Wirtschafts- und Zinsentwicklung sind auch für 2023 nur schwer vorhersehbar – zu unsicher sind die zahlreichen Einflussfaktoren, allen voran die Geschehnisse in der Ukraine und eine mögliche weitere Eskalation. Auch die weitere Entwicklung der mit dem Konflikt verknüpften Energiekrise und die sich daraus ergebenden Reaktionen der deutschen und europäischen Politik sind uns heute noch nicht bekannt. Aber sie werden darüber entscheiden, wie sich das Inflationsgeschehen weiterentwickelt.
Die Inflationsraten der vergangenen Jahre, die seit Februar letzten Jahres sprunghaft angestiegen sind, haben sich bereits vielfach auf die Versicherungsprämien ausgewirkt. So führten die Preissteigerungen bei Rohstoffen und Löhnen auch zu einer Verteuerung von Gebäuden und Anlagen; Materialmangel verzögert und verteuert die Reparatur von Schäden, und gestörte Lieferketten ziehen Betriebsunterbrechungen in die Länge.
All dies führte 2022 zu Prämienerhöhungen – ein mögliches Anhalten der Inflation wird diesen Trend weiter verschärfen. Laut der führenden deutschen Wirtschaftsinstitute ist die Spitze des Inflationsgeschehens Anfang 2023 noch nicht erreicht. Einige Experten prognostizieren sogar eine Stagflation, bei der das Wachstum stagniert und die Preise hoch bleiben. Gleich welcher Art, wird es im laufenden Jahr höchstwahrscheinlich zu einem Konjunkturrückgang kommen.
Eine Rezession träfe Unternehmen, Versicherer und Rückversicherer gleichermaßen. In der Industrieversicherung sind insbesondere die umsatzabhängigen Versicherungspolicen wie eine Haftpflicht-, Transport oder die Financial-Lines-Versicherungen von einer Konjunkturabschwächung unmittelbar betroffen. Wenn der Umsatz rückläufig ist, verringert sich auch die Prämienberechnungsgrundlage und folglich ergibt sich eine Prämienreduzierung. Zugleich besteht gerade hier aber die Gefahr, dass sich Schäden häufen – bedingt durch die schlechte wirtschaftliche Entwicklung. Auch der Bedarf an Kapazitäten könnte im Zuge einer Rezession wieder sinken.
Wie wird der Versicherungsmarkt auf das Rezessionsrisiko und die Ungewissheit über die Mischung aus Wachstum und Inflation reagieren? Ist mit einer weichen Marktphase zu rechnen? Im Nebel fährt es sich am besten „auf Sicht“ – übersetzt könnte dies heißen: Nachdem nun nach einigen Jahren die Anbieter in vielen Versicherungssparten das Prämienniveau durch entsprechende Maßnahmen erhöhten, sollte mit einer Rezession ein automatisches Absinken des Prämienniveaus nicht zu rechnen sein. Hier wird der Versicherungsmarkt, auch aufgrund der eigenen gestiegenen Kosten, Gegenarbeiten, um ein gewisses Prämienniveau zu halten. Dabei sind zunehmend die Vereinbarung von Mindestprämien oder auch eine Anpassung der Prämiensätze denkbar, um sich gegen den Prämieneinbruch abzusichern und aus Sicht der Versicherer profitabel zu bleiben.
Vorausschauendes Handeln bildet den Kern des heutigen Risikomanagements. Als Wirtschaftsgemeinschaft haben wir sicherlich eines aus den Krisen der vergangenen Jahre gelernt: Wir haben nur selten – politisch oder wirtschaftlich – den Worst Case ernsthaft angenommen und dessen Folgen ausreichend durchdacht. Nach Corona-Pandemie, Kriegsbeginn in Europa und Inflation wissen wir: Unternehmen müssen und können neu aufkommende Risiken stärker antizipieren und Vorkehrungen treffen. In der neuen komplexen Risikolandschaft geht es nicht nur um den traditionellen Risikotransfer mittels Versicherungen.
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MarktSpot 2023 – Ausblick | 3 MB |