Fortgeltung übernommener Versorgungszusagen (BAG)
In dem Verfahren 3 AZR 174/22 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) sich mit einer für den Arbeitnehmer günstigen Endgehaltsabhängigkeit des vor einem Betriebsübergang erteilten Versorgungsversprechens zu beschäftigen. Einer der Berechnungsfaktoren für die Höhe der Betriebsrente war das Endgehalt. Nicht versorgungsfähig waren bestimmte Zulagen (wie etwa eine Weihnachtsgratifikation oder einen Bonus).
Im konkret vom BAG entschiedenen Fall war die Vergütungsstruktur des Arbeitnehmers mehrfach verändert worden:
Vor dem Betriebsübergang wurde das maßgebliche Entgeltsystem auf eine Vergütung ohne die nicht versorgungsfähigen Zulagen umgestellt. Das wurde auch in den Regelungen zur Bemessungsgrundlagen der betrieblichen Altersversorgung nachvollzogen, indem der wirtschaftlich auf die zuvor nicht versorgungsfähigen Teile der Vergütung entfallende Teil der neuen, zwölfmal jährlich zu zahlenden Vergütung, ebenfalls nicht versorgungsfähig sein sollte.
Nach dem Betriebsübergang wurde der übernommene Arbeitnehmer in das (keine vergleichbaren Zulagen vorsehenden) Vergütungssystem des Erwerbers aufgenommen. Dabei wurde er in eine höhere Vergütungsstufe eingruppiert mit dem Ziel, dass das künftige Grundgehalt der bisherigen Vergütung inklusive des auf die vormaligen Zulagen entfallenden Teils entsprechen sollte. Eine ausdrückliche Regelung, gemäß der auch nach dieser zweiten Änderung des Vergütungssystems der ursprünglich auf die nicht versorgungsfähigen Zulagen entfallende Teil der Vergütung weiterhin nicht versorgungsfähig sein sollte, wurde nicht getroffen.
Nach dem BAG werden endgehaltsbezogene Versorgungszusagen durch den Betriebsübergang nicht lediglich auf den Besitzstand bei Betriebsübergang festgeschrieben, sondern bestehen grundsätzlich inhaltlich fort. Etwas anderes gilt lediglich in der Ausnahmekonstellation eines Betriebsübergangs aus der Insolvenz (Abgrenzung zu BAG vom 26.1.2021 – 3 AZR 139/17).
“Wenn der Endgehaltsbezug durchbrochen werden soll, ist eine klare abstrakte Regelung erforderlich.”
Dr. Andreas Hufer, Dr. Felix Stern,
Retirement | Legal, WTW
Inhaltliche Fortgeltung bedeutet, dass der Endgehaltsbezug auch nach dem Betriebsübergang weiterhin maßgeblich bleibt. Die besondere Bedeutung des Endgehaltsbezugs zur Wahrung des zuletzt maßgeblichen Lebensstandards im Ruhestand führt insoweit zu einem besonderen Vertrauensschutz und verlangt nach einer klaren abstrakten Regelung, wenn der Endgehaltsbezug durchbrochen werden soll.
Eine solche klare und abstrakte Regelung zur Durchbrechung des Endgehaltsbezugs in der Versorgungszusage ist auch erforderlich, wenn der betreffende Arbeitnehmer nach dem Betriebsübergang auf das Entgeltsystem des Erwerbers umgestellt worden ist. Findet die Bemessungsgrundlage der vor dem Betriebsübergang erteilten Versorgungszusage (im entschiedenen Fall das Endgehalt im Sinne des letzten Bruttomonatsgehalts ohne Zulagen) auch nach dem Betriebsübergang eine Entsprechung im Vergütungssystem des Erwerbers, bleibt sie gültig, auch wenn dies zu einer Erhöhung der (zukünftigen) Versorgungsleistungen führt.
Nur wenn die Bemessungsgrundlage auf bestimmte Verhältnisse beim Veräußerer des Betriebs abstellen würde, die beim Erwerber keine Entsprechung fänden, käme eine ergänzende Vertragsauslegung oder die Anwendung der Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht, die zu einer Anpassung der Bemessungsgrundlage an die Verhältnisse beim Erwerber des Betriebs führen könnte.
Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt eine Veränderung der den Vertrag begleitenden Umstände voraus, die so schwerwiegend ist, dass angenommen werden muss, die Parteien hätten den Vertrag in Kenntnis der Veränderung nicht unverändert geschlossen und ein Festhalten am Vertrag sei ihnen nicht mehr möglich. Dem kann etwa eine Regelung widersprechen, die nahelegt, dass die Vertragsparteien den Einfluss der Änderung des Vergütungssystems auf die Höhe zugesagter Altersleistungen gesehen haben.
So war im vorliegend vom BAG entschiedenen Fall etwa eine Wertsicherung für den Fall eines absinkenden Bruttomonatsgehalts vorgesehen. Noch höhere Anforderungen stellt das BAG an die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage. Hier muss die Fortführung der Vereinbarung für eine Vertragspartei unzumutbar sein.
Betriebsübergänge bedürfen auf Erwerberseite einer sauberen Vorbereitung. Werden nach einem Betriebsübergang die übernommenen Arbeitnehmer vom Vergütungssystem des Veräußerers auf dasjenige des Erwerbers umgestellt, ist dabei schon im Voraus auf Wechselwirkungen mit betrieblichen Versorgungszusagen zu achten. Es liegt insbesondere nahe, das Vergütungssystem auf Erwerberseite, soweit rechtlich möglich, nicht automatisch auf per Betriebsübergang übernommene Arbeitnehmer auszurollen.
Nur so besteht die Möglichkeit, sachgerecht zu prüfen, ob und welche Wechselwirkungen mit Versorgungszusagen eintreten können und diesen rechtzeitig begegnen zu können. Ebenso sollten Versorgungszusagen auf Erwerberseite per Betriebsübergang übernommene Arbeitnehmer nicht automatisch aufnehmen. Auch hier sollte eine Aufnahme eine sorgfältige Prüfung vorausgehen.