Klimawandel ist jetzt – nicht erst in zwanzig Jahren. Die globale Erwärmung führt zu immer mehr extremen Wetterereignissen wie Starkregen, Überschwemmungen, Stürmen, Dürren oder auch Hitzestress in Großstädten. Die Konsequenzen für Menschen und ganze Ökosysteme sind genauso fatal wie für Unternehmen und die gesamte Wirtschaft. Wissenschaftler rufen seit langem den Notstand aus.1
Bei aller Brisanz scheint das Thema Klimawandel jedoch in vielen Chefetagen noch nicht prominent genug adressiert zu sein. So belegt eine aktuelle Studie von PricewaterhouseCoopers, dass sich 41 Prozent der deutschen CEOs kaum um den Klimawandel und Umweltschäden sorgen und nur 46 Prozent entsprechende Maßnahmen in ihrem Risikomanagement verankert haben.2
Doch Unternehmen, die sich jetzt nicht mit dem Klimawandel und dessen Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell befassen – und vor allem entsprechend handeln –, setzen sich verschiedenen Risikokomplexen aus, je nach Industrie in unterschiedlicher Intensität.
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Extreme Wetterereignisse können Gebäude, Produktionsanlagen und Lieferketten beschädigen oder zerstören. Die Reparaturkosten für Gebäude und Anlagen sind meist beträchtlich. Und wird durch Schäden der Betrieb gestört, ergeben sich Umsatz- und Gewinnverluste oder auch Haftungsansprüche geschädigter Kunden, wenn etwa Lieferverträge nicht erfüllt werden können.
Dies betrifft auch die strategische Agenda der Unternehmen: Setzt etwa ein Maschinenbauer im Rahmen seiner Internationalisierungsstrategie auf neue Standorte in Osteuropa oder Asien, kann er Gefahr laufen, dass gerade dort der Klimawandel zu markanten Schäden führt. Gleiches gilt, wenn zum Beispiel ein Automobilzulieferer im Zuge seiner M&A-Strategie einen Wettbewerber in den USA übernehmen will, der in einer klimatisch exponierten Region fertigt.
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Die Politik zwingt Unternehmen zunehmend, ihre Geschäftsmodelle klimaneutral auszurichten. So will die Europäische Union mit ihrem Green Deal eine Wirtschaft formen, die bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausstößt und ihr Wachstum von der Ressourcennutzung abkoppelt.3 Druckmittel sind etwa verschärfte CO2-Grenzwerte und eine Verteuerung fossiler Energieträger. Entsprechende Gesetze wurden bereits auf den Weg gebracht, weitere folgen mit Sicherheit: Hohe Haftungsrisiken sind programmiert.
Zudem hat die EU eine Taxonomie vorgelegt, die Kapitalgebern helfen soll, ihr Geld in nachhaltige Unternehmen anzulegen.4 Generell achten Investoren und Kapitalgeber mittlerweile darauf, in „grüne“ Technologien, Projekte und Unternehmen zu investieren – weil hier in Zukunft die Musik spielt, um ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und ihren regulatorischen Anforderungen zu entsprechen. Flankiert wird dies durch die Europäische Zentralbank (EZB), die etwa ihre Anlageportfolios mit „grünen“ Anleihen auf Umweltschutz trimmt.5 Unternehmen, die sich nicht danach richten, riskieren einen verbauten Zugang zum Kapitalmarkt.
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Doch der Weg in Richtung Klimaneutralität ist nicht ohne Risiken. Wie schnell gelingt den Unternehmen die Umstellung auf neue Geschäftsmodelle, Technologien und Prozesse? Wie gut nimmt der Markt nachhaltige Produkte an? Welche Kosten- und Umsatzrisiken sind damit verbunden? Eins ist klar: Klimaneutralität erfordert Investitionen – die müssen sich jedoch wirtschaftlich lohnen.
Besonders gefährlich für das Geschäft sind bei dieser Transformation Reputationsrisiken: Schadet ein zu langsames Transformationstempo der ökologischen Reputation eines Unternehmens, können sich Kunden, Geschäftspartner und Investoren abwenden. Zudem ist ein solches Unternehmen auch für umweltbewusste Mitarbeiter weniger attraktiv.
Regulatorische Risiken, entsprechende Kapitalmarktrisiken, Geschäftsrisiken im engeren Sinn und Reputationsrisiken können insgesamt als Risiken verstanden werden, die Unternehmen beim Übergang in eine „grüne“ Wirtschaftswelt drohen.
Der Klimawandel gehört also mit all seinen Risiken auf die Agenda der Entscheider. Unter dem Strich geht es vor allem darum, finanzielle Verluste zu vermeiden und auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft auch neue Chancen zu erkennen und zu nutzen. Unternehmen sollten dazu die Themen Klimawandel, Risikomanagement, Nachhaltigkeit und Unternehmensstrategie eng miteinander verbinden.
Der Klimawandel darf dabei keine abstrakte Größe bleiben. Nur Fakten zählen. Denn den Unternehmen stellen sich hier sehr konkrete Fragen:
Um diese Fragen zu beantworten, können Unternehmen auch die generelle Systematik ihres bisherigen Risikomanagements nutzen – mit der entscheidenden Herausforderung, den Blick deutlich weiter in die Zukunft zu richten als bislang üblich. Das Risikomanagement braucht in Sachen Klimawandel eine weitreichende Perspektive.
Natürlich weiß niemand, wie die Welt in zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren aussehen wird. Doch mit geeigneten analytischen Methoden und Modellen können Unternehmen wie Willis Towers Watson bereits jetzt relevante Szenarien prognostizieren, die transparent machen, wie sich das Klima in welchen Zeiträumen bei unterschiedlichen CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre und entsprechenden Temperaturanstiegen verändern wird. Ein wichtiger Punkt: Im Kontext dieser Szenarien können unternehmensspezifische Klimarisiken identifiziert und die jeweiligen finanziellen Verlustpotenziale quantifiziert werden.
Einen umfassenden Rahmen dafür bieten die Empfehlungen der Task Force on Climate-Related Disclosures (TCFD).6 Ins Leben gerufen wurde die TCFD 2017 vom Finanzstabilitätsrat der G20. Unternehmen, die den Empfehlungen der TCFD folgen, können Investoren mit einer systematischen Klimaberichterstattung transparent machen, wie gut sie die finanziellen Risiken des Klimawandels beherrschen.
Die Empfehlungen der TCFD helfen Unternehmen vor allem auch, ihr Risikomanagement auf mögliche Folgen des Klimawandels strategisch auszurichten und ihr Geschäftsmodell mit Blick auf einen erfolgreichen Übergang zu einem CO2-reduzierten Wirtschaften zu gestalten. Insgesamt können Unternehmen damit die finanziellen Risiken, die für sie aus dem Klimawandel resultieren erfassen, quantifizieren und managen.
Die Handlungsempfehlungen der TCFD betreffen in erster Linie börsennotierte Unternehmen und große Kapitalmarktakteure. Relevant sind sie jedoch auch für mittelständische Unternehmen:
Wer sich von den Risiken des Klimawandels nicht überraschen lassen will und sich für die Herausforderungen einer CO2-reduzierten Wirtschaft fit machen möchte, sollte als erstes die Verantwortlichen für die Themen Risikomanagement, Nachhaltigkeit, Finanzen und Recht an einen Tisch bringen, um eine ganzheitliche Perspektive auf Klimarisiken zu gewinnen.
Aus dieser gemeinsamen Sicht heraus kann dann auf Basis von Szenarioanalysen und der Quantifizierung von Risiken und Chancen eine klare strategische Agenda entwickelt werden, entlang derer die Unternehmen in Sachen Klimawandel erfolgreich in die Zukunft gehen können. Nur wer jetzt handelt und sein Risikomanagement mit dem Thema Klimawandel verbindet, kann für gutes Wetter in seiner Bilanz sorgen.
1 William J. Ripple et al.: World Scientists’ Warning of a Climate Emergency 2021, BioScience, 28.7.2021. https://doi.org/10.1093/biosci/biab079
2 Klimawandel: Deutsche CEOs zeigen sich sehr optimistisch – zu Recht? Die Ergebnisse des 24. Global CEO Surveys von PwC zum Thema Nachhaltigkeit. https://www.pwc.de/de/nachhaltigkeit/klimawandel-deutsche-ceos-zeigen-sich-sehr-optimistisch-zu-recht.html
3 Europäische Kommission: Europäischer Grüner Deal. https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de
4 Europäische Kommission: Nachhaltiges Finanzwesen: Parlament nimmt Taxonomie-Verordnung an. https://ec.europa.eu/germany/news/20200619-taxonomie-verordnung_de
5 Klimawandel und die EZB. https://www.ecb.europa.eu/ecb/climate/html/index.de.html
6 TCFD Recommendations: https://www.fsb-tcfd.org/recommendations/