In den vergangenen Monaten haben wir die mutmaßlich umfassendste IFRS-17-Studie weltweit durchgeführt: 312 Versicherer aus 50 Ländern – darunter 24 multinationale Gruppen – gaben Auskunft zum Implementierungsaufwand der neuen Regularien sowie zu ihren Erwartungen an IFRS 17. Das ist bereits die zweite Umfrage dieser Art, nachdem wir die erste im Juli 2020 durchgeführt haben (Abb. 1.1 und 1.2). Als Berater haben wir in den letzten Jahren mit mehr als 150 Versicherern auf der ganzen Welt an IFRS 17-Projekten gearbeitet.
Seit Juli 2020 konnten die Unternehmen in ihren Umsetzungsprojekten materielle Fortschritte erzielen. Während im Jahre 2020 weniger als 50 Prozent der Teilnehmer angaben, über die Hälfte der Implementierung absolviert zu haben, geben dies 2021 nun 64 Prozent an (Abb. 2). Hierbei stechen die Versicherer mit Sitz in Deutschland, die im internationalen Vergleich weiter fortgeschritten sind als der globale oder auch der europäische Durchschnitt, positiv hervor.
Das wahrscheinlich überraschendste Ergebnis der Umfrage: Gerade diejenigen Versicherer, die 2020 ihren Fortschritt recht weit eingestuft hatten, sahen diesen ein Jahr später durchschnittlich etwas pessimistischer. Dies mag ein Hinweis darauf sein, dass sich viele Unternehmen erst im Detail die Anforderungen des Standards und deren Umsetzung im Alltagsgeschäft erarbeiten mussten, um sich der enormen Komplexität der Anforderungen bewusst zu werden.
Insgesamt 15 bis 20 Milliarden US-Dollar wird die Umsetzung von IFRS 17 weltweit kosten. Während die durchschnittlichen Programmkosten für die 24 befragten multinationalen Gruppen bei jeweils 175 bis 200 Millionen US-Dollar liegen, beläuft sich das durchschnittliche Budget für die übrigen 288 Versicherer auf jeweils rund 20 Millionen US-Dollar (Abb. 3). Ungefähr 10.000 bis 15.000 (Vollzeit-)Mitarbeiter werden global aller Voraussicht nach benötigt, um IFRS 17 umzusetzen (Abb. 4).
Diesen hohen Kosten steht den befragten Versicherern zufolge jedoch nur ein mittelmäßiger Mehrwert gegenüber. Nur jeder zweite Umfrageteilnehmer (52 Prozent) glaubt, dass die Umstellung auf IFRS 17 dem eigentlichen Ziel zuträglich sein wird: Dem Kapitalmarkt ein möglichst umfassendes Bild der Ertrags- und Finanzlage von Versicherungsunternehmen zu vermitteln.
Die deutschen Teilnehmer sehen IFRS 17 hingegen positiver entgegen: Hierzulande ist eine Mehrheit (70 Prozent) von einem Nutzen durch IFRS 17 überzeugt und eine Minderheit (knapp 40 Prozent) erwartet, dass das Berichtswesen unter IFRS 17 um weitere Disclosures ergänzt werden muss, um Investoren adäquat zu informieren.
Die Umfrageergebnisse zeigen: Es bleibt wichtig, den Zweck von IFRS 17 für das eigene Unternehmen im Blick zu behalten – nur so profitieren die Gesellschaften, indem sie Jahresabschlüsse für einen größeren Kreis von Anlegern verständlicher und besser vergleichbar machen.
Wie bereits beschrieben, ist die Umstellung auf IFRS 17 komplex und kostspielig. Gesellschaften haben aber durchaus Spielräume, diese günstiger und einfacher zu gestalten:
Der Go-Live-Termin im Januar 2023 wird die Versicherer schneller erreichen, als es einigen zurzeit lieb ist. Im Fokus vieler Akteure steht daher insbesondere, die richtigen Zahlen zu liefern – viel wichtiger ist jedoch die Frage, wie die Umstellung einen langfristigen geschäftlichen Nutzen hervorbringen kann. Denn: 2023 ist nicht nur eine Ziellinie, sondern vor allem ein Neubeginn.
IFRS 17 ist auch ein Programm zur Transformation von Prozessen im Finanzressort, das bei kluger Planung die Art und Weise des Arbeitens umfassend und nachhaltig verbessern kann – durch intelligenteren Einsatz von Mitarbeitern, besseren Datenfluss, flexiblere und vernetzte Systeme, Effizienz und verbesserte Governance. Diejenigen Versicherer, die IFRS 17 mehr als Neubeginn denn als Hürde begreifen, dürften am meisten profitieren: Zum einen durch höheres Vertrauen von Investoren, zum anderen durch bessere Einblicke ins eigene Geschäft. Die Umstellung auf IFRS 17 ist nur der Beginn einer großen Transformation im Versicherungswesen.