Immer mehr Unternehmen setzen auf eine Captive, also eine firmeneigene Versicherungsgesellschaft: Für 2009 meldet der Branchendienst captive.com des International Risk Management Institute zirka 4.700 Captives, für das Frühjahr 2021 bereits rund 7.000. Captives sind also längst kein Nischenmodell mehr, sondern ein gängiges Instrument des Risiko- und Versicherungs-
managements.
Vor allem seit ein, zwei Jahren erleben wir ein deutlich wachsendes Interesse von Konzernen und größeren mittelständischen Unternehmen an dieser Lösung für einen alternativen Risikotransfer. Warum dies so ist, zeigt bereits ein kurzer Blick in den Versicherungsmarkt und auf die sich verändernde Risikolandschaft.
Captives sind längst kein Nischenmodell mehr, sondern ein gängiges Instrument des Risiko- und Versicherungs-
managements
So durchlaufen wir aktuell den härtesten Versicherungsmarkt-zyklus seit Mitte der 1980er Jahre – fast schon von heute auf morgen haben Versicherer massiv die Prämien erhöht und die Deckungssummen reduziert. Betroffen davon sind die meisten Sparten und Regionen. Der aktuelle Insurance Marketplace Realities Report von Willis Towers Watson nennt dafür ein paar Gründe: kostenintensive strukturelle Herausforderungen der Versicherer wie die Digitalisierung, ein langsameres Wachstum von alternativem Risikokapital und ein deutlich gestiegenes Schadenvolumen – etwa durch Cyber-Attacken, Umweltkatastrophen und in Folge der COVID-19-Pandemie. Darüber hinaus trägt die soziale Inflation dazu bei, dass immer mehr Urteile ausgesprochen werden, die zu größeren Schadenwerten führen als von den Unternehmen erwartet werden.
Unternehmen fällt es deshalb schwer, klassische und vor allem auch neue Risiken zu wirtschaftlich vertretbaren Konditionen über den Markt abzusichern. Zwar zeigt der Insurance Marketplace Realities Report auch, dass wir mit Blick auf „gute Risiken“ mit einer etwas weniger angespannten Lage rechnen können. Was „schlechte Risiken“ angeht, also Risiken, die nur schwer eingeschätztwerden können, zeigt sich ein anderes Bild: Hier müssen Unternehmen auch in Zukunft mit einem harten Markt rechnen. Davon betroffen sind zum Beispiel Cyber-Versicherungen, NatCat-Versicherungen und D&O-Versicherungen.
Insgesamt sollten Unternehmen bedenken: Versicherer bewerten Risikoinformationen zunehmend analytisch, setzen auf strengere Risikoprognosen und modellieren mögliche Verlustszenarien mit ausgefeilten aktuariellen Methoden. Analytics und quantitative Risikoanalysen stärken die Underwriting-Disziplin wie nie zuvor, was zu einer neuen, höheren Preisuntergrenze führen kann. Unternehmen können hier nur gegenhalten, wenn sie sich auf das gleiche Spielfeld begeben und ihre Risiken analytisch bewerten und klar quantifizieren, um sie für den Dialog mit den Versicherern zu differenzieren.
Die Grundlage eines erfolgreichen Risikomanagements basiert auf einer solchen analytischen Bewertung und Differenzierung der Risiken eines Unternehmens. Eine entsprechende datenbasierte Transparenz kann helfen, Preissteigerungen etwas abzufangen und höhere Deckungen auszuhandeln. Dies wird jedoch nicht immer gelingen: Unternehmen werden auch in Zukunft oft nicht umhin kommen, immer teurere Versicherungslösungen zu akzeptieren, die ihrem Risikoprofil nicht vollumfänglich entsprechen. Denn viele Versicherer werden an einer breiten Branchenklassifikation festhalten und ihre Konditionen nicht an der spezifischen Schadenerfahrung der Unternehmen und deren individuellem Risikoprofil ausrichten. Und Kosten durch hohe Selbstbehalte zu reduzieren, kommt für viele Unternehmen nicht in Frage.
Wie können sich Unternehmen dem Druck durch die Versicherer entziehen? Genau hier kommen die Captives ins Spiel. Sie erfreuen sich der eingangs erwähnten steigenden Beliebtheit, weil sich Unternehmen mit ihnen vom Markt weitgehend unabhängig machen und ihr Risikomanagement im Schnittfeld von Kosten, Selbstbehalten und Leistungen individuell gestalten können.
Unternehmen machen sich mit Captives vom Markt weitgehend unabhängig und können ihr Risikomanagement im Schnittfeld von Kosten, Selbstbehalten und Leistungen individuell gestalten
Captives sind für Unternehmen gerade in harten Märkten eine wichtige Alternative, um sich einen umfassenden Versicherungsschutz zu verschaffen. Denn Captives bieten die Möglichkeit, im Tarif die tatsächliche Schadenerfahrung eines Unternehmens angemessen zu berücksichtigen. Das macht sich in den Kosten und dem Deckungsumfang bemerkbar. Zudem begünstigen Captives die Finanzplanung eines Unternehmens: Häufig stellen sie einen Ausgleich her zwischen einem größeren Selbstbehaltsbedarf auf Konzernebene und einer niedrigeren Selbstbehaltsstrategie auf lokaler Ebene.
Auch die Zusammenarbeit mit traditionellen (Rück-)Versicherern stärkt die Position der Captives. Anstatt um neue Geschäfte zu konkurrieren, versucht der traditionelle Risikotransfermarkt das Geschäft in einem sich verhärtenden Markt profitabler zu managen. Diese neu gewonnene Zusammenarbeit kann sogar eine Überprüfung und völlige Neugestaltung der Deckung eines Unternehmens rechtfertigen.
Insgesamt wirken die Captives der Marktverhärtung entgegen durch:
Industriesektoren, die von den Prämienerhöhungen stark betroffen sind, wie zum Beispiel der Einzelhandel, versuchen vor dem skizzierten Hintergrund zunehmend, ihre All-Risiko-Selbstbehalte für Immobilien und andere nicht-traditionelle Risikoklassen, etwa das Handelskreditrisiko, in Captives zu transferieren.
Captives sind sehr vielseitige Instrumente, die Unternehmen individuell gestalten und nutzen können:
Unternehmen profitieren erwiesenermaßen generell davon, ihren traditionellen Risikotransfer zu überdenken: Die Verlagerung von Risiken in firmeneigene Versicherungsunternehmen hilft ihnen, ihre Kosten zu kontrollieren und die Risikostreuung effektiver zu managen.
Wir erwarten eine weiter steigende Attraktivität der Captives, vor allem wenn sie auch neue Gefahrenquellen wie Handelskredite, Mitarbeitervergünstigungen, schadensfreie Betriebsunterbrechungen und Cyber-Risiken abdecken werden. Durch die Diversifizierung über die traditionellen Sach- und Unfallrisiken hinaus ist es durchaus möglich, zusätzliche Risiken zu behalten und gleichzeitig einen Überschuss zu erzielen. So eröffnen sich neue Zugänge zum Rückversicherungsmarkt und zu Pooling-Vereinbarungen sowie zu den alternativen, nicht traditionellen Risikotransfer-Lösungen, die Nachhaltigkeits- und Klimathemen (Klimawandel, ESG, Transitionsrisiken) adressieren.
Erfolgsentscheidend bei der Nutzung von Captives ist außerdem die fachgerechte Verwaltung des Underwriting und der Schadenbearbeitung sowie die Einhaltung von Regulierungsanforderungen, um eine gute Qualität in der Finanzberichterstattung zu gewährleisten.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in Hinblick auf verschärfte Bedingungen und steigende Prämien Captives eine innovative Lösung für das betriebliche Risikomanagement bieten.
Als Schlüsselelement der Risikomanagementstrategie können Captive-Lösungen ein hohes finanzielles Einsparpotenzial realisieren und die operative Leistungsfähigkeit jedes Unternehmens verbessern.
Durch eine kundenorientierte Strategieberatung, innovative anlaytische Methoden und Tools sowie ein vorausschauendes Management von Kapitalanlagen bietet Willis Towers Watson umfassende Unterstützung bei einer Risikoabsicherung mit Captives. Wenn Sie dazu mehr erfahren wollen, können Sie uns gerne ansprechen.