die dann genutzt werden können, wenn sie benötigt werden.

Geht es immer nur um Führungskräfte?

Sven Huber: Nein. Ich habe es schon selbst erlebt, dass plötzlich Mitarbeitende in einen Retention-Fokus gerückt sind, an die im Kaufvertrag nicht gedacht wurde. Stellt sich zum Beispiel heraus, dass ein bestimmtes Mitarbeitersegment unerlässlich für das Gelingen der Transaktion ist und gleichzeitig hoher Druck vom externen Arbeitsmarkt ausgeübt wird, können auch Service-Techniker in den Genuss eines Retention-Bonus kommen – ohne sie steht die gerade akquirierte neue Produktpalette nach wenigen Wochen still. In solchen Fällen sollte HR aktiv Risiken identifizieren und gegenüber dem Rest des M&A-Projektteams transparent machen.

Gibt es Besonderheiten in der Ausgestaltung von Retention-Boni im M&A-Kontext?

Sven Huber: Nicht wirklich. Die meisten Programme sehen Barzahlungen vor und auch die Verknüpfung mit Performance-Kriterien ist eher selten. In drei Vierteln der Fälle sahen wir ein reines „pay for stay“. Auch hier könnte HR eine aktivere Rolle einnehmen und mit etwas kreativeren Vorschlägen zur Ausgestaltung das Business unterstützen.

Dann dürfen wir die Ausgangsfrage nach der Eignung von Retention-Boni vielleicht noch einmal etwas anders stellen: Wirken sie denn?

Sven Huber: Bis zum Ende der festgelegten Bindungsfrist: sicherlich. Interessanterweise halten mehr als ein Drittel der Teilnehmer unserer Studie den Erfolg ihrer Retention Programme aber gar nicht nach. Das ist schon verwunderlich angesichts der Beträge, die da als Investition im Raum stehen. Zu überprüfen, welche Berechtigten nach Ablauf der Bindungsfrist – und eventuell auch zwölf Monate später – noch im Unternehmen sind, scheint mir keine unlösbare Aufgabe zu sein.

Was würden Sie Unternehmen also unter dem Strich raten?

Sven Huber: In M&A-Situationen erleben wir HR-Bereiche bei einigen Themen in der Rolle des „Getriebenen“, der ad hoc Lösungen für eigentlich langfristige Fragestellungen finden muss. Retention-Boni sind da auch ein Beispiel: Kurzfristig muss eine Investitionsentscheidung getroffen werden, langfristig geht es aber eigentlich um die Bindung wichtiger Mitarbeitenden. Ich würde daher raten, sich mit dem Thema nicht erst zu beschäftigen, wenn es auf dem Schreibtisch „aufschlägt“. Ein generelles Konzept zu Retention-Boni kann unabhängig von einer konkreten Transaktion entwickelt werden – inklusive eines definierten Prozesses zur Erfolgsmessung. Im Anwendungsfall setzt das hoffentlich die nötige Kapazität frei, um eine breitere Perspektive einzunehmen: Was sind erfolgskritische Mitarbeiter(-gruppen)? Wo bestehen Bindungsrisiken? Und wie kann man diesen auch mittelfristig beikommen, wenn es darum geht, Betroffenen eine neue Karriereperspektive unter geänderten Vorzeichen zu geben?

Autor


Director Sales Effectiveness and Rewards, Work & Rewards

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