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Artikel | Benefits Perspectives

Rente, Betriebsrente und Arbeitsentgelt gleichzeitig beziehen?

Neue Hinzuverdienstgrenzen in der GRV – Folgen für bAV und ZWK

Von Henning Rihn und Markus Stein | 17. April 2023

Die Hinzuverdienstgrenzen in der GRV wurden neu geregelt. Dies zieht neue, ggf. regelungsbedürftige Konstellationen für bAV, Übergangsmodelle und Zeitwertkonten nach sich.
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Das weitgehend zum 1.1.2023 in Kraft getretene „8. Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ vom 20.12.2022 (im Folgenden 8. SGB IV-Änderungsgesetz) enthält insbesondere die folgenden Änderungen zu den Hinzuverdienstgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV).

Flexible Übergänge zwischen Erwerbsleben und Ruhestand

Die bisherige Hinzuverdienstgrenze für vorgezogene Altersrenten fällt ab dem 1.1.2023 vollständig weg. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll mit der Abschaffung der Hinzuverdienstgrenze bei Altersrenten die volle Flexibilität für den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand geschaffen werden.

Für Erwerbsminderungsrenten werden die Hinzuverdienstgrenzen ab dem 1.1.2023 deutlich angehoben. Dies soll erwerbsgeminderten Menschen eine Brücke zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bauen.

Damit wird in der Praxis wahrscheinlicher, dass Mitarbeitende weiterhin in einem Arbeitsverhältnis bei ihrem Arbeitgeber stehen und gleichzeitig eine vorgezogene gesetzliche Altersrente als Vollrente beziehen. Es ist zu erwarten, dass Mitarbeiter in diesen Fällen auch vermehrt nach einem Beginn der Betriebsrente (bAV) fragen werden bzw. ggf. der Bezug der vorgezogenen gesetzlichen Altersrente mit einer Freistellungsvergütung aufgrund eines Zeitwertkontos zusammentrifft.

Betriebliche Altersversorgung ohne vorherige Beendigung des Arbeitsverhältnisses?

Der Gesetzgeber hat dies zwar in der gesetzlichen Anspruchsgrundlage für vorzeitige betriebliche Altersleistungen in § 6 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) nachvollzogen. Die Anspruchsvoraussetzung der Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente als Vollrente kann nun nicht mehr infolge des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen ausgeschlossen sein. Eine materielle Änderung ist damit nicht verbunden. Insbesondere tritt damit nicht automatisch die Situation ein, dass der Mitarbeitende bei Bezug einer vorgezogenen gesetzlichen Altersrente auch gleichzeitig einen Anspruch auf eine vorzeitige betriebliche Altersleistung hat.

Regelmäßig keine zeitgleiche vorzeitige betriebliche Altersleistung

Entscheidend ist vielmehr die konkrete Ausgestaltung der Versorgungsregelung.

  • Regelmäßig ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Leistungsvoraussetzung für einen Anspruch auf eine vorzeitige betriebliche Altersleistung.
  • Manchmal finden sich auch Bestimmungen, die vorsehen, dass anderweitige Einkünfte auf die vorzeitige betriebliche Altersleistung angerechnet werden.

Selbst wenn sich aus der Versorgungsregelung ein grundsätzlicher Anspruch herleiten lässt, ergeben sich Folgefragen, etwa zu Anwartschaftssteigerungen während des gleichzeitigen Bezugs der betrieblichen Altersleistung.

Fachkräftemangel – Gestaltungsspielraum erhalten

Eine spezifische Konstellation könnte zudem der Wunsch der Mitarbeitenden sein, nach 45 Jahren Wartezeit und spätestens nach dem Erreichen des 65. Lebensjahres eine abschlagsfreie gesetzliche Altersrente für besonders langjährig Versicherte sowie eine Betriebsrente zu beziehen. In Zeiten des Fachkräftemangels kollidiert dies möglicherweise mit dem Bestreben der Arbeitgeber, Mitarbeitende möglichst lange, ggf. auf Teilzeitbasis, im Unternehmen zu halten. Eine Änderung der betrieblichen Versorgungszusage dahingehend, die Zahlung einer betrieblichen Altersleistung nicht mehr an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu knüpfen, könnte sich in solchen Konstellationen ggf. als vorteilhaft für beide Parteien herausstellen.

Steuerrechtlich stellt die Finanzverwaltung für das Vorliegen einer betrieblichen Altersleistung auf das Erreichen des Mindestalters 60 bzw. 62 (für ab dem Jahr 2012 erteilte Zusagen) ab. Die gleichzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist insofern nicht erforderlich (vgl. BMF-Schreiben vom 12.8.2021, Rn. 3 in der Fassung der Aktualisierung durch das BMF-Schreiben vom 18.3.2022).

Speziell Pensionskassen haben aufsichtsrechtlich den Zweck der Absicherung wegfallenden Erwerbseinkommens und dürfen Leistungen grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt des Wegfalls des Erwerbseinkommens vorsehen (§ 232 Abs 1 Versicherungsaufsichtsgesetz – VAG).

Zeitwertkontenfreistellung und Altersrentenbezug als Gestaltungsoption?

Übergangsmodelle vor dem Ruhestand (insbesondere Zeitwertkonten) können dann betroffen sein, wenn bereits während ihrer Laufzeit Anspruch auf eine vorgezogene gesetzliche Altersrente besteht. In der Praxis dürfte sich u. a. verstärkt die Frage stellen, ob der Mitarbeitende neben der vorgezogenen gesetzlichen Altersrente Arbeitsentgelt aus einem Zeitwertkonto bei vollständiger oder teilweiser Freistellung von der Arbeitsleistung vor dem Ruhestand beziehen kann. Aus rechtlicher Sicht scheint dem nichts entgegenzustehen. § 7c Abs. 1 Nr. 2 SGB IV enthält nach seinem eindeutigen Wortlaut („insbesondere“) keine Begrenzung der zulässigen Freistellungszwecke auf bezahlte Freistellungen vor dem Ruhestand. Letztlich geht es auch insoweit nur um den Bezug von Arbeitsentgelt, wenn auch aus einem Zeitwertkonto. Dieser rechtlich überzeugende Ansatz, der auch vom Fachkreis Arbeits- und Sozialversicherungsrecht der Arbeitsgemeinschaft Zeitwertkonten (AG ZWK) vertreten wird, ist jedoch sehr umstritten.

Die bisherige Praxis der Deutsche Rentenversicherung Bund (DRVB) geht in diesen Fällen vom Eintritt eines Störfalls mit der Folge der vollständigen Auszahlung des gesamten Zeitwertkontos aus. Bislang gibt es keine offiziellen Verlautbarungen dazu, dass die DRVB von dieser Praxis abweicht, sodass diese in solchen Fällen bedacht werden sollte.

Hinweise für die Praxis

Bestehende betriebliche Versorgungsregelungen sollten vor dem Hintergrund des (teilweisen) Wegfalls der Hinzuverdienstgrenzen im Hinblick darauf analysiert werden, ob sich ggf. nicht gewünschte oder regelungsbedürftige Konstellationen ergeben und eine Anpassung der Versorgungszusage in Betracht zu ziehen ist.

Bei Übergangsmodellen (insbesondere Zeitwertkonten) können verstärkt Konstellationen eines parallelen Bezugs von Übergangsleistungen und vorgezogener gesetzlicher Altersrente in den Fokus rücken. Es empfiehlt sich eine sorgfältige Analyse unter Berücksichtigung sozialversicherungsrechtlicher und ggf. steuerlicher Aspekte.

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