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Artikel | HR Perspectives

Vorstandsvergütung: Zur Lage nach der HV-Saison 2023

11. Juli 2023

Bei Investoren und Stimmrechtsberatern punkten Unternehmen, die ihre Vergütungssysteme einfach halten und klar darüber berichten.
Compensation Strategy & Design|Ukupne nagrade
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Die DAX-40-Unternehmen haben im Frühjahr 2023 ihre Hauptversammlungen abgehalten. Elf Unternehmen haben die Aktionäre über ihre Vorstandsvergütungssysteme abstimmen lassen, weil sie daran Änderungen vorgenommen hatten. Für alle DAX-40-Unternehmen war es zudem verpflichtend, ihre Vergütungsberichte für das Geschäftsjahr 2022 zur Abstimmung vorzulegen. Zur Analyse der wesentlichen Änderungen hat WTW die neuen Vergütungssysteme, die Vergütungsberichte sowie die Abstimmungsempfehlungen der Stimmrechtsberater angeschaut.

Frau Schmelter, Herr Lange, das Thema ESG ist ja recht prominent. Prägt es auch die Vorstandsvergütung?

Stephanie Schmelter: Durchaus, mittlerweile haben alle DAX-40-Unternehmen ESG-Kriterien in den variablen Elementen ihrer Vergütungssysteme verankert. Ein Unternehmen hat die ESG-Kriterien im Rahmen des Short Term Incentives neu eingeführt und sechs weitere Unternehmen haben die ESG-Kriterien gemäß der neuen Vergütungssysteme in den Long Term Incentives verankert.

Ralph R. Lange: Mittlerweile bilden knapp 70 Prozent der Unternehmen die ESG-Kriterien in den LTI-Plänen ihrer Vorstandsmitglieder ab, letztes Jahr waren es noch knapp 50 Prozent der Unternehmen. Dieser Trend entspricht auch der Forderung der Investoren, die ESG-Kriterien nicht nur in der kurzfristigen variablen Vergütung zu berücksichtigen.

Die Investoren drängen zudem darauf, die ESG-Kriterien als eigenständige Ziele in der variablen Vergütung zu verankern und dies mindestens mit einer Gewichtung von 20 Prozent.”

Stephanie Schmelter | Director Executive Compensation, Work and Rewards Germany/Austria

Stephanie Schmelter: Die Investoren drängen zudem darauf, die ESG-Kriterien als eigenständige Ziele in der variablen Vergütung zu verankern und dies mindestens mit einer Gewichtung von 20 Prozent. Wenn die Unternehmen sie doch lieber Modifier nutzen, sollten sie die Zielerreichung, die auf Basis der finanziellen Ziele gemessen wird in einer ausreichend großen Spannweite anpassen, beispielsweise 0,8 bis 1,2.

Die Integration der ESG-Kriterien in die Vergütungssysteme macht diese auch komplexer. Wo bleibt der Wunsch nach mehr Einfachheit?

Ralph R. Lange: Der besteht nach wie vor, dabei geht es um Effizienz und Transparenz. Dem haben drei Unternehmen zum Beispiel entsprochen, indem sie ihre Deferal-Regelungen aufgehoben haben. Diese Regelungen sahen vor, zwischen 30 und 50 Prozent der Short Term Incentives über zwei bis drei Jahre gestreckt auszuzahlen, was die Systeme schon recht aufwändig gemacht hat. Zwar hat ein Unternehmen eine Deferel-Regelung eingeführt, der Trend geht jedoch eher in die andere Richtung.

Stephanie Schmelter: Interessant ist, dass zwei der Unternehmen, die ihre Deferal-Regelungen aufgehoben haben, ihre Vorstandsmitglieder dazu verpflichten, ihre Auszahlungen aus den Short Term oder Long Term Incentives so lange in Aktien ihres Unternehmens zu investieren, bis sie im Rahmen einer bis zu vier Jahre dauernden Aufbauperiode ausreichend Aktien im Sinne der Aktienbesitzrichtlinie halten.

Ralph R. Lange: Zudem ändert sich mit dem Wegfall der Deferals meist auch die weitere Vergütungsstruktur. In aller Regel wird der Anteil der Long Term Incentives vergrößert. Eventuell wird auch die Grundvergütung in erhöht.

Durch die Presse geht oft ein anderes Thema: die Maximalvergütung.

Stephanie Schmelter: Fünf Unternehmen haben in den Vergütungssystemen die Maximalvergütungshöhen, die gemäß Aktiengesetz festzulegen sind, angepasst. Dabei gab es sowohl Anpassungen nach oben als auch nach unten, so dass die Maximalvergütungen der Vorstandsvorsitzenden im Median leicht gesunken sind, während die der ordentlichen Vorstandsmitglieder konstant geblieben sind.

Auf der Hauptversammlung mussten elf Unternehmen ihre Vorstandsvergütungssysteme zur Abstimmung vorlegen.

Ralph R. Lange: Dabei hat sich ein rundum positives Bild ergeben. Die durchschnittliche Zustimmungsrate lag bei knapp 95 Prozent. Mit Blick auf die einzelnen Unternehmen ging die Quote in einem Bereich von 5 Prozentpunkten nach oben oder nach unten. Es gab aber auch Ausreißer, die durch eine Überarbeitung des Systems eine deutlich höhere Zustimmungsquote als in der vorherigen Systemabstimmung erzielen konnten.

Welche Bedenken haben die Investoren bzw. die Stimmrechtsberater denn generell mit Blick auf die Vergütungssysteme?

Stephanie Schmelter: Wir haben dazu die Bedenken des einflussreichen Stimmrechtsberaters ISS ausgewertet. Dessen Hauptkritik betrifft die Auszahlungskurve des LTI. Wenn in den LTI-Plänen deutscher Unternehmen die Aktienkursperformance im Vergleich zur Performance einer Vergleichsgruppe gemessen wird, gilt dieses Ziel in aller Regel als zu einhundert Prozent erreicht, sobald die Median-Performance der Vergleichsgruppe erzielt wurde und die Auszahlungskurve startet bereits bei einer Unterperformance von beispielsweise 30 Prozent. ISS plädiert hingegen für die Medianperformance als Eintrittsschwelle, wie in Großbritannien üblich.

Ralph R. Lange: ISS und andere machen hier zwar leichten Druck, sehen in dem deutschen Modell jedoch auch kein K.-O.-Kriterium. Wir selbst bewerten die Forderung von ISS kritisch: Wer den Markt für eine Auszahlung schlagen muss, handelt meist auch riskant.

Gibt es seitens ISS noch weitere kritische Anmerkungen?

Stephanie Schmelter: Ja, wenn auch weniger ausgeprägt. ISS stößt sich zum Beispiel daran, wenn aus ihrer Sicht die Anpassungsfaktoren im Rahmen des STI zu groß sind. Hier geht es zum Beispiel um nicht-finanzielle oder individuelle Ziele. Hier wittern die Stimmrechtsberater einen zu großen diskretionären Spielraum.

Wenn Unternehmen von der Marktpraxis abweichen, geschieht dies aus guten Gründen; jedes Unternehmen hat schließlich sein eigenes Geschäftsmodell und seine eigene Agenda, und dazu sollte dann auch die Vorstandsvergütung passen.”

Ralph Lange | Senior Director Executive Compensation, Work and Rewards Germany/Austria

Ralph R. Lange: Und bei ein paar Vergütungssystemen bemängelt ISS, dass sie nicht der gängigen Marktpraxis entsprechen. Das ist ein zu pauschaler Einwand. Zudem: Wenn Unternehmen von der Marktpraxis abweichen, geschieht dies aus guten Gründen; jedes Unternehmen hat schließlich sein eigenes Geschäftsmodell und seine eigene Agenda, und dazu sollte dann auch die Vorstandsvergütung passen.

Neben den Vergütungssystemen ging es bei den Hauptversammlungen auch um die Vergütungsberichte. Wie sieht hier die Lage aus?

Stephanie Schmelter: 2023 mussten die DAX-Unternehmen ihre Vergütungsberichte zum zweiten Mal vorlegen. 2022 lag die Zustimmungsquote im Schnitt bei 86 Prozent, in diesem Jahr bei 88,5 Prozent. Viele Ergebnisse lagen um bis zu fünf Prozentpunkte unter denen des Vorjahres, es gab auch deutliche Abweichungen nach unten, vor allem aber auch Sprünge von über 20 Porzentpunkten nach oben. Insgesamt kann sich die Abstimmungsquote daher sehen lassen.

Was hat zu den deutlich schlechteren Ergebnissen geführt?

Ralph R. Lange: Zum Beispiel relativ hohe Antrittsprämien für neue Vorstandsmitglieder oder relativ hohe Zahlungen an ausscheidende Vorstandsmitglieder. 

Bestimmt wurden auch inhaltliche Aspekte kritisiert.

Stephanie Schmelter: Noch vehementer als im Vorjahr wurde vor allem die Höhe der Altersversorgungsbeiträge bemängelt …

Ralph R. Lange: … und ebenso deutlich eine mangelhafte Transparenz der Offenlegung. In Deutschland bleiben die Unternehmen rund um das Thema nicht-finanzielle Ziele eher pauschal. Investoren und Stimmrechtsberater wollen jedoch zum Beispiel wissen: Welche individuellen Ziele hatten die Vorstandsmitglieder? Und wie gut haben sie ihre Ziele erreicht? Zudem fehlt aus Investorensicht teils ein aussagekräftiger Vergleich der Vergütung der Belegschaft und der Vorstandsvergütung; vor allem dann wenn in der vergleichenden Darstellung nur die prozentuale Entwicklung der Vergütung abgebildet.

Und was haben die Investoren und Berater positiv bewertet?

Stephanie Schmelter: Es haben vor allem solche Vergütungsberichte besonders gut abgeschnitten, denen zwar kein neues bzw. besseres Vergütungssystem zugrunde lag, die jedoch attraktiver und transparenter als im Vorjahr gestaltet waren.

Ralph R. Lange: Wenn sich Investoren und Berater durch komplexe Grafiken und Texte durcharbeiten müssen, können sie die Berichte nicht angemessen verstehen und die jeweiligen Aussagen bewerten.

Nach der HV ist vor der HV. Was würden Sie den DAX-40-Unternehmen für die nächste Runde empfehlen?

Stephanie Schmelter: Gestalten Sie die Vergütungsberichte so, dass Investoren und Stimmrechtsberater alle relevanten Zahlen, Daten und Fakten leicht finden und angemessen bewerten können. Bieten Sie ihnen dabei nicht nur blanke Informationen, sondern bringen Sie diese auch in einen überzeugenden Begründungszusammenhang. Dabei kommt es auch auf eine attraktive grafische und sprachliche Form an.

Gestalten Sie die Vergütungsberichte so, dass Investoren und Stimmrechtsberater alle relevanten Zahlen, Daten und Fakten leicht finden und angemessen bewerten können.”

Stephanie Schmelter | Director Executive Compensation, Work and Rewards Germany/Austria

Ralph R. Lange: Zudem sollten Unternehmen Ihre Vergütungssysteme so einfach wie möglich anlegen. Investoren und Berater wollen vor allem verstehen, wie die Systeme in Richtung Unternehmensstrategie bzw. Finanzstrategie wirken. Und gehen Sie rechtzeitig in den Dialog mit Investoren und Stimmrechtsberatern. Erläutern Sie ihnen vor allem, was Sie weshalb geändert haben.

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