BAG vom 15.11.2022 – 3 AZR 505/21
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in seiner Entscheidung mit einem Arbeitgeber auseinandergesetzt, der die Anpassung der Betriebsrenten zum 1. Januar 2019 gem. § 16 Abs. 1, 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) wegen seiner schlechten wirtschaftlichen Lage verweigert hatte.
Das BAG prüft zunächst die eigene wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers entsprechend den vom Gericht seit langer Zeit zu § 16 Abs. 1, 2 BetrAVG entwickelten Vorgaben. Die Verpflichtung zur Rentenanpassung hängt danach davon ab, ob auf Basis einer Prognose der wirtschaftlichen Lage in den drei Jahren nach dem Anpassungsstichtag, vorliegend also in den Jahren 2019 bis 2021, mit einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung gerechnet werden kann. Angemessen ist eine Eigenkapitalverzinsung dann, wenn sie mindestens der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen zuzüglich einem Risikozuschlag von zwei Prozentpunkten entspricht. Die Prognose ist aus der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage in den drei Jahren vor dem Anpassungsstichtag abzuleiten, konkret also den Jahren 2016 bis 2018. Heranzuziehen sind die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse. Außerordentliche Erträge oder Verluste sind herauszurechnen.
Das BAG folgt der Darstellung des beklagten Arbeitgebers, nicht zu einer Anpassung in der Lage zu sein. Da in den Jahren 2017 und 2018 erhebliche Verluste erzielt worden waren, war seine Prognose, auch in den Jahren 2019 bis 2021 keine ausreichende Eigenkapitalverzinsung erreichen zu können, nicht zu beanstanden. Dass im Jahr 2016 noch ein Gewinn erwirtschaftet worden war, der zu einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung geführt hatte, stellte die Prognose nicht in Frage. Vielmehr wurde diese durch das tatsächliche Ergebnis im Jahr 2019 bestätigt, das ebenfalls mit einem Verlust abgeschlossen wurde.
Grundsätzlich kommt es auch bei konzernverbundenen Unternehmen ausschließlich auf die wirtschaftliche Lage des (ehemaligen) Arbeitgebers an, der zur Anpassungsprüfung verpflichtet ist, nicht auf die Lage des Konzerns oder eines herrschenden Unternehmens. Eine Ausnahme stellt der sog. Berechnungsdurchgriff dar, den das BAG in der Regel annimmt, wenn ein Beherrschungsvertrag abgeschlossen wurde. Bei einem Beherrschungsvertrag besteht nämlich die Gefahr, dass eine Gesellschaft Weisungen des herrschenden Unternehmens befolgen muss, die ihr Eigeninteresse außer Acht lassen. Über die gesellschaftsrechtliche Verlustausgleichverpflichtung
(§ 302 Aktiengesetz – AktG) hinaus sieht es das BAG dann als gerechtfertigt an, zu Gunsten der Betriebsrentner im Rahmen der Anpassungsprüfung auf die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens abzustellen, sofern nicht nachgewiesen wird, dass keine Weisungen erteilt wurden oder diese sich nicht nachteilig ausgewirkt haben.
Wie das BAG in der vorliegenden Entscheidung erstmals klarstellt, gelten diese Grundsätze aber nur bei einem Beherrschungsvertrag, nicht bei einem isolierten Gewinnabführungsvertrag. Zwar löst auch Letzterer die gesellschaftsrechtliche Verlustausgleichspflicht gem. § 302 AktG aus. Er begründet aber kein Weisungsrecht und führt nicht zum Verlust der wirtschaftlichen Selbständigkeit. Das verbundene Unternehmen kann die Höhe des Gewinns des zur Abführung verpflichteten Unternehmens nicht beeinflussen. Natürlich muss für die Rentenanpassungsprüfung dann aber die wirtschaftliche Lage vor Gewinnabführung betrachtet werden.
Das BAG verkennt nicht, dass es innerhalb eines Konzerns – insbesondere bei GmbHs – auch ohne einen ausdrücklichen Beherrschungsvertrag viele Möglichkeiten der Einflussnahme gibt. Dies ist aber kein Fall des Berechnungsdurchgriffs. Vielmehr weist das BAG darauf hin, dass Betriebsrentner Ansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) haben können, wenn ihre Interessen durch Transaktionen innerhalb eines Konzerns beeinträchtigt werden, die zur Folge haben, dass das zur Anpassungsprüfung verpflichtete Unternehmen wirtschaftlich nicht mehr zu den gesetzlich vorgesehenen Anpassungen in der Lage ist.
Die Entscheidung erleichtert die Anpassungsprüfung bei konzerngebundenen Unternehmen, die, wie es in der Praxis häufig vorkommt, durch einen Gewinnabführungsvertrag mit anderen Konzernunternehmen verbunden sind. In diesen Fällen ist nur die wirtschaftliche Lage des (ehemaligen) Arbeitgebers zu untersuchen und nicht zusätzlich auch noch die wirtschaftliche Lage des verbundenen Unternehmens.