Frau Köhler, Sie begleiten ja auch regelmäßig M&A-Deals. Gibt es hier einen Trend, der aus HR-Sicht besonders spannend ist?
Ariane Köhler: Interessant ist etwa, dass sogenannte talent-based Deals zunehmen. Für den Käufer liegt deren Wert vor allem in den besonderen Skills und der Leistungskraft der Mitarbeitenden des Targets. Unternehmen suchen ja händeringend nach neuen Mitarbeitenden – und mit einem erfolgreichen talent-based Deal gewinnen sie gleich ein ganzes Team. In der Regel übernimmt dabei ein großes Unternehmen eine kleinere spezialisierte Firma oder Einheit.
Worauf kommt es bei einem solchen Deal an?
Ariane Köhler: Bei den meisten Transaktionen geht es in erster Linie um finanzielle und rechtliche Fragen. Zu kurz kommt dabei oft ein anderes entscheidendes Thema: die Unternehmenskultur, also allgemein gesagt die Frage, wie Menschen ihre Arbeitswelt erleben und wie sie gemeinsam produktiv sind. Gerade bei talent-based Deals sollte die Kultur jedoch im Fokus sein – und zwar so früh wie möglich. Die übernommenen Mitarbeitenden sollen sich mit ihrem neuen Arbeitgeber identifizieren und sich gut aufgehoben fühlen. Nur dann werden sie sich wie gewünscht engagieren und produktiv sein. Die Wirkung der Unternehmenskultur kann dabei nicht überschätzt werden.
Sehen Sie hier schon eine Best Practice?
Ariane Köhler: Ja, und zwar bei Serial Acquirers, die Übernahmen regelmäßig erfolgreich über die Bühne bringen. Sie wissen, in Anlehnung an ein bekanntes Statement: Culture eats a Transaction for Breakfast. Die Serial Acquirers nehmen deshalb die Kultur eines Targets in der Due-Diligence-Phase gründlich unter die Lupe. Dazu nutzen sie Fragebögen, führen Interviews mit dem Leadership-Team und sammeln Informationen via Glassdoor & Co. So machen sie sich ein Bild davon, wie die Kultur eines Targets aussieht und wo es problematische Punkte geben könnte.
Worum geht es dabei genau?
Ariane Köhler: Jeder Serial Acquirer hat hier seinen eigenen Ansatz. Auf Basis unserer umfassenden Erfahrung mit M&A-Transaktionen haben auch wir die Kulturthemen identifiziert, auf die frühzeitig geschaut werden sollte. Im Fokus sind dabei die Faktoren Mindset, Behaviors, Enablers und Experience.
Könnten Sie diese Faktoren bitte etwas erläutern?
Ariane Köhler: Also bei Mindset geht es um die Frage „Warum tun wir das, was wir tun?“ Mit Blick auf die Verknüpfung von Kultur und Strategie spielen hier Themen eine Rolle wie Purpose, Werte, strategische Prioritäten, Unternehmensvision und -mission, ethische Ansprüche oder auch Nachhaltigkeit im Sinne der ESG-Kriterien Umwelt, Soziales und Governance.
Das Mindset muss natürlich auch zum Ausdruck gebracht werden.
Ariane Köhler: Dies betrifft den Punkt Behaviors mit der Frage „Wie tun wir das, was wir tun?“ Im Blickpunkt ist hier die Effektivität des Top-Managements, der Führungskräfte und der Mitarbeitenden. Mit welchen Verhaltensweisen inspirieren wir einander? Wie verhält sich jeder einzelne? Und welches Verhalten zeigen wir gemeinsam?
Es geht also um klassische Kulturthemen?
Ariane Köhler: Nicht nur, es kommt auch darauf an, wie die Kultur durch konkrete HR-Aktivitäten und -Maßnahmen gestärkt wird. Hier kommt der Faktor Enablers ins Spiel: „Was unterstützt uns bei dem, was wir tun?“ Hier können wir an Themen denken wie Policies und Prozesse, Systeme und Tools, Organisationsdesign, Talent-Management, Total Rewards einschließlich Benefits und Arbeitsumfeld. Dies alles – Mindset, Behaviors und Enablers – wirkt sich auf die Experience aus, also darauf, wie Mitarbeitende, aber auch Dienstleister und Kunden die Kultur erleben.
Mit Ihren Analysen decken Sie also ein weites Feld ab.
Ariane Köhler: Genau, denn so sehen wir am besten, wo die Kulturen beider Unternehmen, in allen Facetten, miteinander harmonieren, und wo im Sinne einer reibungslosen Integration etwas getan werden muss. Welche Benefitsprogramme sollten etwa vom Target übernommen werden, um Mitarbeitenden den Wechsel zu erleichtern? Oder auf welche Weiterbildungsmöglichkeiten werden sie weiterhin Wert legen? Oft sind es übrigens die scheinbar kleinen Dinge wie ein Kaffeeautomat oder ein Tischkicker, die Mitarbeitende als bereichernd erleben.
Also kommt alles zur Sprache?
Ariane Köhler: Im Rahmen der Analyse, ja. Und in machen Dingen kann dann auf die Mitarbeitenden eines Targets zugegangen werden. Einige Dinge sind jedoch nicht verhandelbar, etwa die operativen Prozesse, die strategischen Prioritäten oder die Werte des übernehmenden Unternehmens. Unter dem Strich geht es stets um einen Kompromiss. Und eins ist sehr wichtig – den Mitarbeitenden eines Targets sollte nie erzählt werden: Für euch ändert sich nichts. Es wird sich für sie immer etwas ändern. Hier ist es entscheidend, dem bislang Gewohnten Respekt zu zollen und das Neue klar zu begründen.
Welche Rolle spielen dabei die Führungskräfte?