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Artikel | Benefits Perspectives

Kreative bAV-Lösungen mit Mehrwert

Garantie in der bAV – die Kundenperspektive

13. September 2022

Garantie versus Rendite – Unternehmen nutzen ihren Gestaltungsfreiraum, um hier eine gute Balance zu finden.
Health and Benefits|Global Benefits Management|Retirement
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Das Thema Garantie in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) ist für Unternehmen eine individuelle Herausforderung, dabei kommt es vor allem darauf an, ob sie auf Produkte von Versicherern setzen oder auf eine kapitalmarktorientierte Direktzusage. Unterschiedliche Ansätze thematisiert ein Interview mit Dr. Johannes Heiniz, WTW, Nora Feicht, Essity, Claudia Feige, Roche Diagnostics und Marcus Wilhelm, Airbus.

Herr Dr. Heiniz, mit den Zinsen geht es nach Jahren wieder nach oben. Heißt das auch ein wenig back to the roots in Sachen Garantien?

Dr. Johannes Heiniz: Nein, wir leben in einer anderen Welt als vor der Niedrigzinsphase. Die Zinsmärkte sind volatil, und wir sind mit einer anziehenden Inflationsrate konfrontiert. Unser gesamtes Wirtschaftssystem, mit dem die bAV eng verknüpft ist, ist Schwankungen unterlegen wie lange nicht mehr.. Vormals bewährte Lösungen führen deshalb nicht weiter. Unternehmen brauchen jetzt kreative Ansätze, um ihren Mitarbeitenden auf einer wirtschaftlich tragbaren Basis eine attraktive bAV bieten zu können.

Welche Gestaltungsoptionen haben denn die Unternehmen mit Blick auf das Thema Garantien?

Dr. Johannes Heiniz: Sehr unterschiedliche. Entscheidend ist vor allem, ob sie Lösungen von Versicherern nutzen, wie Essity, oder auf eine kapitalmarktorientierte Direktzusage setzen wie Airbus oder Roche Diagnostics. Versicherer bieten nur noch Produkte mit abgesenkten Garantieniveaus, um erforderliche Spielräume in der Kapitalanlage nutzen zu können. Bei kapitalmarktorientierten Direktzusagen ist der mögliche Gestaltungsrahmen der Unternehmen zwar per se nicht reglementiert; doch auch hier gibt es natürlich Restriktionen wie die Risikopositionen der Unternehmen.

Frau Feicht, mit Essity sind Sie ja nach wie vor in der Versicherungswelt unterwegs. Mit den neuen Tarifen gehen jedoch auch neue Fragestellungen einher, mit denen sich Unternehmen befassen müssen

Nora Feicht: In der Tat. Aktuell diskutieren wir intensiv, wie wir am besten mit dem Thema Garantien in der tariflichen Entgeltumwandlung umgehen. Unser Versicherer bietet uns hier künftig drei Tarife mit Garantieniveaus von 60, 80 und 90 Prozent. Wir haben das Ganze mal genauer betrachtet: Der Unterschied zwischen 80 Prozent und 90 Prozent ist der zwischen sehr konservativ und angestaubt.

Meiner Meinung nach spricht deshalb viel für die 60-Prozent-Lösung mit einem überzeugenden Chancen-Risiko-Profil, und das für alle Altersgruppen, weil die Mittel differenziert angelegt und gemanagt werden. Aber natürlich ist ein solches Garantieniveau neu und kann auch nicht ergänzend durch den Arbeitgeber angehoben bzw. ausgeglichen werden, da dies schlicht systemwidrig wäre. Unser Gruppenvertrag läuft noch bis Ende 2022. Jetzt ist es an uns gemeinsam mit dem Betriebsrat eine gute Lösung zu finden, die für alle Seiten tragfähig ist.

Frau Feige, bei Roche sieht die Lage anders aus.

Claudia Feige: Ja, wir bieten bereits seit 2007 eine beitragsorientierte Leistungszusage als Direktzusage mit einem CTA. In den letzten beiden Jahren haben wir unseren Plan komplett überarbeitet, um ihn für unsere Mitarbeitenden noch attraktiver und für Roche noch besser planbar und weniger riskant zu machen. In der Anwartschaftsphase garantieren wir nach wie vor die einbezahlten Beiträge, aber wir haben unser Asset Management mit einer höheren Aktienquote komplett neu aufgestellt.

Wir bieten auch eine lebenslange Rente, bei einer garantierten jährlichen Anpassung von 1 Prozent. Um eine höhere Startrente zu sichern, nehmen wir mögliche Überschüsse zum Rentenbeginn vorweg. Im weiteren Verlauf gibt es hier natürlich Schwankungen. Um unsere Mitarbeitenden damit nicht zu verunsichern, bieten wir neben der garantierten Mindestrente als zusätzliche Leistung eine sogenannte Kapitalmarktprämie, deren Höhe, wie die des vertrauten Bonus, eben schwanken kann.

Dr. Johannes Heiniz: Ihre bAV wurde dieses Jahr mit dem Deutschen bAV-Preis ausgezeichnet, herzlichen Glückwunsch! Auch haben Ihre Wirtschaftsprüfer das Ganze als bilanzneutrale wertpapiergebundene Versorgungszusage bewertet. Das ist ein schöner Nebeneffekt. 

Apropos Bilanz- bzw. Finance-Perspektive – Herr Wilhelm, als Finanzexperte haben Sie bestimmt ein besonderes Auge auf das Thema Garantien. Wie gehen Sie bei Airbus damit um?

Marcus Wilhelm: Weil unser alter Pensionsplan wegen üppiger Garantiezinsen zu teuer wurde, haben wir einen neuen Plan entwickelt; seit 2018 gilt er für Neueintritte und seit 2019 für Alle, auch in Sachen Entgeltumwandlung. Unser Beitragsmodell sieht dabei vor, Beschäftigte, die unter der Beitragsbemessungsgrenze liegen, stärker zu fördern.

Zudem haben wir ein kollektives Zinsmodell eingeführt, um eine altersunabhängige chancenreiche Kapitalanlage zu ermöglichen. Wir haben so eine höhere Renditeerwartung als bei einem Lebenszyklusmodell. Und wir profitieren von einem geringen Risiko für Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, weil wir die Verzinsung glätten, die den Anspruchsberechtigten individuell gutgeschrieben wird. Schwankungen unserer Kapitalmarktanlage werden so über das Kollektiv auf ein Mindestmaß für Einzelne reduziert. Dies erhöht zugleich die Wahrscheinlichkeit dass die Einhaltung von individuellen Garantien ohne firmenseitige Nachschüsse sichergestellt werden kann. 

Bei den Auszahlungsoptionen hätten wir seitens Finance gewünscht, neben Einmalkapital nur lang gestreckte Raten anzubieten, die es ermöglichen, mit den Mitteln im Sinne ergänzender Raten weiter zu wirtschaften. Unserem Betriebsrat war jedoch auch die Rentenoption wichtig, die wir jetzt intern realisieren. Als Eckpunkte haben wir eine Garantieleistung vereinbart, die ein Schnapsglas über dem liegt, was Versicherer bieten, sowie eine Zusatzleistung, die -weil vorsichtig kalkuliert- etwas unterhalb der erwarteten Portfoliorendite liegt.

Dr. Johannes Heiniz: Bitte lassen Sie mich noch einen Punkt zum Thema Garantien etwas konkretisieren: Auf die einbezahlten Beiträge gewähren Sie zum einen eine Zinsgarantie von einem Prozent und zum anderen eine Garantie, die von der Inflationsrate abhängig ist.

Marcus Wilhelm: Ja, denn aus Sicht der Begünstigten ist letztlich die Kaufkraft entscheidend, d.h. nach Abzug der Inflationsrate. Eine nominale Garantie kann dagegen bei höheren Inflationsraten schnell an Wert verlieren. Unser Anlagemodell ist auch deshalb auf eine hohe Aktienquote ausgelegt, denn bei einem breit diversifizierten Aktienportfolio ist bei langem Anlagehorizont eine positive Realrendite zu erwarten. In Verbindung mit der kollektiven Sicherungsreserve können damit auch Inflationsspitzen ausgeglichen werden. Wichtig ist jedoch, dass wir diese Garantien endwertig geben, denn jährliche Garantien - wie bspw. bei Versicherern - würden den Vorteil des langen Anlagehorizonts zerstören. 

Herr Dr. Heiniz, die Inflation scheint also erst mal keine echte Herausforderung zu sein.

Dr. Johannes Heiniz: Zumindest nicht, wie Herr Wilhelm sagte, bei langen Anlagehorizonten, die natürlich auch die Versicherer haben. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei einer anhaltenden höheren Inflation ja auch die Gehälter und deshalb auch die Beiträge in die bAV steigen.

Nora Feicht: Wir stehen hier jedoch auch vor einer anderen Herausforderung. Wir bieten unseren Mitarbeitenden attraktive Kapitaloptionen. Dennoch wünschen sich die meisten Rentenzahlungen, die finanziell, zumindest wenn sie versicherungsbasiert sind, aber nicht wirklich attraktiv sind. Unsere attraktiven Kapitalleistungen müssen wir deshalb noch besser „verkaufen“.

Insgesamt geht es ja um eine komplexe Materie. Blicken die Mitarbeitenden da überhaupt noch durch?

Gerade die modernen Pläne sind in der Tat erklärungsbedürftig; eine umfassende Kommunikationsarbeit ist deshalb wichtig, damit die Mitarbeitenden den Wert ihrer bAV erkennen.”

Dr. Johannes Heiniz | Senior Director Retirement, Head of General Consulting Germany
Dr. Johannes Heiniz: Gerade die modernen Pläne sind in der Tat erklärungsbedürftig; eine umfassende Kommunikationsarbeit ist deshalb wichtig, damit die Mitarbeitenden den Wert ihrer bAV erkennen. Aber auch die Unternehmen müssen sich intensiv mit allen relevanten Aspekten befassen, etwa mit der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit reduzierter Garantieniveaus, mit bilanziellen Fragen und natürlich auch mit der Finanzierung der Langlebigkeit.

Aber wir sehen ja: Wenn Unternehmen etwas Kreativität in die Gestaltung ihrer Pläne stecken, können sie dem Sicherheitsbedürfnis ihrer Mitarbeitenden entsprechen und gleichzeitig ihre Risiken im Griff behalten.

 

Interviewteilnehmer


Nora Feicht
Pension Manager DE
Essity GmbH

Claudia Feige
People & Culture Reward Partner Benefits
Roche Diagnostics GmbH

Marcus Wilhelm
Leiter Corporate Pensions
Airbus

Senior Director Retirement, Head of General Consulting Germany

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