Wer treibt in Ihrem Unternehmen die Klimadiskussion voran? Das Nachhaltigkeitsteam? Führungskräfte aus dem Finanzbereich oder ein ESG-Team, das sich um die Themen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung kümmert? Oder stehen vielleicht die Rechtsabteilung und Investor-Relations-Bereich an vorderster Front?
Wir sind der Meinung, dass die Risikomanager in den Lead gehen sollten und können, indem sie zwei Dinge deutlich machen: Klima ist ein quantifizierbares Risiko – und sein Management bietet viele Chancen.
Weil Risikoexperten täglich mit Risiken zu tun haben, ist ihnen vielleicht nicht ganz klar, wie relevant ihre Fähigkeiten in der Klimadiskussion sind und wie vergleichsweise unbeholfen viele andere Geschäftsbereiche mit Begriffen wie Risiko und Unsicherheit umgehen.
Das Klima verstärkt bestehende Risiken, noch bevor es um genuin klimabezogene Risiken geht. Dazu gehören unmittelbare physische Risiken, die sich aus wetterbedingten Ereignissen ergeben und aus langsamen, chronischen klimatischen Veränderungen, aber auch transitorische Risiken.
Physische Risiken können akut sein, wie zum Beispiel das Risiko, dass Wetterereignisse wie Überschwemmungen, tropische Wirbelstürme und Waldbrände intensiver werden und häufiger eintreten. Zu den chronischen physischen Risiken gehören der Anstieg des Meeresspiegels oder der Temperaturen.
Transitorische Risiken sind Risiken, die sich aus dem Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ergeben. Hier geht es um neue politische und rechtliche Vorgaben für diesen Übergang sowie um technologische und marktbezogene Veränderungen. Dazu gehören potenzielle Rechtsstreitigkeiten, die Einzelpersonen, Unternehmen und Führungskräften drohen – wegen mutmaßlicher Fahrlässigkeit bei unvollständigen Angaben zu Klimarisiken oder mutmaßlich unzureichender Übergangspläne. Die Anwälte der Umweltrechtsorganisation ClientEarth haben zum Beispiel rechtliche Schritte gegen den Verwaltungsrat von Shell eingeleitet. Aus ihrer Sicht sind die Pläne des Unternehmens für den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft unzureichend und verstoßen daher gegen die Pflichten der Direktoren gemäß dem britischen Unternehmensgesetz.1
Vergessen wir auch nicht die immateriellen und Reputationsrisiken, die hier mit im Spiel sind. Wenn die Aktivitäten Ihres Unternehmens als nachteilig für den Übergang angesehen werden, könnten Ihre Kunden das Vertrauen in Ihr Unternehmen verlieren. Der Vorwurf des Greenwashings könnte in den Medien verbreitet werden und sich negativ auf den Umsatz auswirken.
Wenn das Klima ein Risikofaktor ist, sollten sich die Risikomanager darum kümmern; sie sind die Experten mit dem Know-how, um das breite Spektrum klimabezogener Risiken in klare, messbare und handhabbare Risiken zu verwandeln.
Risikomanager sind in einer einzigartigen Position, um eine Führungsrolle beim Klimaschutz zu übernehmen; sie sind am besten in der Lage, kritische Risiken zu verstehen und der Geschäftsleitung die Chancen eines proaktiven Managens der Risiken zu vermitteln. Wir Risikoexperten verstehen, dass es beim Klimawandel um ein komplexes quantifizierbares Risiko geht und nicht einfach um Kohlenstoffemissionen.
Es ist also an der Zeit, mehr über spezifische klimabezogene Risiken zu erfahren und Analysen zu nutzen, um ein nuanciertes und dynamisches Verständnis der physischen und transitorischen Klimarisiken zu gewinnen. So können Sie die Betriebsabläufe und Lieferketten Ihres Unternehmens entsprechend gestalten und seine Risikostrategie optimieren.
Während sich einige Teams und Vorstandsmitglieder von der Herausforderung des Klimawandels vielleicht überfordert fühlen, sehen Risikoexperten den Klimawandel eher als treibenden Faktor anderer Risiken wie Naturkatastrophenrisiken, mit denen sie längst vertraut sind.
Risikoexperten kombinieren bereits erfolgreich Klimawissenschaft, Mathematik und relevante Daten, um Modelle und Messgrößen zur Bewertung des breiten Spektrums klimabezogener Risiken zu entwickeln. Und im Gegensatz zu ihren Kollegen aus den Bereichen Investor Relations und Nachhaltigkeit oder der Rechtsabteilung können sie mit Ungewissheiten und Ergebnisbandbreiten umgehen; sie sind es gewohnt, in sich ständig verändernden Risikolandschaften zu arbeiten und Wege für mehr Sicherheit und Wachstum zu finden.
Aus diesen Gründen könnte man sagen, dass der Klimawandel das Problem ist, zu dessen Lösung Risikoexperten beitragen können und müssen.
Wenn Ihr Unternehmen gerade damit beginnt, eine Klimastrategie zu entwickeln (und unserer Erfahrung nach tun dies viele), haben Sie die Gelegenheit, das „Risikomanagement 101“ einzuführen, also die Identifizierung, Bewertung und Steuerung von Risiken auf Basis traditioneller Ansätze des Risikomanagements.
Geht Ihr Unternehmen entsprechend nach vorn, kann sich die Rolle des Risikomanagers stärker darauf konzentrieren, Stakeholder anderer Geschäftsbereiche einzubinden, deren Daten einzuholen und sie von der strategisch relevanten Betrachtung des Klimas durch die Risikolinse zu überzeugen. Es geht darum, gemeinsam Ziele und KPIs festzulegen.
Risikomanager können die Führung übernehmen und ihrem Vorstand verdeutlichen, dass Klima-orientierte Maßnahmen machbar sind – indem sie deutlich machen, dass das Klima zu den Themen gehört, die sie seit Jahrzehnten modellieren, und dass sie dazu Daten nutzen, die dem Unternehmen bereits zur Verfügung stehen, etwa zu seinen Immobilienstandorten.
Risikomanager können der Geschäftsleitung auch versichern, dass es sich um einen iterativen Prozess handelt – das Unternehmen braucht nicht sofort alle Antworten zur Bewältigung eines jeden Risikos (wobei es mit Hilfe von Risikoexperten damit beginnen wird, die richtigen Fragen zu stellen).
Die Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) verpflichtet bestimmte Unternehmen, die Berichterstattung über klimabezogene Finanzrisiken gegenüber Investoren, Kreditgebern und Anlegern zu verbessern und zu intensivieren. Die TCFD-Empfehlungen drehen sich dabei um die Themen Governance, Strategie, Risikomanagement sowie Kennzahlen und Ziele. 2
Anfang dieses Jahres schlug die Securities and Exchange Commission (SEC) Regeländerungen vor, die Unternehmen verpflichten würden, bestimmte klimabezogene Angaben in ihre Anträge auf Börsenzulassung und regelmäßigen Berichte aufzunehmen.3 Dazu gehören Informationen zu klimabezogenen Risiken, die „vernünftigerweise wahrscheinlich“ eine wesentliche Auswirkung auf ihr Geschäft, ihre Betriebsergebnisse oder ihre Finanzlage haben, sowie bestimmte klimabezogene Bilanzkennzahlen und Angaben zu Treibhausgasemissionen.4
TCFD und andere Offenlegungsregelungen sind eindeutig die Domäne des Risikomanagers, ein Bereich, in dem er für eine verbesserte Offenlegung sorgen kann durch eine effektive Bewertung klimabezogener Risiken und Chancen des Unternehmens. Ein konsequent risikobasierter Ansatz bei der Offenlegung der klimabezogenen Daten des Unternehmens kann zu fundierteren strategischen Entscheidungen darüber beitragen, wo und wann finanzielle Mittel investiert werden sollen, sowie zu einer insgesamt verbesserten Bewertung der kurz-, mittel- und langfristigen Risiken und Expositionen.
Risikomanager sollten darauf hinarbeiten, die Risikomanagementstrategie mit den TCFD-Empfehlungen in Einklang zu bringen. Auch wenn Sie in einer Region tätig sind, in der die TCFD-Empfehlungen nicht verpflichtend sind, sollten Sie sich daran orientieren. Denn unsere derzeitigen Erfahrungen zeigen, dass viele Investoren die Einhaltung der TCFD-Empfehlungen fordern, selbst wenn die Regulierungsbehörden dies nicht tun.
Manager können die Initiative ergreifen und dem Vorstand verdeutlichen, dass Klima-orientierte Maßnahmen machbar sind.
Bei der Zusammenarbeit mit relevanten Kollegen können Risikomanager die TCFD-Empfehlungen nutzen, um den Klimaschutz in die Unternehmensstrategie einzubinden und über die Einhaltung der Empfehlungen hinaus strategische Chancen zu erkennen.
Die Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten, berichten uns, dass die TCFD-Empfehlungen viele interessante risikobezogene Diskussionen ausgelöst haben. Die Rolle der Risikomanager besteht nun darin, fundierte Analysen in diese Diskussionen einzubringen, tief in die Daten einzutauchen, um Verbesserungen zu ermöglichen und Fragen zu beantworten, wie alles mit dem Enterprise Risk Management zusammenpasst: Was unternimmt das Unternehmen aktuell, um unser Risiko optimal zu steuern? Was sollte künftig unterlassen werden?
Die Regelungen zur Offenlegung von Zahlen und Fakten rund um das Thema Klima bedeuten: Unternehmen brauchen Antworten auf Fragen zu ihren physischen und transitorischen Risiken, zu ihrer Unternehmensstrategie als Reaktion darauf und zu den quantifizierbaren Gründen für diese Entscheidungen.
Welcher andere Unternehmensbereich als das Risikomanagement ist besser in der Lage, diese Antworten zu finden und sie in die Verhandlungen mit den Kapital- und Versicherungsmärkten einfließen zu lassen?
Risikomanager sollten sicherstellen, dass ihre Organisationen mit den Märkten in Hinblick auf klimabezogene Risiken richtig verhandeln und noch besser verstehen, was Versicherer über die ESG-Strategie der Organisation wissen müssen, um die Risikofinanzierung zu optimieren.
Risikomanager können auf die Kombination von Hard- und Soft-Skills zurückgreifen, die sie möglicherweise bereits entwickelt haben, um sowohl klimawissenschaftliche Erkenntnisse in Modellen zur Kapitalallokation zu nutzen als auch alle organisatorischen Silos zu überwinden, um die benötigten Daten und Fakten zu erhalten.
Wir sind der Meinung, dass für Risikoexperten starke Argumente sprechen, den Übergang zu gestalten, und dass es ein berufliches und moralisches Gebot ist, dafür zu sorgen, dass dies auch weiterhin geschieht.
Dabei geht es nicht nur um interne Gespräche, sondern auch um die Zusammenarbeit mit den Versicherungsmärkten, damit Risiken, einschließlich solche, die mit dem Einsatz neuer Technologien verbunden sind, während des Übergangs versicherbar sind.
Wir hoffen, dass WTW hier eine gewisse Vorbildfunktion einnimmt – gerade auch mit unserer Arbeit an Climate Transition Pathways. Dieser Akkreditierungsrahmen bietet Versicherungsunternehmen und Finanzinstituten einen konsistenten Ansatz, um festzustellen, welche Organisationen über robuste, am Pariser Abkommen5 ausgerichtete Übergangspläne verfügen; er unterstützt ihre Rolle als Gestalter eines Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft.
Es liegt nun an den Risikomanagern, sich der Herausforderung des Klimarisikos zu stellen, um ihre Organisationen angesichts der zunehmenden Aufmerksamkeit der Versicherer für das Klimarisiko zu positionieren und Antworten auf das Klimarisiko von morgen zu finden.
Dazu gehört auch die Leitung von Arbeitsgruppen mit externen Stakeholdern, um Versicherungslösungen zu entwickeln, die wir für die neue Wirtschaftswelt benötigen. Der Wert von Risikoprofis für die Gesellschaft wird so neu definiert.
Gehen Sie über die Einhaltung von Vorschriften hinaus, um die strategischen Chancen zu erkennen.
Was werden Sie tun, um Verantwortung für den Dialog zum Klimaschutz zu übernehmen und Ihren Beitrag zum Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft und zu unserer nachhaltigen globalen Zukunft zu leisten?
Wenn Sie Unterstützung bei der Klimadiskussion oder der Quantifizierung der Risiken Ihres Unternehmens benötigen, freuen wir uns auf Ihre Nachricht.
1 https://www.reuters.com/business/sustainable-business/shell-directors-may-face-lawsuit-over-climate-transition-plans-2022-03-15/
2 https://www.fsb-tcfd.org/
3 https://www.gov.uk/government/news/uk-to-enshrine-mandatory-climate-disclosures-for-largest-companies-in-law
4 https://www.sec.gov/news/press-release/2022-46
5 https://www.un.org/en/climatechange/paris-agreement
Beteiligen Sie sich an der Klimadiskussion und leisten Sie Ihren Beitrag zum Wandel und zu unserer nachhaltigen globalen Zukunft.