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Artikel

Chronik einer Achterbahnfahrt: M&A-Markt und Transaktionsversicherung

Von Robert Engels und Janin Kauffmann | 22. Juli 2022

2021 war ein M&A-Rekordjahr. Im Zuge dessen gewannen Transaktionsversicherungen wie die W&I an Bedeutung. Seit Februar 2022 haben sich die Vorzeichen für die Deckung allerdings erneut geändert.
Mergers and Acquisitions|Insurance Consulting and Technology
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War das M&A-Jahr 2022 noch mit einem starken Deal Flow gestartet, so macht sich heute, im Sommer 2022, wieder zunehmende Ungewissheit breit. Vor dem Hintergrund von Kriegsereignissen, Lieferengpässen und steigenden Energiekosten müssen sich Unternehmen mehr denn je fragen, welche Risiken mit ihren Transaktionen verbunden sind und wie oder auch ob sie diese absichern können. 

Blick zurück: durch die Pandemie in den Ausnahmezustand

Die Entwicklung der letzten zwei Jahre glich einer „Achterbahnfahrt“: Ausgelöst durch die Pandemie ging die Anzahl an M&A-Transaktionen zurück. Prämien und Deckungspositionen entwickelten sich zunächst positiv für die Versicherten. In der zweiten Jahreshälfte erlebte der Markt jedoch einen Aufschwung, der alle Erwartungen übertraf. 2021 endete als Rekordjahr für M&A-Deals. Weltweit wurden 1.047 Transaktionen im Wert von je über 100 Millionen US-Dollar abgeschlossen (Abb. 1) – das höchste bisher gemessene jährliche Volumen seit Beginn unseres „Quarterly Deal Performance Monitors“ 2008.

Figure 2. M&A yearly volumes
Jährliche Anzahl der M&A-Transaktionen weltweit 2008-2021 (WTW-Quarterly Deal Performance Monitor)

Aufstieg der W&I-Versicherung

M&A-Transaktionen nahmen aber nicht nur in der Anzahl zu, sie gewannen auch zunehmend an Komplexität und wurden damit teilweise riskanter. Heute liegt das Risiko für viele Käufer – und teilweise auch Verkäufer – ohne Versicherungsschutz zu hoch. Neben der Steuerversicherung und der Contingent-Risk-Versicherung, die als „Special Situations-Lösungen“ immer weiter an Bedeutung gewinnen, hat sich vor allem die Warranty-and-Indemnity-Versicherung (W&I) als Schutz vor den finanziellen Risiken aus möglichen Garantieverletzungen etabliert. 

Ansturm nicht zu bewältigen

Der dynamische Aufschwung 2021 brachte den W&I-Versicherungsmarkt jedoch an seine Grenzen. Zunächst spielte die Entwicklung in den Anfängen der Pandemie noch den Versicherungskäufern in die Karten:  niedrige, leicht sinkende Prämien und vorteilhafte Deckungspositionen. Doch im Laufe des Jahres verhärtete sich der Markt: Die Prämien stiegen in Deutschland und Europa um 10 bis 20 Prozent an. Auch die Underwriting-Kapazitäten waren dem Ansturm nicht gewachsen.

Das führte zu einem restriktiven Quotierungsverhalten beziehungsweise einer vermehrten Ablehnung von Transaktionen. Selbst für risikoarme Transaktionen nahm der Risikoappetit ab und Versicherer verlangten bei kleineren zusätzlich erhöhte Mindestprämien. Diese Entwicklung gipfelte im Herbst in einem noch nie dagewesenen Kapazitätsengpass: Versicherer und Assekuradeure „schlossen“ teilweise die Bücher. Die Kapitalzusagen waren bereits zu diesem Zeitpunkt für das Kalenderjahr 2021 ausgeschöpft.

Auch bei den Underwriting Counsels – also den Anwälten, die die Versicherer im Underwriting-Prozess hinzuziehen – waren stellenweise keine Kapazitäten mehr für anstehende Underwriting-Prozesse verfügbar. 

Anzeichen großer Unsicherheit 

Das Jahr 2022 startete zunächst mit zahlreichen Fusionen und Übernahmen – wie der QDPM zeigte war das erste Quartal erneut stärker als Q1 2021. Doch die Hektik und extremen Engpässe verflüchtigten sich schnell und Versicherungskapital stand wieder vollumfänglich zur Verfügung. Auch bei den Prämienraten machte sich im ersten Quartal eine Stabilisierung beziehungsweise ein leichter Rückgang bemerkbar.

Mit Beginn des Kriegsgeschehens stehen wir heute allerdings einer völlig veränderten Ausgangslage gegenüber: Sind anfangs noch viele Deals weitergelaufen, ist mittlerweile große Unsicherheit zu spüren – die Anzahl an Transaktionen hat infolgedessen abgenommen, M&A-Prozesse verzögern sich oder werden pausiert. Dies ist vor allem bei großen grenzüberschreitenden Transaktionen zu spüren.

Geopolitische Unsicherheiten und Lieferengpässe erschweren auch verlässliche Unternehmensbewertungen. Hinzu kommen die steigenden Zinsen, welche das Kapital insbesondere für fremdfinanzierte Übernahmen wieder verteuern. 

Bremsklotz für den M&A-Versicherungsmarkt

Dennoch steht auch weiterhin enorm viel Geld für Investitionen zur Verfügung, das heißt: Druck und Wille zu investieren sind definitiv vorhanden. Aber die Kombination von schlechter zu definierenden Risiken, die unvorhersehbare Entwicklung der Lieferketten, die Ungewissheit der global politischen Situation, sowie die angespannte Zinsentwicklung wirken wie ein Bremsklotz auf den M&A-Markt insgesamt und somit auch auf den M&A-Versicherungsmarkt. Der wachsenden Unsicherheit in Transaktionen begegnen Unternehmen und Private-Equity-Firmen zu Recht gerne mit einer W&I-Versicherung. 

Transaktionsversicherung in Deutschland mit kurzer Historie

Die W&I-Versicherung hat sich in Deutschland erst über die Jahre zu einer viel gefragten Versicherungslösung entwickelt. Die Ursachen für diesen Nachfrage-Boom liegen einerseits in der beschriebenen sprunghaften Explosion des M&A-Geschehens, andererseits in der Reifung des Marktes: Mit zunehmenden Transaktionen wuchs die Erfahrung, sowohl auf Seiten der Berater als auch auf Anwalts- und Kundenseite. Die W&I-Versicherung wurde häufiger nachgefragt, auch für kleinere Transaktionen, da die Policen-Lösung nun auch hier wirtschaftlich wurde. 

Zahl der W&I-Anbieter wächst

Immer mehr deutsche Anbieter spezialisierten sich auf W&I, weitere kamen auf den Markt. So stieg die Anzahl der Versicherer im deutschen Raum innerhalb der letzten 8 bis 10 Jahre von einer Hand voll auf 28, Tendenz steigend. Währenddessen hat sich das versicherbare Kapital in diesem Zeitraum mehr als verdreifacht.

Obwohl Schadenhäufigkeit und -höhe zunehmen, zeigt sich, dass die Versicherer grundsätzlich eine gute Schadenmoral beibehalten. Dies ist die essenzielle Grundlage für das Vertrauen in diese Versicherungslösung. Unternehmen brauchen heute mehr denn je einen guten Broker, denn auch Versicherer haben an Erfahrung gewonnen. Sie sichern lange nicht mehr alle Risiken ab und sind selektiver geworden – sowohl in der Quotierungs- als auch der Underwriting-Phase. 

M&A-Versicherung 2023: Mehr als Warranty & Indemnity 

Wie sich der Markt in den nächsten Monaten entwickeln wird, ist nur schwer abzusehen. Langfristig ist jedoch klar: Der M&A-Markt wird ein weiteres Comeback erleben, und mit ihm die M&A-Versicherung.

Neben W&I wird ein neuer Schwerpunkt der M&A-Versicherungen bei den Tax Policen und den bekannten Contigent Policen liegen. Diese Tools geben den Käufern und Verkäufern die Möglichkeit, latente und bekannte Risiken, die die Vertragsparteien nicht im Rahmen der üblichen Vertragsmechanismen regulieren können, über den Versicherungsweg aus der Transaktion herauszulösen. Mit der Erkennung dieser Art von Risiken wird in den nächsten Monaten vermehrt zu rechnen sein.

Der Artikel ist vollständig erschienen in der Versicherungswirtschaft, Ausgabe 07/2022.

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