Unternehmen sehen Überschwemmungen zunehmend als Risiko für ihre Unternehmenswerte und ihren Geschäftsbetrieb. Doch was können sie tun, um sich dagegen wirtschaftlich abzusichern?
Thomas Zelosko: Zuerst sollten sie sich ein klares Bild ihrer Lage machen. Es geht um die Frage: Wie sehr sind unsere Standorte von einem Überschwemmungsrisiko betroffen? Wir geben ihnen darauf eine Antwort. Dazu ermitteln wir zunächst für jeden Ihrer Standorte jeweils einen Gefährdungsscore von 0 gleich „nicht gefährdet“ bis 5 gleich „extrem gefährdet“. Unsere Kunden wissen dann, wo ihnen die größte Gefahr droht.
Auch ein hohes Risiko muss nicht gleich morgen zu einer Katastrophe führen.
Frank Forster: Deshalb modellieren wir im zweiten Schritt, mit welcher Wahrscheinlichkeit Überschwemmungsschäden auf lange Sicht eintreten können und wie hoch diese Schäden dann unter Berücksichtigung der vorhandenen Vermögenswerte sind. Daraus ergibt sich das Verlustpotenzial des Unternehmens – Standort für Standort sowie in seiner Gesamtheit.
Für diese wichtige Bewertung nutzen wir deutlich mehr Datenquellen als üblich. Dazu gehören die Daten der großen Rückversicherer, unsere weltweiten eigenen Daten, branchenbezogene Daten und die Daten unserer Kunden. So ergibt sich ein individuelles differenziertes Gesamtbild. Wir machen die unternehmensweite Risikolandschaft und die jeweiligen Verlustpotenziale lückenlos und übersichtlich transparent.
“Unternehmen müssen ihr Überschwemmungsrisiko transparent machen.”
Frank Forster
Head of Risk & Analytics and Strategic Risk Consulting Germany/Austria/Switzerland
Wie können Unternehmen mit Blick auf dieses Gesamtbild dann auch einen wirtschaftlichen Versicherungsschutz organisieren?
Thomas Zelosko: Im Kern geht es für die Unternehmen darum, die negativen Folgen von Überschwemmungsschäden auf ihren Cashflow, ihre Bilanz sowie letztlich ihr wirtschaftliches Fortbestehen so gering wie möglich zu halten. Versicherungen müssen ihnen dazu einen hohen ökonomischen Wertbeitrag bieten, also eine wirtschaftlich optimale Balance von Selbstbehalt, Prämie und Höchstentschädigung.
Als erstes klären wir mit unseren Kunden dazu auf Basis ihres Geschäftsmodells, ihrer Strategie und wesentlicher Finanzkennzahlen ihre generelle Risikotragfähigkeit. Mit Blick auf diesen Wert entwickeln wir dann verschiedene Risikotransferstrategien mit jeweils unterschiedlichen Selbstbehalten, Prämien und Höchstentschädigungen. So zeigt sich, welche Kombination dieser Faktoren für die Unternehmen unter dem Strich auf Dauer die finanzwirtschaftlich sinnvollste ist.
“Cashflow und Bilanz müssen geschützt werden.”
Thomas Zelosko
Head of Sales, Corporate Risk and Broking
Gerade was Überschwemmungsrisiken angeht, reduzieren die Versicherer jedoch die Deckungssummen und fordern hohe Selbstbehalte.
Thomas Zelosko: Mit einer klaren Analyse und Bewertung ihrer Risiken und einer durchdachten Versicherungsstrategie verfügen Unternehmen jedoch über gute Argumente, um mit Versicherern konstruktiv ins Gespräch und ins Geschäft zu kommen. Fundierten Fakten sind für Versicherer überzeugende Argumente.
Und wenn der Markt doch nicht die nötigen Deckungssummen hergibt?
Frank Forster: Dann stehen Unternehmen alternative Lösungen zur Verfügung. Sie können etwa eine Captive, also die eigene Versicherungsgesellschaft, gründen oder auf bestehende Captive-Infrastrukturen von WTW zurückgreifen. Und wer seine Landschaft bewerteter Risiken und seine Risikotragfähigkeit kennt, hat ideale Voraussetzungen geschaffen, die adäquate Kapitalausstattung einer Captive zu ermitteln. Die Möglichkeit, Risiken über eine Captive selbst zu tragen, spielt oft schon eine Rolle, wenn wir unterschiedliche Risikotransferstrategien modellieren und bewerten. Zudem bieten sich Unternehmen mit Blick auf Überschwemmungsrisiken sogenannte parametrische Versicherungslösungen.
“Es gibt auch geeignete alternative Versicherungslösungen.”
Frank Forster
Head of Risk & Analytics and Strategic Risk Consulting Germany/Austria/Switzerland
Von der Identifikation der Überschwemmungsrisiken eines Unternehmens bis zur Modellierung der entsprechenden Verlustpotenziale entsteht ja schon ein gewisser Aufwand …
Frank Forster: … Der Aufwand rentiert sich angesichts des Nutzens in jedem Fall. Zudem wenden wir im Zuge dieses Prozesses digitale Lösungen und selbst entwickelte Algorithmen an, die relativ zügig zu belastbaren Ergebnissen führen.
Thomas Zelosko: Der Aufwand lohnt sich jedoch auch abseits des Versicherungsmanagements. Denn die gewonnenen Ergebnisse sind auch ein wichtiger Input für strategische Entscheidungen – etwa wenn es um die Frage geht, welche Standorte sich künftig für Produktionsstätten und Lager empfehlen und welche nicht bzw. nicht mehr.
Oder denken wir an geplante Unternehmenszukäufe: Bereits in der Due-Diligence-Phase kann geklärt werden, ob die Standorte eines Zielunternehmens in Sachen Überschwemmungen im grünen Bereich sind.
Frank Forster: Wir empfehlen unseren Kunden auch, das Überschwemmungsrisiko ihrer Lieferanten transparent zu machen. Wer mit Lieferanten zusammenarbeitet, deren Standorte durch Überschwemmung stark gefährdet sind, sollte seine Lieferkette neu organisieren und „wasserdicht“ machen.
Insgesamt gewinnen Unternehmen also eine solide Basis für das Managen ihrer Überschwemmungsrisiken.
Thomas Zelosko: Durchaus, und wir können mit unseren Kunden auch noch einen großen Schritt weitergehen. Dazu bieten wir ihnen eine digitale Plattform für ein integriertes Risiko- und Versicherungsmanagement. Unternehmen können damit ihre Risiken durch Überschwemmung und andere Naturgefahren sowie Klimarisiken vorausschauend modellieren und diese Risiken auch mit weiteren relevanten Unternehmensrisiken in ihrer Wechselwirkung betrachten und analysieren.
Alles in allem helfen wir Unternehmen, die optimale Balance von selbstbehaltenen und übertragenen Risiken zu finden sowie die richtigen strategischen Entscheidungen mit Blick auf Überschwemmungsrisiken zu treffen. Cashflow und Bilanz bleiben so in trockenen Tüchern.