Während der Wettbewerb um Talente Unternehmen aller Branchen fordert, zeigen sich bei Gehaltsanpassungsbudgets, der Vergütung von Neueinstellungen (Mitarbeitende, die bis zu zwei Jahren im Unternehmen sind) und den besonders stark nachgefragten Rollen branchenspezifische Unterschiede. Dies zeigen die die Ergebnisse der WTW-Vergütungsstudien 2023 sowie der „Salary Budget Planning Report – December Edition 2023“ und der „Talent Intelligence Report 2024, Q1“ (Europa) für die Schlüsselbranchen Finanzdienstleistungen (FS), Biopharma und Lifesciences (BPLS) sowie Technologie, Medien und Gaming (TMG).
Die Branchen FS und BPLS liegen mit ihren geplanten Gehaltsanpassungsbudgets (FS: 3,8 Prozent, BPLS 4,0 Prozent im Median) über dem allgemeinen Wert für Deutschland (3,5 Prozent im Median); TMG sortiert sich mit 3,3 Prozent leicht unterhalb des Medians ein. Während alle Branchen den Inflationsdruck als wichtigsten Bestimmungsfaktor anführen, variieren die weiteren Begründungen. Vor allem für Unternehmen der BPLS-Branche spielt etwa der angespannte Talentmarkt eine wichtige Rolle. So nennen zirka 60 Prozent der befragten BPLS-Unternehmen diesen Faktor, in den Branchen TMG und FS jedoch nur etwa 40 Prozent. Darüber hinaus geben rund 40 Prozent der Studienteilnehmer der Branchen FS und TMG schwächere finanzielle Er-gebnisse als Faktor an, für BPLS-Unternehmen steht dies nicht im Fokus.
Die Talentnachfrage von BPLS-Unternehmen in Europa konzentriert sich auf Kernrollen entlang des Herstellungsprozesses und in den Bereichen Regulatorik und Patientensicherheit. Vertriebs- und Technologierollen, die Industrie-übergreifend im Fokus der Talentnachfrage stehen, spielen auch für BPLS-Unternehmen eine wichtige Rolle, sind dem aber nachgelagert. Während in allen drei untersuchten Branchen die Rollen Produktmanager und Data Scientist in den Top 20 der nachgefragtesten Rollen sind, konkurrieren die Branchen TMG und FS um eine Reihe weiterer nachgefragten Rollen – dazu gehören zum Beispiel die Rollen Software Engineer, Application Developer und Solution Architect.
Zudem legen FS-Unternehmen einen Fokus ihrer Talentnachfrage auf Rollen im Kerngeschäft, im Vertrieb und für die Umsetzung regulatorischer Anforderungen. In der Branche TMG erleben dafür Rollen und Skills rund um die Themen Cloud Computing und KI einen rasanten Anstieg der Nachfrage. Den Wettbewerb um entsprechende Talente müssen sie dabei weltweit führen, da Unternehmen aller Branchen diese Themen innovativ und gewinnbringend nutzen wollen.
Besonders interessant ist, dass Unternehmen bei den Grundgehältern von Neueinstellungen eine gewisse Zurückhaltung zeigen. Diese Feststellung steht der gefühlten Kostenspirale bei Neueinstellungen sowie den hohen Gehaltsforderungen von Bewerbern entgegen. Über die betrachteten Branchen hinweg vergüten Unternehmen langjährige Mitarbeitende höher als Neueinstellungen auf denselben Leveln. Dieses Muster ist auf den niedrigeren Karriereleveln und vor allem in der BPLS-Branche sehr stabil. Ein Fokus auf Mitarbeiter-Retention sowie feste Tarifregeln mit Berücksichtigung der Berufsjahre, vor allem eben in der BLPS-Branche, sind dabei wichtige Ursachen.
Nachfolgend finden Sie Grafiken, die den Median der Grundvergütung, also die Abweichung von Neueinstellungen und Langzeitmitarbeitenden zum Mitarbeitenden mit einer Standard-Dauer des Arbeitsverhältnisses, für verschiedene Branchen zeigen:
Median der Grundvergütung für general industries
Median der Grundvergütung für die Finanzdienstleistungsbranche
Median der Grundvergütung für die Pharmaindustrie
Median der Grundvergütung für die Technologiesparte
Dieses Muster weicht bei Top-Experten und Führungskräften teils deutlich ab. Unternehmen sind wohl vor allem dann bereit, tiefer in die Tasche zu greifen, wenn Kandidaten umfassende Expertise und Erfahrung vorweisen können. Diese statistischen Muster gelten auch für besonders gefragte Rollen wie Data Scientist; hier wirkt der Effekt höherer Einstellungsgehälter für Top-Experten und Führungskräfte noch stärker.
Unternehmen, die bei ihrem Vergütungsmanagement die interne Gerechtigkeit im Fokus haben, fordern gute Gründe für die Vergütung von Neueinstellungen außerhalb oder am oberen Ende des Gehaltsbandes. Der Blick auf die Entwicklungen rund um Pay Transparency gibt ihnen Recht: Gehaltsunterschiede zwischen Mitarbeitenden müssen nach innen (gegenüber den Mit-arbeitenden) und nach außen (gegenüber Aktionären und anderen Stakeholdern) begründbar sein.
Unternehmen sollten ihr gesamtes Total-Rewards-Angebot prüfen und dem Trend flexibler und individueller Rewards-Lösungen offen begegnen. Statt hohe Gehaltsforderungen undifferenziert zu akzeptieren, empfiehlt sich der Fokus auf eine attraktive Vergütung für Neueinstellungen mit raren Skills, die das Unternehmen spürbar voranbringen. Mit Blick auf den Talent Flow sollten Unternehmen zudem untersuchen, was Talente anzieht und bindet, aber auch, welche Faktoren sie vielleicht zu Wettbewerbern locken. Insgesamt können sich Unternehmen damit wirtschaftlich eine leistungsstarke Belegschaft sichern.