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In Zeiten eines knappen Arbeitskräfteangebots wird die langfristige Bindung von Schlüsselpersonen für Unternehmen immer wichtiger.”
Markus Stein
| Director Retirement, WTW
In Zeiten eines knappen Arbeitskräfteangebots wird die langfristige Bindung von Schlüsselpersonen – auch über die Regelaltersgrenze hinaus – für Unternehmen immer wichtiger. Die Schaffung geeigneter Arbeitsbedingungen und die Incentivierung eines Verbleibs rücken in den Fokus. Doch nicht alle Instrumente sind dafür geeignet bzw. sinnvoll umsetzbar. Ein genauer Blick auf die Möglichkeiten lohnt sich.
Modelle auf Teilzeitbasis – mit Absenkung des Arbeitszeitgrads im Alter
Teilzeitmodelle eignen sich besonders für ein altersgerechtes Arbeiten, sie sind allerdings für den Mitarbeitenden sowohl mit finanziellen Einbußen als auch mit einer Absenkung der Ruhestandsbezüge verbunden. Hier setzen in der Praxis verschiedene ergänzende Maßnahmen an, um Mitarbeitenden einen Anreiz für ein dauerhaftes Engagement zu bieten:
- Aufstockung durch Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung
Seit dem Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen bei gesetzlichen Altersrenten kann das Teilzeitentgelt durch den parallelen Bezug einer Voll- bzw. Teilrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ergänzt werden. Für die Höhe der zukünftigen gesetzlichen Rente ergeben sich hierbei gegenläufige Effekte, die es im Sinne des späteren Versorgungsbezugs auszutarieren gilt: Zum einen erhöht sich die zukünftige Anwartschaft durch zusätzliche Beiträge, zum anderen reduziert sie sich durch eine vorgezogene Entnahme.
- Sonderbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gemäß § 187a SGB VI
Diese Sonderbeiträge setzen eine individuelle Anfrage des Mitarbeitenden voraus und können steuerbegünstigt eingezahlt werden. Das Instrument bietet sich an, wenn zum Beispiel keine geeignete betriebliche Altersversorgung (bAV) für zusätzliche Einbringungen vorliegt (weitere Details).
- Aufstockung durch vorgezogene Leistungen aus der bAV
Diese Option ist dann umsetzbar, wenn die Versorgungsregelung nicht das Ausscheiden aus dem Unternehmen als Leistungsvoraussetzung vorsieht. Solch ein Planelement liegt jedoch häufig nicht vor. Zudem ist die Auszahlung und das zeitgleiche Erdienen einer weiteren betrieblichen Versorgungszusage systemfremd und im Rahmen einer Teilzeittätigkeit regelmäßig nicht vorgesehen. Aufgrund dieser komplexen Ausgangslage ist die Aufstockung einer Teilzeittätigkeit durch die bAV oft nicht empfehlenswert.
- Zusätzliche Beiträge in die bAV
Deutlich einfacher als eine parallele vorgezogene Rente aus der bAV ist deren zusätzliche Incentivierung durch weitere Beiträge. Dadurch erhöht sich die Versorgungszusage nach Beendigung der Teilzeittätigkeit und nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen. Hinzu kommen häufig auch steuerliche Vorteile für den Mitarbeitenden. Zu empfehlen ist eine Prüfung der Versorgungsregelung im Vorfeld, zum Beispiel mit Blick auf Zinsgarantien, um ungewollte Zusatzkosten zu vermeiden.
- Zeitwertkontensysteme
Einbringungen des Arbeitgebers in ein Zeitwertkonto vor und nach Beginn der Teilzeit können attraktive Optionen für ältere Mitarbeitende darstellen. Nicht im Vordergrund steht dabei eine spätere Vollfreistellung, sondern ein zukünftiges Altersgleiten in den Ruhestand mit Teilzeitarbeit und Aufstockungszahlungen aus dem Zeitwertkonto. Insofern können Zeitwertkonten bei entsprechender Ausgestaltung Mitarbeitende auch länger an das Unternehmen binden.
- Zusätzliche Teilzeit-Gehaltsaufstockung bzw. Retention-Bonus während der Teilzeittätigkeit
Diese Lösungen sind besonders einfach umsetzbar, bieten allerdings keine steuerlichen Anreize bzw. keine Erhöhung des Ruhestandseinkommens. Die Instrumente können insbesondere ergänzend zu anderen Maßnahmen sinnvoll eingesetzt werden (siehe dazu auch weiter unten).
- Kombination der Instrumente
Durch eine gezielte Kombination der oben dargestellten Instrumente können besonders attraktive Gesamtpakete geschnürt werden. Denkbar sind auch optionale Angebote, aus denen Mitarbeitende im Rahmen eines vorgegebenen Budgets präferenzoptimierte Lösungen wählen können. Allerdings kommt es auch hier auf eine sorgfältige Ausgestaltung an. So lehnen zum Beispiel die Sozialversicherungsträger eine gleichzeitige Freistellungsphase aus einem Zeitwertkonto und den Bezug einer Teil- oder Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ab. Eine solche Kombination würde nach Auffassung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger einen Störfall beim Zeitwertkonto auslösen (mehr Details).
Modelle auf Vollzeitbasis – ohne vorherige Absenkung des Arbeitszeitgrads
Einige der oben dargestellten Incentivierungen lassen sich zudem auf Vollzeitbasis umsetzen. Geeignet erscheinen insbesondere zusätzliche Dotierungen der bAV, der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. von Zeitwertkonten mit anschließender Modellierung einer zeitwertkontenbasierten Altersgleitzeitphase.
Besonderheiten im Beitragsrecht
Beim parallelen Bezug einer Teilzeitvergütung und einer Voll- oder Teilrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind Besonderheiten im Beitragsrecht zu beachten.
Bei Weiterführung der Beschäftigung über die Regelaltersgrenze hinaus kann es zudem sinnvoll sein, dass der Mitarbeitende auf freiwilliger Basis Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet, damit sowohl der Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung als auch der Arbeitgeberanteil rentenerhöhend dem jeweiligen Rentenkonto zugeordnet werden können. Zudem sind bei einer Verlängerung der Beschäftigung über die Regelaltersgrenze hinaus arbeitsrechtliche Besonderheiten zu beachten.
Hinweise für die Praxis
Das altersbedingte Ausscheiden von Leistungsträgern bzw. Mitarbeitenden mit Schlüsselqualifikationen stellt Unternehmen vor vielfältige Herausforderungen. Zum einen sind bestimmte Profile auf dem Markt häufig nicht mehr oder nur schwer zu beschaffen. Zum anderen sind die Rekrutierungs- und Einarbeitungskosten nicht unerheblich. Die gezielte Incentivierung zur Bindung von Leistungsträgern und Mitarbeitenden mit Schlüsselqualifikationen kann in diesem Umfeld eine ökonomisch sinnvolle Alternative sein. Die Instrumente können hierbei einzeln oder in Kombination eingesetzt werden, sie sollten jedoch im Vorfeld sorgfältig auf die Zielsetzungen des Unternehmens bzw. auf die jeweiligen Zielgruppen ausgerichtet werden.