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Artikel | Benefits Perspectives

„ATZ“ ohne ATZ - Altersteilzeit flexibel über Zeitwertkonten umsetzen

Von Markus Stein und Henning Rihn | 7. September 2023

Altersteilzeit ist bei Mitarbeitenden beliebt, für Unternehmen aber teuer und durch starre Vorschriften eingeengt. Flexibler lassen sich ruhestandsnahe Freistellungen durch Zeitwertkonten umsetzen.
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Die bei Mitarbeitenden und Arbeitnehmervertretungen beliebte Altersteilzeit (ATZ) ist in der betrieblichen Praxis noch häufig vorzufinden. Dennoch tendieren Arbeitgeber dazu, ATZ-Modelle einzuschränken, keine neuen Verträge mehr abzuschließen bzw. bestehende Modelle durch modernere Gestaltungen zu ersetzen. Die Gründe hierfür sind:

  • Vergleichsweise hohe Kosten der ATZ, resultierend aus Aufstockungsbeiträgen und zusätzlichen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung
  • Notwendigkeit, Rückstellungen in der Handel- und Steuerbilanz und ggf. in der internationalen Bilanz zu bilden
  • Mangelnde Flexibilität durch vergleichsweise starre Vorschriften durch das Altersteilzeitgesetz und Vorgaben der Sozialversicherungsträger.

Zeitwertkonten flexibler gestaltbar

Die arbeitgeberseitigen Nachteile der ATZ können durch Nutzung einer ATZ-Struktur im Rahmen von Zeitwertkonten (ZWK) vermieden werden. Hierfür braucht kein eigenständiges ZWK implementiert werden. Die ATZ-Struktur kann im Rahmen eines bestehenden Modells umgesetzt und somit mit den sonstigen ZWK-Anwendungen kombiniert werden, wie z. B. mit Sabbaticals oder einem ZWK-Übergangmodell. Zudem bietet die Möglichkeit der Kombination mit bereits angesparten ZWK-Guthaben weitere Gestaltungsoptionen für den Mitarbeitenden.

Die in Entgelt zu führenden ZWK-Modelle zeichnen sich durch eine hohe Flexibilität sowohl im Hinblick auf die Einbringung als auch im Hinblick auf die Modellierung der Freistellungsphase aus.

Einbringung lohnsteuer- und beitragsfrei

Die Einbringungen durch die Mitarbeitenden oder ggf. den Arbeitgeber sind unbeschränkt lohnsteuer- und beitragsfrei. Daher kann auch in kürzeren Zeiträumen von z. B. wenigen Jahren (siehe Beispiele 1 bis 3) ein substanzielles Wertguthaben aufgebaut werden.

Freistellung ohne Mindestbeginnalter

Gleichzeitig kann die Freistellungsphase aus dem bestehenden Wertguthaben vergleichsweise flexibel gestaltet werden. Anders als bei echten ATZ-Modellen ist weder ein Mindestbeginnalter noch eine hälftige Arbeitszeitverteilung bzw. eine bestimmte Modelldauer zu beachten.

Lediglich die von den Sozialversicherungsträgern definierte, sogenannte „70 % / 130 %-Regelung“ muss beachtet werden. Diese sieht für die Umrechnung des Wertguthabens in ein Freistellungsgehalt vor, dass Letzteres mindestens 70 % und maximal 130 % des vor Beginn der Freistellungsphase bezogenen, regelmäßigen Arbeitsentgelts betragen muss. Somit wird aus einem bestehenden Wertguthaben ein zeitlicher Korridor für die Dauer der Freistellung vorgeben.

Mögliche Modellgestaltungen einer „ATZ-Struktur“ über ein Zeitwertkonto

Die flexible Gestaltbarkeit von ZWK-Modellen ermöglicht es, flexible und vielfältige Modellstrukturen nachzubilden, ohne an die starren Vorschriften des Altersteilzeitgesetzes gebunden zu sein.

Blockmodell

Die Modellierung eines Blockmodells dient regelmäßig dazu, die Lebensarbeitszeit für Mitarbeitende im Rahmen einer Vollfreistellung zu verkürzen. In dem folgenden vereinfachten Beispiel 1 wandelt der Mitarbeitende in den ersten drei Jahren einen Beitrag von 30 % des Gehalts um und der Arbeitgeber bezuschusst diesen Betrag mit jeweils 20 % des Gehalts. Hieraus resultiert eine Freistellungsphase von drei Jahren, jeweils mit einer Freistellungszahlung von 50 % des vor Modellbeginn bezogenen Vollzeitgehaltes. Das Modell funktioniert grundsätzlich auch, wenn vor Beginn eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt wird.

Beispiel 1
„APH" = Arbeitsphase, „FSP" = Freistellungsphase
Alter 59 60 616263 64
Phase APH FPH
Arbeitszeit 100 % 100 %100 %0 %
Einbringung Mitarbeitende
in das ZWK in % Gehalt
30 %30 %30 %0 %
Einbringung Arbeitgeber
in das ZWK in % Gehalt
20 %20 %20 % 0 %
ZWK-Wertguthaben in % des
Gehalts – Ende des Jahres
50 %100 %150 % 100 %50 %0 %
Gehalt nach Einbringung bzw.
Freistellungsgehalt in % Gehalt
70 %70 %70 %50 %50 %50 %

In dem vorliegenden Beispiel bezieht der Mitarbeitende eine Vergütung von 50 % über die Gesamtlaufzeit des Modelles von sechs Jahren. Denkbar sind allerdings auch Gestaltungen mit abweichenden Einbringungen von Mitarbeitenden und Arbeitgebern sowie abweichende Dauer von Arbeits- und Freistellungsphase, je nach individuellen Präferenzen von Mitarbeitenden und Arbeitgebern. Für den Arbeitgeber sind insbesondere auch keine gesetzlichen Mindestdotierungen vorgesehen.

Gleichverteilungsmodell

In der betrieblichen Praxis steht aufgrund des aktuellen und langfristig zu erwartenden Fachkräftemangels vermehrt der Wunsch von Unternehmen im Vordergrund, ältere Mitarbeitende möglichst lange im Unternehmen zu halten. Altersgerechtes Arbeiten kann durch Altersgleitzeitmodelle bzw. Gleichverteilungsmodelle unterstützt werden, umgesetzt für rentennahe Mitarbeitende durch eine Herabsetzung der Arbeitszeit und eine zusätzliche Vergütung aus entnommenen ZWK-Guthaben. Das folgende vereinfachte Beispiel 2 zeigt die Grundstruktur des Modells:

Beispiel 2
„APH" = Arbeitsphase, „FSP" = Freistellungsphase
Alter 62 63 646566 67
Phase APH FPH
Arbeitszeit 100 % 100 %100 %50 %
Einbringung Mitarbeitende
in das ZWK in % Gehalt
10 %10 %10 %0 %
Einbringung Arbeitgeber
in das ZWK in % Gehalt
10 %10 %10 % 0 %
ZWK-Wertguthaben in % des
Gehalts – Ende des Jahres
20 %40 %60 % 40 %20 %0 %
Gehalt nach Einbringung bzw.
Freistellungsgehalt in % Gehalt
90 %90 %90 %70 %70 %70 %


Auch die Struktur des Gleichverteilungsmodell kann individuell modelliert werden, z. B. durch längere oder kürzere bzw. in der Dauer abweichende Arbeits- und Freistellungsphasen. So kann eine Arbeitsphase ggf. zehn Jahre oder mehr dauern, kombiniert mit einer Freistellungsdauer von wenigen Jahren. Die Grenzen zu einem klassischen, langfristig orientierten Modell werden dadurch im Gleichverteilungsmodell wie auch im Blockmodell fließend.

Verknüpfung einer ATZ-Struktur mit bestehenden ZWK-Guthaben

Ob und zu welchen Modalitäten der Arbeitgeber zukünftig ein „echtes“ ATZ-Vertragsangebot unterbreiten wird, ist aus Sicht der Mitarbeitenden nicht planbar und insofern ungewiss. Demgegenüber können ZWK während der Arbeitsphase vom Mitarbeitenden planmäßig aufgebaut und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt mit einer „ZWK-ATZ-Struktur“ für eine Verlängerung des Freistellungszeitraumes und / oder Erhöhung des Freistellungsgehalts verwendet werden. Die folgende Tabelle zeigt dies anhand des Beispiels 3 auf der Basis eines in der Vergangenheit vor Beginn der ATZ-Struktur (Blockmodell) angesammelten ZWK-Wertguthabens in Höhe von 120 % des Gehalts.

„APH" = Arbeitsphase, „FSP" = Freistellungsphase
Alter 59 60 616263 6465 66
Phase APH FPH
Arbeitszeit 100 % 0 %
Einbringung Mitarbeitende
in das ZWK in % Gehalt
40 %40 %40 %0 %
Einbringung Arbeitgeber
in das ZWK in % Gehalt
20 %20 %20 % 0 %
ZWK-Wertguthaben in % des
Gehalts – Ende des Jahres
180 %240 %300 % 240 %180 %120 %60 %0 %
Gehalt nach Einbringung bzw.
Freistellungsgehalt in % Gehalt
60 %60 %60 %60 %60 %60 %60 %60 %


Dem hier vorliegenden Beispiel 3 kann im Vergleich zum Beispiel 1 entnommen werden, dass durch die Kombination eines im Vorfeld angesammelten ZWK-Wertguthabens eine deutliche Verlängerung der Freistellungsdauer erreicht werden kann.

Verlässliches Budget, pragmatische Kostenkontrolle

Während Mitarbeitende und Arbeitnehmervertretungen naturgemäß an möglichst langen Freistellungszeiten und hohen Arbeitgeberbeiträgen interessiert sind, spielt die Finanzierbarkeit und das verlässliche Einhalten eines Budgetrahmens in der betrieblichen Praxis eine entscheidende Rolle, insbesondere auch als Voraussetzung für die Einführung einer ATZ-Struktur. Ökonomische Analysen im Vorfeld können hier eine gute Entscheidungsgrundlage bieten. Ein probates in der betrieblichen Praxis bereits genutztes Instrument zur Definition einer Budgetgrenze ist z. B. die Definition einer Überforderungsklausel dergestalt, dass lediglich x % der Mitarbeitenden eines Betriebs bzw. Unternehmens teilnahmeberechtigt an der ATZ-Struktur bzw. an dem zusätzlichen Arbeitgeberbeitrag sind. Sofern diese Grenze überschritten und eine Auswahl erforderlich werden sollte, könnte eine mögliche Rangfolge beispielsweise anhand bestimmter Kriterien ermittelt werden, wie z. B. Schwerbehinderung, Dienstzugehörigkeit, etc.

Fazit: kostengünstigere Gestaltung, flexiblere Planung

Das Altersteilzeitgesetz definiert vergleichsweise starre gesetzliche Regelungen für die „echte“ Altersteilzeit, sowie steuerliche und bilanzielle Rahmenbedingungen (siehe Tabelle 4).

Tabelle 4: Vergleich „echte“ Altersteilzeit mit ATZ über ein ZWK

„echte“ ATZ gemäß
Altersteilzeitgesetz (AltTZG)
ATZ-Struktur
über ein ZWK
Mindestalter Mindestalter 55
(§ 1 Abs. 2 AltTZG)
Nicht vorgegeben,
flexibel gestaltbar
Mindestdauer des
Freistellungszeitraumes
Bis zum Zeitpunkt, ab dem
eine Altersrente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung
beansprucht werden kann
(§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG)
Flexibel, die Freistellung
kann auch vor dem möglichen
Bezug einer gesetzlichen
Altersrente enden
Aufstockungsbetrag des
Arbeitgebers
Mindestaufstockungsbetrag
in Höhe von 20 %
des Altersteilzeitentgelts
(§ 3 Abs. 1 Nr. 1 a AltTZG)
Keine gesetzliche
Mindestregelung,
flexibel gestaltbar
Zusätzliche Beiträge zur
gesetzlichen
Rentenversicherung
Obligatorisch
(§ 3 Abs. 1 Nr. 1 b AltTZG)
Nicht erforderlich
Durchschnittliche Arbeitszeit
während der Modelllaufzeit
50 % Flexibel
Restriktionen im Hinblick
auf die maximale Dauer
Regelmäßig zwischen 3
und 6 Jahren
(§ 2 Abs. 2 AltTZG)
Keine Restriktionen,
flexibel gestaltbar
Lohnsteuerliche Regelung
/ Privilegierung des
Aufstockungsbetrages
/ Arbeitgeberzuschusses
Lohnsteuerfrei, aber
Progressionsvorbehalt,
gem. § 3 Nr. 28 EStG
Volle Lohnversteuerung,
keine Privilegierung
BilanzierungLohnsteuerfrei, aber
Progressionsvorbehalt,
gem. § 3 Nr. 28 EStG
Regelmäßig
Quasi-DC-Accounting
(keine Rückstellungsbildung)
InsolvenzsicherungInsolvenzsicherungspflicht
(§ 8a AltTZG)
Insolvenzsicherungspflicht
(§ 7e SGB IV)

Die Vorteile einer ATZ-Struktur über ein ZWK im Vergleich zu einem „echten“ ATZ-Modell aus der Perspektive des Arbeitgebers liegen in der Budgetfreiheit, der nicht erforderlichen Rückstellungsbildung, der flexiblen Gestaltung sowie der Möglichkeit, die sonstigen Vorteile von Zeitwertkonten zu nutzen, z. B. über die Etablierung von Sabbaticals für jüngere Mitarbeitende. Es ist somit nicht überraschend, dass Arbeitgeber dazu übergehen, klassische ATZ-Modelle durch ZWK zu ersetzen. Mitarbeitende erhalten eine deutlich höhere Flexibilität bei der Gestaltung ihres Übergangs in den Ruhestand sowie die Möglichkeit, diesen bereits in jüngeren Jahren durch Einzahlungen selbst aktiv zu planen.

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