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Artikel | Benefits Perspectives

BFH – Begrenzter Einfluss des Arbeitsrechts auf steuerliche Rückstellungen

9. Mai 2023

In einer Pensionszusage enthaltene Vorbehalte können die Bildung einer Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz vereiteln. Allerdings sind diesbezüglich nicht alle Vorbehalte gleich.
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Aktuelle BFH-Entscheidung zu dieser Thematik

In einem jüngst vom BFH zu dieser Thematik entschiedenen Fall (v. 6.12.2022 – IV R 21/19, veröffentlicht am 16.3.2023) ging es um eine „unmittelbare Versorgungszusage in Form einer beitragsorientierten Leistungszusage gegen Entgeltumwandlung“. Die Höhe der Versorgungsleistung ergab sich im vom BFH entschiedenen Fall aus sog. Versorgungsbausteinen, die aus einer "Transformationstabelle" (beruhend auf einer dort nicht genannten mathematischen Formel, unter Berücksichtigung einer Verzinsung und biometrischer Faktoren) abgeleitet werden.

Die Zusage enthielt folgenden Vorbehalt: "Die vorstehende Transformationstabelle und der … genannte Zinssatz können seitens 'der Firma' einseitig durch eine nachfolgende Transformationstabelle … ersetzt werden; dabei ist das in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG normierte Gebot der Wertgleichheit zu beachten. Die Ersetzung ist erstmals möglich mit Ablauf des 31.12.2007. [Sie hat] … auch Wirkung für bereits bestehende, über den 31.12.2007 hinausgehende Entgeltumwandlungsvereinbarungen. Der nachfolgende Zinssatz und die nachfolgende Transformationstabelle sind Grundlage aller Versorgungsbausteine, die zum Zeitpunkt der Ersetzung noch nicht zugeteilt wurden. Soweit Versorgungsbausteine bereits zugeteilt wurden, sind der zum Zeitpunkt ihrer Zuteilung geltende Zinssatz sowie die zum Zeitpunkt ihrer Zuteilung geltende Transformationstabelle maßgeblich.“

Problematisch waren somit die sog. „Dauerentgeltumwandlungen“, d.h. zum Bilanzstichtag bereits vereinbarte Entgeltumwandlungen für zukünftige Jahre, für die noch kein Versorgungsbaustein zugeteilt worden war. Entgeltumwandlungen, die bis zum Bilanzstichtag durchgeführt worden waren, waren hingegen unproblematisch, da der Versorgungsbaustein hierfür bereits – unveränderbar – zugeteilt worden war.

Strittig war nun, ob die Möglichkeit des Arbeitgebers, die Transformationstabelle einseitig ersetzen zu können, einen schädlichen Vorbehalt im Sinne des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG darstellt. Neben weiteren Erfordernissen setzt die Bildung einer Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz nämlich voraus, dass „die Pensionszusage … keinen Vorbehalt enthält, dass die Pensionsanwartschaft oder die Pensionsleistung gemindert oder entzogen werden kann, oder ein solcher Vorbehalt sich nur auf Tatbestände erstreckt, bei deren Vorliegen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter Beachtung billigen Ermessens eine Minderung oder ein Entzug der Pensionsanwartschaft oder der Pensionsleistung zulässig ist, …“.

Der BFH nimmt in seinen Ausführungen Bezug auf die Gesetzesbegründung zum § 6a EStG in der Fassung des BetrAVG 1974; mit diesem Gesetz war die Vorbehaltsthematik in § 6a EStG eingeführt worden. Ein Vorbehalt ist danach dann unschädlich im Hinblick auf die Rückstellungsbildung, wenn er sich nur auf Tatbestände erstreckt, bei deren Vorliegen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter Beachtung billigen Ermessens, d.h. unter verständiger Abwägung der berechtigten Interessen des Pensionsberechtigten einerseits und des Unternehmens andererseits, eine Minderung oder ein Entzug der Pensionsanwartschaft oder der Pensionsleistung zulässig ist (BT-Drucks. 7/1281, S. 38). Andere Vorbehalte, insbesondere ein Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs der Pensionszusage oder sonstige Vorbehalte, die den Widerruf nach freiem Belieben zulassen, sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 7/1281, S. 38) die Bildung einer Pensionsrückstellung mit steuerlicher Wirkung ausschließen.

Der BFH hat dies nun im zu entscheidenden Fall weiter konkretisiert: „Enthält eine Pensionszusage einen Vorbehalt, demzufolge die Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gemindert oder entzogen werden kann, ist die Bildung einer Pensionsrückstellung steuerrechtlich nur zulässig, wenn der Vorbehalt positiv – d.h. ausdrücklich – einen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten, eng begrenzten Tatbestand normiert, der nur ausnahmsweise eine Minderung oder einen Entzug der Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gestattet.“

Einen solchen zulässigen Vorbehalt vermag der BFH in dem einseitigen Recht des Arbeitgebers, die Transformationstabelle zu ändern, nicht zu erkennen. Nach Auffassung des BFH handelt es sich um einen Vorbehalt, den der Arbeitgeber nach freiem Ermessen ausüben kann. Der in der Zusage enthaltene Hinweis, dass das in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG normierte Gebot der Wertgleichheit zu beachten sei, steht nach Auffassung des BFH dieser Würdigung nicht entgegen.

En passant erteilt der BFH noch einer in der Literatur vertretenen Auffassung, wonach sämtliche Widerrufsvorbehalte – d.h. auch die nach freiem Ermessen ausübbaren – steuerunschädlich seien, weil nach der aktuellen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung Widerrufsvorbehalte nur noch nach billigem Ermessen zulässig und damit die Voraussetzungen des aus diesem Grund auch überflüssigen § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG für die Bildung einer Pensionsrückstellung stets zu bejahen seien, eine Absage.

Anmerkungen zur Entscheidung

Der BFH hat die Formulierung in der Zusage „Die vorstehende Transformationstabelle und der … genannte Zinssatz können seitens 'der Firma' einseitig durch eine nachfolgende Transformationstabelle … ersetzt werden“ als freie Ermessensentscheidung eingestuft. Dies steht nicht ohne Weiteres im Einklang mit der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung. So führt das BAG im Urteil v. 14.05.2019 (3 AZR 150/17, Rn. 27) im Kontext von Tarifverträgen aus, dass die Einräumung solch freien Ermessens zwar auch dem systematischen Zusammenhang tariflicher Normen entnommen werden könne. Ansonsten entspräche es jedoch dem üblichen Tarifverständnis, dass durch die Verwendung des Begriffs „kann“ eine Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen eröffnet wird. Das BAG hält insoweit bezüglich des Arbeitsrechts als „Standard“ fest: „Die Formulierung „kann“ stellt die Standardformulierung bei Einräumung von Ermessensspielräumen dar und begründet typischerweise Zweifel iSd § 315 Abs. 1 BGB (vgl. etwa BAG 31. 07.2014 – 6 AZR 822/12 – Rn. 12 mwN, BAGE 148, 381).“

Leider musste sich der BFH zudem nicht zur Höhe der zulässigen Rückstellung äußern, da diese vorliegend nicht streitig war. Damit bleibt offen, ob zukünftige Entgeltumwandlungen bei der Ermittlung des Teilwerts außen vor zu bleiben haben. Das Finanzamt hatte nämlich argumentiert, dass die Höhe der gebildeten Rückstellungen zu einem überwiegenden Teil auf nicht rückstellungsfähigen zukünftigen Arbeitslohn entfielen. Zur Passivierung seien nur die Barwerte der stichtagsbezogen tatsächlich erfolgten Umwandungen zuzulassen. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden; so definiert § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 EStG bei der Entgeltumwandlung die Rückstellungshöhe als Maximum aus dem Teilwert der erreichbaren Leistungen (unter Berücksichtigung der vereinbarten zukünftigen Entgeltumwandlungen) und dem Barwert der unverfallbaren Anwartschaft zum Bilanzstichtag.

Beachtenswert ist außerdem die Bestätigung des BFH-Urteils (vom 19.8.1998, I R 92/95) zum Übertragungsvorbehalt. Der BFH hatte entschieden, der Arbeitgeber habe auch im Falle einer Vereinbarung, nach Eintritt des Versorgungsfalls die Pensionsverpflichtung aufzuheben und auf eine Unterstützungskasse zu übertragen, bis zum Eintritt des Versorgungsfalls wegen einer bestehenden unmittelbaren Verpflichtung eine Pensionsrückstellung zu bilden. Die Finanzverwaltung ist dieser Entscheidung mit einem nach wie vor in der aktuellen Positivliste der gültigen BMF-Schreiben enthaltenen Nichtanwendungserlass entgegengetreten. Durch eine erneute Bestätigung der Rechtsprechung stellt sich die Frage, ob die Finanzverwaltung an dieser Auffassung festhalten kann.

Praktische Relevanz der Entscheidung

Die Entscheidung des BFH, deren Veröffentlichung seitens der Finanzverwaltung im Bundessteuerblatt vorgesehen ist, hat logischerweise praktische Relevanz für Arbeitgeber mit analogen Zusagen, d.h. mit beitragsorientierten Leistungszusagen, bei denen dem Arbeitgeber eine „einseitige“ Änderung der Transformationstabelle möglich ist. Zusagen mit einer solchen Formulierung bedürfen einer rechtlichen Überprüfung, weil sie dem Arbeitgeber nach Auffassung des BFH ein „freies Ermessen“ bezüglich einer Änderung der Pensionszusage einräumt.

Fraglich ist, ob der Leitsatz der Entscheidung (zudem in Rn. 30 und Rn. 32 wiederholt), wonach die Bildung einer Pensionsrückstellung steuerrechtlich nur zulässig ist, „wenn der Vorbehalt positiv – d.h. ausdrücklich – einen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten, eng begrenzten Tatbestand normiert, der nur ausnahmsweise eine Minderung oder einen Entzug der Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gestattet“, zu einem Überdenken der Verwendung von Vorbehalten in Zusagen führen muss. Bislang hat man sich hinsichtlich der Vorbehalte an den EStR der Finanzverwaltung orientiert. In R 6a Abs. 3 und Abs. 6 EStR sind schädliche Vorbehalte aufgelistet, Abs. 4 enthält die unschädlichen Vorbehalte und Abs. 5 Sonderfälle, die nur in bestimmten Fällen als unschädlich anzusehen sind. Ist diese Klassifizierung zukünftig aufzugeben und stattdessen zu prüfen, ob ein nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannter, eng begrenzter Tatbestand normiert wird, der ausnahmsweise eine Minderung oder einen Entzug der Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gestattet? Insofern kann zumindest gewisse „Entwarnung“ gegeben werden: Für die in den EStR enthaltenen unschädlichen Vorbehalte gilt ein Vertrauensschutz zugunsten der Steuerpflichtigen; auch dann, wenn einzelne Vorbehalte nicht ausdrücklich einen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten, eng begrenzten Tatbestand normieren sollten, der nur ausnahmsweise eine Minderung oder einen Entzug der Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gestattet.

Zudem führt der BFH an einer anderen Stelle (Rn. 33) im Urteil aus, dass es auch für die Finanzverwaltung im Regelfall nicht einfach sei, zu überprüfen, ob es sich bei einem Vorbehalt um einen schädlichen oder um einen unschädlichen Vorbehalt handelt; das Steuerverfahren solle deshalb von arbeitsrechtlich schwierigen bzw. ungeklärten Fragen freigehalten werden. Festzuhalten bleibt, dass bei Direktzusagen im Bereich der Formulierung von „Vorbehalten“ sehr sorgfältig zu formulieren ist, um nicht allein bereits durch das Einräumen „freien Ermessens“ an den Arbeitgeber die Steuerschädlichkeit eines Vorbehalts zu erzeugen.


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