Für die meisten von uns ist die Corona-Pandemie inzwischen nur noch eine unschöne Erinnerung. Vorbei scheint die Zeit der gesellschaftlichen Einschränkungen sowie der Nachrichten, die von Statistiken zu Neuinfizierten und Todesfällen überflutet werden. Wir reisen wieder, besuchen Konzerte, treffen Freunde in Restaurants und genießen das öffentliche Leben.
Doch mitten in dieser Phase der „Post-Covid“-Entspannung veröffentlicht das Statistische Bundesamt eine düstere Sterbestatistik für Deutschland: In den letzten Wochen des Jahres erreicht die Sterblichkeit ein unerwartetes Höchstniveau, das selbst die schlimmsten Monate der Pandemie übertrifft.
Schon seit dem Sommer ist eine erhöhte Sterblichkeitsrate zu beobachten. Doch diese Rate ist im Dezember nochmals signifikant angestiegen auf eine durchschnittliche Übersterblichkeit von 30 bis 40 Prozent (violette Kurve). Dieser Ansprung ist unerwartet, denn normalerweise wurden solche Ausreißer, z.B. aufgrund von besonders schweren Grippewellen, in der Vergangenheit erst in den Monaten Februar oder März beobachtet.
Auffällig ist außerdem, dass Deutschland auch im europäischen Vergleich die höchste Sterberate im Dezember aufweist – und das teils mit erheblichem Abstand. Lediglich in England herrscht eine ähnliche Situation vor. Andere Länder, wie Frankreich oder die Niederlande, vermelden zwar ebenfalls eine erhöhte Sterblichkeit, allerdings nicht im gleichen Ausmaß. Zudem gibt es eine Reihe von Staaten, die keinerlei Besonderheiten im Dezember beobachten, wie z.B. Irland oder Zypern. Was also ist der Grund für das massiv hohe Übersterblichkeitsniveau hierzulande?
Bislang wurden noch keine detaillierten Analysen veröffentlicht, die das Phänomen der hohen Übersterblichkeit in Deutschland vollständig erklären würden. Erste Untersuchungen im Sommer des letzten Jahres zeigen jedoch, dass die überdurchschnittliche Sterberate auf viele der „typischen“ Todesursachen zurückzuführen ist. Covid-19 spielte in diesem Kontext sogar eher eine untergordnete Rolle. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass Covid-19 in der Todesfallstatistik häufig unterschätzt wird aufgrund der hohen Anzahl an nicht-registrierten Fällen. Doch selbst eine Verdoppelung aller Corona-bedingten Todesfälle hat keine wesentliche Auswirkung auf das Gesamtbild. Es kann also davon ausgegangen werden, dass Covid-19 nicht der alleinige Auslöser ist. Was also sind die zusätzlichen Faktoren?
Das Phänomen der hohen Übersterblichkeit ist somit mutmaßlich nicht nur auf eine, sondern auf mehrere Ursachen zurückzuführen. Im Wesentlichen scheint es jedoch eine Kombination aus einer frühen Grippewelle und den Überbleibseln der Corona-Pandemie zu sein.
Im Jahresdurchschnitt betrug die Übersterblichkeit zehn bis 15 Prozent und dürfte für die versicherte Bevölkerung sogar noch etwas geringer ausfallen. Daher sind, ähnlich wie in 2021, keine wesentlichen Auswirkungen auf die Lebensversicherungsbranche zu erwarten. Dennoch bleibt zum jetzigen Zeitpunkt offen, ob es sich bei der hohen Übersterblichkeit im Dezember im Rückblick um ein einmaliges Phänomen handelt oder ob uns derart schwere Grippewellen zukünftig öfter und auch außerhalb der Saison ereilen. Weiterhin unklar ist darüber hinaus, welche Folgen Long Covid langfristig für das Gesundheitssystem haben wird.