BFH vom 4.5.2022 – I R 19/18
Die sog. doppelte Treuhand hat sich als „Standard“ für die Ausfinanzierung und Insolvenzsicherung von bAV, Lebensarbeitszeitkonten und Altersteilzeit etabliert. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte mit den Grundsatzurteilen vom 18.7.2013 – 6 AZR 47/12 sowie vom 22.9.2020 – 3 AZR 303/18 ihre Insolvenzfestigkeit bejaht. Nun nahm der Bundesfinanzhof (BFH) zur Besteuerung einer solchen Konstruktion Stellung (4.5.2022 – I R 19/18). Zu klären war die Frage der Besteuerung von Kapitalerträgen eines eingetragenen Vereins (e.V.), welchem Treuhandvermögen zur Sicherung von Pensionsverpflichtungen übertragen worden war, nach Eintritt eines Sicherungsfalles im Sinne der Treuhandvereinbarung, also während der Sicherungsphase. Über das Vermögen der Treugeberin war zuvor ein Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Dem zu beurteilenden Sachverhalt lag ein „klassisches“ CTA-Modell auf Basis einer doppelseitigen Treuhand zugrunde. Bei diesen Modellen besteht sowohl eine Verwaltungstreuhand zwischen Treuhänder und Treugeber als auch eine Sicherungstreuhand, die zugunsten der gesicherten Versorgungsberechtigten wirkt.
Dem Treuhänder, vorliegend in der Rechtsform eines e.V., wird bei solchen Modellen zunächst von der Treugeberin, hier einer AG, Vermögen zum Zwecke der Verwaltung und Anlage in eigenem Namen übertragen, aber treuhänderisch für die Treugeberin (Verwaltungstreuhand) und nach deren Weisung.
Das – vom eigenen Vermögen des Treuhänders getrennt zu haltende – Treuhandvermögen (inkl. der darauf anfallenden Erträge) dient ausschließlich dem Zweck der Erfüllung von Pensionsverpflichtungen (im Rahmen von Erstattungszahlungen an die vorleistende Treugeberin) bzw. der Sicherung von Pensionsverpflichtungen im Sicherungsfall, der vorliegend durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der AG eingetreten war.
Auf der Basis eines echten Vertrages zu Gunsten Dritter im Sinne des § 328 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wird im Sicherungsfall den betroffenen Versorgungsberechtigten ein eigenständiger Anspruch gegen den Treuhänder auf Sicherung ihrer Versorgungsansprüche und -anwartschaften eingeräumt. Der Treuhänder ist in diesem Fall verpflichtet, das Vermögen in dieser Sicherungsphase weiterhin zu verwalten und treuhänderisch für die begünstigten Versorgungsberechtigten zu verwerten (rechtlich selbständige Sicherungstreuhand). Mit Eintritt des Sicherungsfalls endet die bisherige Verwaltungstreuhand zum Treugeber.
Der e.V. hatte keine eigenen Erwerbsinteressen und war ausschließlich auf Kostenerstattungsbasis tätig.
Im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) Düsseldorf (15.5.2018 – 6 K 357/15 K) wurde hauptsächlich die Frage erörtert, „… ob die Einnahmen des Klägers (des Treuhänders – Anm. d. Red.) aus Dividenden und sonstigen Kapitalforderungen … in den Streitjahren 2009 und 2010 (Anm.: diese Veranlagungszeiträume betreffen die Sicherungsphase) steuerfrei waren, weil der Kläger keine Einkünfteerzielungsabsicht hatte.“ Das FG Düsseldorf hat diese Frage verneint. Die relevanten Anhaltspunkte für eine Widerlegung der Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht würden im Streitfall fehlen; vielmehr hätte der Treuhänder erhebliche Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt.
Der BFH sieht dies als rechtsfehlerhaft an und hebt das Urteil des FG Düsseldorf auf (Urteil vom 4.5.2022 – I R 19/18). Der BFH setzt dabei nicht bei der Einkünfteerzielungsabsicht, sondern bei der Einkünfteerzielung an. Die Erzielung von Einkünften erfordere, dass die (zu Einkünften führenden) Einnahmen dem Steuerpflichtigen steuerrechtlich zuzurechnen sind. Dies wiederum erfordert die steuerrechtliche Zurechnung der Wirtschaftsgüter, mit denen diese Einnahmen erzielt werden.
Der BFH prüft dann, ob ein steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 Abgabenordnung (AO) vorliegt, als Voraussetzung dafür, dass die Wirtschaftsgüter nicht dem zivilrechtlichen Eigentümer (dem e.V. als Treuhänder), sondern dem Treugeber zuzurechnen sind.
Der BFH bejaht auf Basis des Treuhandvertrages das Vorliegen eines steuerrechtlich anzuerkennenden Treuhandverhältnisses auch nach Eintritt des Sicherungsfalls. Bei seiner Prüfung orientiert sich der BFH weitgehend an den Kriterien, die vom Bundesfinanzministerium (BMF) für eine Zurechnung zum Treugeber (allerdings nicht differenzierend zwischen der Verwaltungs- und Sicherungstreuhand) für erforderlich gehalten werden (s. hierzu unten):
Der BFH folgert aus dem im Streitfall vorliegenden steuerrechtlich anzuerkennenden Treuhandverhältnis, dass der Ansatz der Dividenden und sonstigen Kapitalforderungen als Einkünfte des e.V. aus Kapitalvermögen nicht in Betracht kommen, da ihm jene Einnahmen steuerrechtlich nicht zuzurechnen sind.
Die Zurechnung der Wirtschaftsgüter und der daraus erzielten Einkünfte in der Verwaltungsphase zum Treugeber kann als unstrittig angesehen werden; insbesondere auch, weil die Akteure sich in der Praxis an die Vorgaben der Finanzverwaltung (zuletzt BMF-Schreiben v. 19.5.2022, Rz. 156 f.) halten, die für die wirtschaftliche Zurechnung zum Treugeberunternehmen für das betreffende Treuhandvermögen zu erfüllen sind und wie folgt lauten:
Obwohl sich die Ausführungen der Finanzverwaltung auf CTA-Konstruktionen beziehen, wird seitens des BMF nicht zwischen den Phasen vor bzw. nach Eintritt eines Sicherungsfalles differenziert.
Dieses Thema hat der BFH nunmehr dahingehend entschieden, dass auch nach Eintritt des Sicherungsfalls weiterhin ein steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis vorliegen kann, mit der entsprechenden Zurechnungskonsequenz zum Treugeber. D. h. letztlich hat der BFH die Finanzverwaltung insoweit bestätigt, als zwischen den beiden Phasen vor und nach Eintritt eines Sicherungsfalles nicht zu unterscheiden sein dürfte.
Für die CTA-Praxis bedeutet dies im Kern Folgendes:
In den letzten 20 Jahren hat die Rechtsfigur der doppelseitigen Treuhand im Rahmen von Vorsorgelösungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung, von Zeitwertkonten im Rahmen von § 7e Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) sowie der Insolvenzsicherung von Altersteilzeit praktisch überragende Bedeutung gewonnen. Hierfür hat der BFH nun eine bedeutsame Frage entschieden und auch für die Abwicklung im Sicherungsfall nunmehr mehr Klarheit bezüglich der steuerlichen Behandlung sowie der geltenden Rahmenbedingungen geschaffen. Treugeber und Treuhänder sind gehalten, dies künftig geeignet umzusetzen.