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Artikel

Die Reform der Pflegeversicherung und die bAV-Administration

25. Mai 2023

Das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz stellt die bAV-Verwaltung vor neue Herausforderungen.
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Die Reform sieht vor, dass der allgemeine Beitragssatz zur Pflegeversicherung mit Wirkung zum 1. Juli 2023 angehoben wird und eine Differenzierung der Beitragssätze nach Anzahl der Kinder während der Erziehungsphase erfolgt. Versorgungsträger müssen sich darauf vorbereiten, diese Reform kurzfristig umzusetzen. Zudem ist von einem hohen Kommunikationsbedarf gegenüber den Leistungsempfängern auszugehen.

Die Reform ist beschlossene Sache

Die Bundesregierung hat im Kabinett das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) beschlossen (siehe Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 5. April 2023). Mit dieser Reform wird der allgemeine Beitragssatz zur Pflegeversicherung mit Wirkung zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpunkte angehoben.

Zusätzlich fordert dieser Gesetzesentwurf eine Differenzierung des Beitragssatzes nach der Kinderanzahl als Folge der Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022. Diese Differenzierung erfolgt durch die unterschiedliche Behandlung von Kinderlosen und Eltern, indem Kinderlose einen Beitragssatz von 4,00 Prozent und Eltern einen um 0,6 Beitragspunkte geringeren Satz in Höhe von 3,40 Prozent zahlen. Darüber hinaus erhalten Eltern während der Erziehungsphase bis zum 25. Lebensjahr weitere Abschläge in Abhängigkeit der Anzahl ihrer Kinder. Die folgende Tabelle fasst die gestaffelten Beitragssätze zusammen:

(#%) Arbeitnehmeranteil; der Arbeitgeberanteil beträgt immer 1,70 %
 Während der Erziehungsphase:
Mitglieder Beitragssatz Kinderanzahl Zusätzlicher Abschlag vom Beitragssatz in Höhe von 3,40 % Resultierender Beitragssatz
Ohne Kinder 4,00 %
(2,30 %)
 

Mit Kindern

3,40 %
(1,70 %)
 
 

1 0,00 % 3,40 % (1,70 %)
 20,25 %3,15 % (1,45 %)
 30,50 %2,90 % (1,20 %)
 40,75 %2,65 % (0,95 %)
 5 und mehr1,00 %2,40 % (0,70 %)


Zudem soll die Bundesregierung dazu ermächtigt werden, den Beitragssatz künftig durch eine Rechtsverordnung festzusetzen, um kurzfristig auf einen anstehenden Finanzierungsbedarf reagieren zu können.

Für die bAV-Verwaltung ergibt sich ein deutlicher Anpassungsbedarf

Die Umsetzung der beschlossenen Reform bedeutet für die Versorgungsträger der betrieblichen Altersversorgung (bAV) als beitragsabführende Stellen einen deutlichen Anpassungsbedarf. Auf Basis des veröffentlichten Entwurfs der Bundesregierung ergeben sich folgende Handlungspunkte:


  1. 01

    Umstellung der Beitragssystematik 

    Seit dem 1. Januar 2005 wird mit der Einführung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) die Elterneigenschaft bei Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung berücksichtigt, indem Kinderlose einen Beitragszuschlag bezahlen. Insofern liegen die Informationen über die Elterneigenschaften aller beitragspflichten Leistungsempfänger vor.

    Mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz wird die Systematik für die Beitragsfestsetzung grundlegend geändert. Zukünftig reicht es nicht mehr, nur das Merkmal der Elterneigenschaft (zum Beispiel kinderlos: ja/nein) vorzuhalten und zu pflegen. Die Anzahl der Kinder und die jeweiligen Erziehungszeiten sind relevant und müssen nachgehalten werden, sofern sich daraus eine Reduzierung des Beitragssatzes ergibt. In der Praxis werden die Abrechnungssysteme wohl auf Basis der Geburtsdaten der Kinder den korrekten Beitragssatz ermitteln. Es entstehen also neue Verwaltungsobjekte. Auch wenn die Anzahl der betroffenen Leistungsempfänger mit Kindern in der Erziehungsphase gering sein dürfte, ist eine gesetzeskonforme Umsetzung aufwändig. Die Nacherfassung der Anzahl der Kinder in der Erziehungsphase muss erfolgen und nachgehalten werden. Analog gilt dies auch für zukünftige Leistungsempfänger.

    Infolge der demografischen Entwicklung kann davon ausgegangen werden, dass die Beitragssätze häufiger angepasst werden müssen. Zudem muss man damit rechnen, dass diese Anpassungen mit kurzer Vorlauffrist erfolgen werden, da dies zukünftig über eine Rechtsverordnung festgesetzt werden kann.


  2. 02

    Nachweise

    Eine besondere Herausforderung für die bAV-Administration sind Verfahren, die nur teilweise (oder nicht) digitalisiert sind. Hierzu zählen beispielsweise Nachweisverfahren, die in Deutschland häufig dezentral abgebildet werden.

    Im Rahmen der anstehenden Reform muss die bAV-Administration sicherstellen, dass Leistungsempfänger nicht nur die Elterneigenschaft nachweisen. Sofern weitere Abschläge vom Beitragssatz in Frage kommen, müssen die Geburtsurkunden aller Kinder oder alternative Nachweise (Eltern- oder Kindergeldbescheid, Vaterschaftsanerkennungsurkunde, Familienbücher, Nachweise über Adoptionen etc.) erbracht werden. Der Administrator ist verpflichtet, die Nachweise einzufordern und zu kontrollieren. Dies wird den Aufwand der Abrechnung dauerhaft erhöhen, bis ein zentrales (digitales) Verfahren eingeführt wird.


  3. 03

    Zeitliche Dimension

    Der Beschluss der Bundesregierung sieht eine Umsetzung der Erhöhung der Beitragssätze mit Wirkung zum 1. Juli 2023 vor. Sobald das Gesetz in Kraft tritt, ist mit einem sehr engen Umsetzungszeitraum zu rechnen.

    Die technische Umsetzung in den Abrechnungssystemen zu diesem Stichtag ist im Lichte der aktuell noch ausstehenden Verabschiedung des Gesetzes nicht besonders wahrscheinlich. Eine zeitlich dem Abrechnungsmonat Juli nachgelagerte Umsetzung führt automatisch zu Rückrechnungen. Für die Versorgungsempfänger verändert sich also mehrfach die Nettoauszahlung, was für viele Betroffene erklärungsbedürftig sein wird. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass ein digitales Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der Kinder bis spätestens zum 1. Juli 2023 zu entwickeln ist. Das ist ein sehr begrüßenswerter Ansatz. Mit einer zügigen Umsetzung ist jedoch leider nicht zu rechnen. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 12. Mai 2023 darum gebeten, die Übergangsfrist für die Erstattung der zu viel abgeführten Beiträge vom 31. Dezember 2024 auf den 30. Juni 2025 zu verlängern. Damit soll den Rentenbeziehern mehr Zeit zum Nachweis der Anzahl der Kinder und den Ministerien zur Einrichtung einer technischen Realisierung des Abrufs von Nachweisen verschafft werden. Gleichermaßen wird darauf hingewiesen, dass die Abschläge so bald wie möglich zu erstatten sind.

    Bei einer Einreichung im Laufe des Jahres 2023 empfiehlt sich eine Verarbeitung der Nachweise und Korrektur der Abrechnungen bis zum 31. Dezember 2023. Nimmt die bAV-Administration die Übergangsfrist bis 31. Dezember 2024 bzw. 30. Juni 2025 in Anspruch, obwohl die Nachweise im Jahr 2023 erbracht wurden, ist diese nicht mehr von Zinsansprüchen für aufgelaufene Erstattungsleistungen befreit. In der Regel dürften sich solche Zinsansprüche monetär im Rahmen halten. Hier droht der bAV-Administration allerdings das weitere Aufwandsrisiko, solche Kleinstforderungen aufwändig bedienen zu müssen. Die wenigsten werden wohl auf die Hoffnung setzen, dass umgehend ein Datenaustauschverfahren umgesetzt wird, welches die manuelle Pflege der Daten überflüssig macht. Die Unmutsbekundungen der Leistungsempfänger dürften ihren Teil dazu beitragen, da das Beschwerdemanagement bekanntermaßen überdurchschnittlich viel Aufwand verursacht. Im Ergebnis bleibt nur eine begründete Hoffnung darauf, dass sich die Zusatzaufwände durch ein digitales Verfahren zukünftig wieder reduzieren. Bis dahin müssen die Administratoren den Zusatzaufwand leisten.


  4. 04

    Kommunikationsbedarf

    Nicht vergessen werden darf der Umstand, dass mit dieser Reform der Kommunikationsbedarf gegenüber den Betroffenen sprunghaft steigt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Erstens erhöhen sich für alle Teilnehmer an der Pflegeversicherung die Beiträge. Zweitens führt die Umstellung der Systematik der Beitragssätze in Abhängigkeit der Kinderzahl und der Erziehungsphase bei den Teilnehmern zu Fragen, die beantwortet werden müssen – und zwar nicht nur bei der Umstellung, sondern auch im laufenden Betrieb. Drittens werden viele Teilnehmer Fragen zu den Rückrechnungen haben.

    Mit einer geeigneten Kommunikation gegenüber den Teilnehmern kann die Zahl individueller Fragen deutlich reduziert werden. Insgesamt ist mit einem hohen initialen Kommunikationsaufwand bei der Umstellung zu rechnen und mit einem erhöhten Kommunikationsbedarf ab der Einführung.


Jetzt heißt es handeln – und weitere Chancen nutzen

Es besteht unmittelbarer Handlungsbedarf für alle bAV-Verwaltungen. Infolge der sehr kurzen Vorlauffrist bis zum Inkrafttreten dieser Reform empfehlen wir:

Vorbereitung der Administration auf die anstehenden Änderungen der Systematik der Pflegeversicherungsbeiträge. Dies betrifft Systeme/Schnittstellen, Prozesse und Dokumente.

Erarbeitung eines Kommunikationskonzepts für die Umstellungsphase und den laufenden Betrieb.

Planung der Kapazitäten für die Verwaltung und die Kommunikation für die Umstellungsphase.

Zudem sehen wir generell (mittelfristige) Chancen durch die Digitalisierung der bAV-Administration. Laut der WTW-Studie „Digitalisierung der bAV-Administration“ versprechen sich Unternehmen von digitalisierten Prozessen vor allem Prozessverbesserungen und eine Aufwandsreduktion, aber auch eine Qualitätsverbesserung, eine Reduktion der Bearbeitungszeit und eine höhere Transparenz. Wer auf die Herausforderungen der reformierten Pflegeversicherung jetzt mit einer digitalen Lösung reagiert, verschafft sich damit auch gute Möglichkeiten, die gesamte Wertschöpfungskette seiner bAV-Administration weiter zu automatisieren und zu optimieren.

Ihre Kontakte


Director Outsourcing Germany, Projektleitung WTW-PUEG

Senior Director Outsourcing Germany, Head of Pension Payroll

Senior Director Outsourcing Germany

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