HR an der Spitze von Digitalisierung und Consumer Experience
Schon vor 15 Jahren wurde im Zusammenhang mit der Neugestaltung von Benefits gelegentlich das Stichwort „Cafeteria-System“ genannt. Die damit verbundene Vorstellung war und ist bestechend: Benefits werden nicht nach dem „Gießkannenprinzip“ über alle Mitarbeitende verteilt. Letztere können sich vielmehr aus den betrieblichen Sozial- und Nebenleistungen eine individuelle Auswahl zusammenzustellen – eben wie in einer Cafeteria ein Menü. Hierfür wurden die unterschiedlichsten Aufbauvarianten diskutiert:
Das hinter der viel diskutierten Grundidee stehende Versprechen blieb allerdings über lange Jahre über weite Strecken uneingelöst. Herausforderungen bestanden sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite: Einerseits setzt ein solches Angebot eine weitgehend digitalisierte HR-Plattform voraus, auf der sich Nebenleistungen in attraktiver Weise, vor allem aber personalisiert darstellen und HR-seitig ggf. gezielt bewerben lassen. Voraussetzung ist weiterhin die nachhaltig automatisierte Möglichkeit der Verarbeitung der vielfältigen Auswahl-Entscheidungen der Mitarbeitenden. Am einfachsten war vielleicht noch die Bereitstellung eines fixen Betrags, den die Beschäftigten im Wege der Einschaltung der Versicherungsabteilung ihres Arbeitgebers oder eines externen Maklers für den Einkauf verschiedener versicherungsförmigen Zusatzleistungen verwenden können. Was darüber hinaus ging – die Anbindung interner wie externen Anbieter von Vorsorge- oder Mobilitätsangeboten bzgl. Darstellung, Kontrahierung und Abrechnung – war entweder gar nicht oder nur unter Inkaufnahme von massivem manuellen Aufwand darstellbar.
Auch die Nachfrageseite war gerade in Deutschland mit dem deutlichen Fokus bei der Gestaltung betrieblicher Nebenleistungen auf die betriebliche Altersvorsorge und der senioritätsabhängigen Bereitstellung eines Firmenwagens nur eingeschränkt flexibel. Kernleistungen waren nicht disponibel, das darüber hinausgehende Angebot, das man hätte flexibel gestalten können, klein.
Die letzten Jahre brachten nun einen Paradigmenwechsel mit sich, der durch die Corona-Krise noch verstärkt und beschleunigt wurde. Was ist jetzt anders?
Einerseits hat sich die Benefits-Strategie vieler Unternehmen grundsätzlich verändert. Treiber hierfür waren:
Welche Schlüsse wurden gezogen? Stress, Burnout und Fragen der psychischen Gesundheit bieten Anlass zur Sorge – nicht nur unter dem Eindruck genereller Arbeitsverdichtung, sondern auch der pandemiebedingt veränderten Organisation von Arbeit. Auch das Erfordernis, qualifizierte Arbeitskräfte zu halten, führen dazu, dass „Employee-Wellbeing“ während der letzten Jahre zu einem wesentlichen Indikator für erfolgreiche Personalarbeit mutierte. Innerhalb der nächsten zwei Jahre planen daher acht von zehn Unternehmen in Deutschland, ihre Mitarbeiter-Benefits stärker auf eine Optimierung der Employee Experience, also der Art und Weise, wie Mitarbeiter ihr Arbeitsumfeld erleben, auszurichten. Dies lässt sich aus dem aktuellen Benefits Trends Survey von Willis Towers Watson ablesen.
Stress, Burnout und Fragen der psychischen Gesundheit bieten Anlass zur Sorge – nicht nur unter dem Eindruck genereller Arbeitsverdichtung, sondern auch der pandemiebedingt veränderten Organisation von Arbeit.
Nicht nur dem reinen Angebot betrieblicher Nebenleistungen und dessen Flexibilisierung kommt in diesem Kontext große Bedeutung zu. Mindestens genauso wichtig erscheint erfolgreichen Arbeitgebern heute eine deutlich zu verbessernde Strategie der Kommunikation ihrer Benefits und deren Werthaltigkeit. Das Phänomen ist kein deutsches. Arbeitgeber auf der ganzen Welt – befragt nach ihren Motiven für eine stärkere Ausrichtung ihrer Total Rewards Policy an den Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter – geben vier Motive an:
Der Wunsch, eine Lösung anbieten zu können, die sich flexibel dem Alter und den persönlichen Bedürfnissen des Individuums anpasst
Die Verbesserung von Attraktivität des Unternehmens, der Mitarbeiterbindung, sowie individueller Motivation und Engagements
Schaffung eines Angebots, das Mitarbeitern und ihren Angehörigen die Möglichkeit zusätzlicher Absicherung gibt
Kostenoptimierung
Trifft dieser Nachfrageschub auf ein – im Vergleich zur Situation von vor 15 Jahren – verbessertes Angebot? Eindeutig ja. Zu unterscheiden ist hier zwischen zwei zentralen Komponenten einer Struktur, welche die oben dargestellten Bedürfnisse bedient.
Zum einen vermitteln moderne, integrierte Benefits-Plattformen (beispielsweise „Embark“ von Willis Towers Watson) durch Kommunikation ein durchgängig verbessertes Konsumentenerlebnis. Mitarbeiter schätzen die personalisierte Aufbereitung von Vergütungs- und Nebenleistungselementen i.S. eines Total-Rewards-Statements. Nicht nur vermittelt die verbesserte Transparenz Wertschätzung. Sie erlaubt zugleich Erkenntnisse bezüglich der hinter den Programmen stehende Vergütungsphilosophie des Arbeitgebers durch Verbindung ehemals isoliert kommunizierter Leistungen.
Gleichzeitig bieten die in der Regel anbieterseitig gehosteten Systeme die Möglichkeit eines zielgerichteten Bewerbens z.B. neuer Bestandteile des Benefit-Angebots. Sie können auf diese Weise den Anstoß dazu geben, über Gesundheit oder Altersvorsorge nachzudenken und unterstützen bei der individuellen Prioritätensetzung.
Systeme wie „Embark“ sind digital in dem Sinne, dass sie Information individualisiert erlebbar macht. Mitarbeiter werden nicht überflutet mit Informationen, sondern erhalten zugeschnitten auf ihre Person die Informationen der möglichen Benefits über den Arbeitgeber.
Ihr digitale Natur zeigt sich darüber hinaus dadurch, dass sie die Möglichkeit zur Bündelung von Information durch elektronische Anbindung einer Vielzahl von Leistungsanbietern ermöglicht: sei es des hinter der firmeneigenen Mobilitäts-Policy stehende Angebot zur Konfiguration eines Dienstwagens oder -fahrrads, sei es die Information zu Beitragszahlungen des letzten Jahres zum Zeitwertkontensystem des Arbeitgebers und der Wertentwicklung in diesem Kontext stehender Investments oder des lokalisierten Kantinenangebots.
Schließlich bieten alle modernen Systeme „Enrolment-Funktionen“ – Beschäftigte haben nicht nur Zugang zu personalisierter Information, ihnen wird auch die Möglichkeit individualisierter Transaktionen gegeben. Mitarbeitetende können im Kontext der Altersversorgung auf ihre Situation abstellende Musterberechnungen durchführen und – z.B. im direkten Zusammenspiel mit dem Anbieter einer Direktversicherung – einen Abschluss tätigen. Sie können nicht nur der Personalabteilung gegenüber durch Prognose dienstlich bedingter Reiseaktivität im kommenden Jahr das Erfordernis einer Bahncard nachweisen, sie können diese auch bestellen. Sie können im Kontext eines Budgets für Zusatzleistungen optieren, die im Kontext manuell gesteuerter Prozesse einer tradierten Personalabteilung surreal anmuten: Abschluss einer Krankenversicherung für den Hund oder zusätzliche Absicherung für den Zahnersatz? Kein Problem.
Die Vorstellung, eine digitale Benefits-Plattform im laufenden Personalbetrieb implementieren zu müssen, wäre vor wenigen Jahren von Bildern einer OP am offenen Herzen und vergleichbaren Kosten begleitet gewesen. Tatsächlich lassen sich die vier Phasen einer Umsetzung – Design, Implementierung, Launch und „Go-live“ – heute unkompliziert innerhalb eines Jahres umsetzen. Dabei sind die Modelle in jede beliebige Richtung skalierbar und zeitlich gestuft umsetzbar. Sie sind global und erlauben es, weltweit gültige Inhalte global zu kommunizieren.
Lokale Angebote lassen sich – aufbauend in der Regel auf einem Pilotprojekt in wenigen Ländern – nach und nach umsetzen. Während es in Lokation A möglicherweise nur um die konsistente und gut aufbereitete Information von Benefits sowie den Bau entsprechender Links geht, steht im Land B die Vermittlung von Angeboten nach Mitarbeitersegment oder die Einführung größerer Themen wie Wellbeing im Fokus.
Auch innerhalb eines Landes kann eine Implementierung zeitlich versetzt und in Stufen erfolgen. So lässt sich in Phase eins der Zugang zu personalisierter Information organisieren („embark“), in Phase zwei „enrol“ i.S. der Ansteuerbarkeit persönlicher Benefit-Optionen und in Phase drei schließlich „empower“ i.S. gesteigerter Flexibilität und weiter Optionen.
In wenigen Bereiche lassen sich Ursache und Wirkung, eine situationsbedingt sprunghafte Steigerung der Nachfrage und digitale Quantensprünge in den Möglichkeiten einer technischen Umsetzung, so schwierig auseinanderhalten, wie im Bereich der Kommunikation und des Delivery von Benefits. Hier dürfte in den kommenden Jahren ein Implementierungsschub zu erwarten sein, wie der Benefits Trends Survey zeigt: Aktuell sagen 41 Prozent der Unternehmen, dass sie lediglich über Basislösungen für die digitale Benefits-Kommunikation verfügen, die allenfalls allgemeine Informationen bereithalten. Jedoch plant mehr als die Hälfte (57 Prozent), innerhalb der nächsten zwei Jahre eine voll integrierte unternehmensspezifische Plattform mit personalisierten Informations- und Auswahlmöglichkeiten zu implementieren.