Zeitwertkonto, echte und unechte Abfindung, Mannheimer Modell
In Restrukturierungsszenarien geht die Entwicklung dahin, dass Unternehmen neben dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit Abfindungszahlung alternative Übergangsmodelle anbieten (s. hierzu die WTW-Studie Trennungskultur 2021). Die Rahmenbedingungen werden regelmäßig durch die Betriebsparteien im Rahmen eines Interessenausgleichs bzw. Sozialplans festgelegt, oft innerhalb eines engen Zeitrahmens.
Wie wichtig der sachgerechte Einsatz des jeweiligen Trennungsbudgets bei der Ausgestaltung von Übergangsmodellen ist, zeigt jüngst ein Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 17.6.2021 – 4 K 4206/18 (derzeit anhängig beim Bundesfinanzhof). Im zugrunde liegenden Fall wurden Abfindungen einem Zeitwertkonto gutgeschrieben und anschließend auf die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) übertragen.
Gutschriften auf einem Zeitwertkonto erfolgen typischerweise lohnsteuerfrei. Im vorliegenden Fall hat das Finanzgericht die Gutschrift allerdings als lohnsteuerlichen Zufluss gewertet – mit entsprechender Haftung des Arbeitgebers für die nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer. Das Urteil ist ein anschauliches Praxisbeispiel für die dringend einzuhaltenden Gestaltungsanforderungen mit ansonsten erheblichem Haftungspotential.
Eine klassische Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes ist nach Ansicht des Bundessozialgerichts kein Arbeitsentgelt nach § 14 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) und wird somit ohne Verbeitragung in den Zweigen der Sozialversicherung ausgezahlt. Eine solche sog. echte Abfindung ist zeitlich nicht dem Beschäftigungsverhältnis zuordnen, sondern als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes erst der Zeit nach dessen Beendigung.
Im Gegensatz dazu lassen sich sog. unechte Abfindungen zeitlich dem Beschäftigungsverhältnis zuordnen und sind daher als Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV einzustufen. Derartige Leistungen mit Entgeltcharakter können z. B. Gegenleistungen für erbrachte Betriebstreue oder dafür sein, dass sich ein Beschäftigter auf veränderte Konditionen seines Arbeitsverhältnisses einlässt (siehe Fall A und Fall B in der „Übersicht Abfindungen ZWK“ im Download-Bereich).
Ein in Restrukturierungsszenarien praktisch erprobter Ansatz ist die Nutzung eines Zeitwertkontos beim Arbeitgeber als Übergangsmodell. Der Mitarbeiter wird bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses (bis zum Eintritt in den Ruhestand oder ggf. zu einem früheren Zeitpunkt) vollständig von der Arbeitsleistung freigestellt und bezieht in dieser Freistellungsphase Arbeitsentgelt aus dem Zeitwertkonto. Während der Freistellung besteht weiterhin sozialversicherungsrechtlich ein Beschäftigungsverhältnis, sodass Beiträge in allen Sozialversicherungszweigen abzuführen sind.
Elementar für das Funktionieren des Modells ist eine ausreichende Dotierung des Zeitwertkontos, um die Freistellungsphase zu finanzieren. Wichtig ist, dass in ein Zeitwertkonto nur Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) eingebracht werden (§ 7b Nr. 3 SGB IV). Eine zulässige Dotierung wäre daher eine unechte Abfindung im o. g. Sinne oder eine sonstige Arbeitgeberleistung mit Arbeitsentgeltcharakter (z. B. Gegenleistungen für erbrachte Betriebstreue).
Hingegen ist eine echte Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes keine zulässige Dotierung für ein Zeitwertkonto, sodass keine Wertguthabenvereinbarung nach § 7b SGB IV vorliegt. In dem o. g. finanzgerichtlichen Urteil war dies auch ein zentraler Grund für die Nichtanerkennung des Modells mit der Konsequenz des sofortigen lohnsteuerlichen Zuflusses.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein bestehendes Wertguthaben am Ende der Beschäftigung auf Verlangen des Beschäftigten auf die DRV übertragen werden (§ 7f Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Es geht hier nicht um die gesetzliche Altersrente. Vielmehr sind nach der Übertragung die mit dem Wertguthaben verbundenen Arbeitgeberpflichten von der DRV zu erfüllen (siehe Fall C in der „Übersicht Abfindungen ZWK“ im Download-Bereich). Der Mitarbeiter kann das Wertguthaben durch bezahlte Freistellung in einem Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber oder auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses in Anspruch nehmen (vgl. § 7f Abs. 2 und 3 SGB IV).
In Restrukturierungsszenarien wird diese Übertragungsmöglichkeit in der Form genutzt, dass der Arbeitgeber für den betreffenden Mitarbeiter eine Dotierung in ein bereits bestehendes oder erst einzurichtendes Zeitwertkonto vornimmt und das entsprechenden Wertguthaben nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auf die DRV übertragen wird.
Dies hat auf den ersten Blick in der Tat den Charme, dass der Arbeitgeber mit der Freistellung aus dem Zeitwertkonto nichts mehr zu tun hat. Gleichwohl stellen sich insbesondere die folgenden – höchstrichterlich noch nicht geklärten – Fragen:
Flankierend zu dem Zeitwertkonto erfolgen im Mannheimer Modell Ausgleichszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung (187a SGB VI).
Das Mannheimer Modell ist in der Praxis bereits umgesetzt worden, hinsichtlich seiner rechtlichen Zulässigkeit nicht unumstritten.
Bei der Ausgestaltung von Zeitwertkonten-Übergangsmodellen ist zwingend darauf zu achten, dass Dotierungen in das Zeitwertkonto materiell als Arbeitsentgelt einzustufen sind. Die bloße Bezeichnung ist nicht ausreichend. Beim Mannheimer-Modell werden diese Anforderungen noch herausfordernder. Insoweit empfiehlt sich eine enge Abstimmung mit der DRV und im Hinblick auf die lohnsteuerlichen Anforderungen (insbesondere Einbringungsstopp) mit dem zuständigen Finanzamt ggf. in Form einer Anrufungsauskunft. Abzuwarten bleibt auch, ob es noch zu weiteren Klarstellungen des Gesetzgebers oder der Sozialversicherungsträger kommt.
Titel | Dateityp | Dateigröße |
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Wohin mit der Abfindung? Übergangsmodelle richtig gestalten | .1 MB |