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Artikel | Benefits Perspectives

Künstliche Intelligenz für die betriebliche Altersversorgung

Einsatz von KI für bAV-Services

Von Dr. Claudio Thum | 28. Mai 2024

Die generative KI eröffnet sowohl neue Chancen als auch Herausforderungen für die bAV. Bestehende bAV-Services können optimiert und erweitert werden, um den Bedürfnissen der Nutzer noch besser gerecht zu werden.
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Anwendungen für künstliche Intelligenz

Generative künstliche Intelligenz (KI) hat nicht nur KI-Tools für ein breiteres Publikum zugänglich gemacht, sondern auch das Anwendungsspektrum für viele Unternehmen erweitert. Innerhalb von nur zwei Monaten nach seiner Einführung im Jahr 2022 hatte ChatGPT mehr als 100 Millionen Nutzer. (Economist, „ChatGPT mania may be cooling, but a serious new industry is taking shape”, 21. September 2023)

Seitdem haben Microsoft und Alphabet KI in fast alle ihre Dienste integriert und investieren Milliarden von US-Dollar in die weitere Entwicklung. Auch wenn die Erwartungen an diese Technologie hoch sind, ist der Einsatz bisher je nach Branche und Unternehmensgröße sehr unterschiedlich. (Economist, “How businesses are actually using generative AI”, 29. Februar 2024)

In der Verwaltung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) wird KI – wie im gesamten Dienstleistungssektor – bereits seit vielen Jahren eingesetzt, um beispielsweise Anfragen zu beantworten oder Daten zu kategorisieren. Die generative KI schafft hier neue Möglichkeiten, die bestehenden Anwendungen deutlich zu verbessern und den Einsatzbereich zuerweitern. Dieser Artikel skizziert die neuen Möglichkeiten und Herausforderungen der KI für die betriebliche Altersversorgung. Ein Interview mit Dr. Barthold Albrecht, IA, und Dr. Franziska Kühnemund, WTW, gibt darüber hinaus Einblicke in praktische Erfahrungen.

Neue Möglichkeiten durch generative KI

Generative KI unterscheidet sich von herkömmlichen KI-Ansätzen dadurch, dass sie nicht nur vorhandene Muster erkennt, sondern auch neue Daten generiert. Mit diesen Daten können neue Inhalte erzeugt werden, die denen ähneln, mit denen das KI-Modell trainiert wurde. Dieser Ansatz eröffnet eine Vielzahl neuer Anwendungsmöglichkeiten für die betriebliche Altersversorgung, da diese durch „sehr viel Text“ (oder andere Medien) geprägt ist und zusätzlich komplexe Zusammenhänge, (Experten-) Fachsprache, Verweise auf verschiedene Rechtsgrundlagen und Rechtsgebiete etc. beinhaltet.

Warum eignet sich nun generative KI besonders gut für betriebliche Altersversorgung?

  • Zusammenfassung komplexer Texte
  • Generative KI-Modelle können lange Texte (z.B. Rechtsgrundlagen, Kommunikationsmaterialien) zusammenfassen und umformulieren, ohne dass der ursprüngliche Kontext verloren geht. Zusätzlich können redundante Informationen entfernt werden, um den Text klarer und präziser zu machen. Umfangreiche und komplexe Texte können so auf das Wesentliche reduziert und - je nach Verwendungszweck und Adressatenkreis - aufbereitet werden. Mit dieser Fähigkeit kann die generative KI dazu beitragen, die Komplexität der bAV zu reduzieren.

  • Vereinfachung der bAV-Fachsprache
  • Generative KI kann die bAV-Fachsprache oder komplizierte Ausdrücke in allgemein verständliche Sprache übersetzen. Dies ist hilfreich bei der Erstellung von Kommunikationsgrundlagen für Mitarbeitende und Leistungsbeziehende, die mit der Fachsprache nicht vertraut sind.

  • Sprachliche Verbesserung und Mehrsprachigkeit
  • Generative KI kann Texte sprachlich verbessern (z.B. Beseitigung von Grammatikfehlern, Stilproblemen) und Verbesserungsvorschläge machen. Darüber hinaus kann KI für die Übersetzung in verschiedene Sprachen eingesetzt werden, so dass der Zugang zu bAV insbesondere für Nicht-Muttersprachler deutlich erleichtert werden kann.

  • 24/7-Verfügbarkeit
  • KI-Modell sind über entsprechende Services rund um die Uhr verfügbar und können mit relativ einfachen technischen Standardmitteln in bestehende Anwendungen integriert werden.

Konkrete Anwendungsgebiete für die bAV

Mit diesen Fähigkeiten gibt es viele konkrete Anwendungsfelder für die betriebliche Altersversorgung. Drei Praxisbeispielen aus den Teilbereichen der bAV – Kundenservice und Sachbearbeitung – sollen im Folgenden den Mehrwert durch den Einsatz der generativen KI skizzieren.

Im Bereich des Kundenservices stehen häufig Chatbots an vorderster Front, um Anfragen zu beantworten, Probleme zu lösen und Informationen bereitzustellen. Diese virtuellen Assistenten können generative KI nutzen, um nicht nur vordefinierte Antworten zu formulieren, sondern auch auf natürliche Sprache zu reagieren und sich kontinuierlich zu verbessern. Entscheidender Vorteil dabei ist, dass Mitarbeitende oder Leistungsbeziehende in ihrer natürlichen Sprache (ohne Kenntnis der bAV-Fachlichkeit und der Expertensprache) die Anfragen stellen können und die Antwort in einer dem Anfragenden verständlichen Sprache erfolgt. Dabei ist dies unabhängig vom Medium (Text, gesprochene Sprache) und der Sprache (Mehrsprachigkeit).

Die Sachbearbeitung sieht sich häufig einer Vielzahl von Rechtsgrundlagen, Ausführungsbestimmungen und anderen Regeln gegenüber. Diese Komplexität zu managen, stellt viele bAV-Verwaltungen vor große Herausforderungen. Hier kann die KI effektiv eingesetzt werden, um das Wissensmanagement zu verbessern. Sie unterstützt dabei, Informationen zu kategorisieren, zu organisieren und leicht zugänglich zu machen. Sachbearbeiter können mithilfe dieser Technologie viel schneller auf relevante Quellen zugreifen, sich die entscheidenden Regelungen je nach Verwendungszweck aufbereiten lassen und weiterverarbeiten.

Herausforderungen und Maßnahmen

Die Integration von generativer Künstlicher Intelligenz in die betriebliche Altersversorgung (bAV) eröffnet zwar zahlreiche Möglichkeiten, birgt aber auch generelle Risiken, die mit geeigneten Maßnahmen begrenzt werden müssen. Im Zusammenhang mit dem Einsatz in der bAV werden sehr häufig „die Zuverlässigkeit“ und „Datenschutz und Sicherheit“ diskutiert.

Zuverlässigkeit

Generative KI kann unerwartete Ergebnisse wie "Halluzinationen" oder Fehler produzieren, die die Nutzung infolge Qualitätsmängel oder Akzeptanzprobleme bei den Anwendern stark einschränken können. Diese Risiken können (und müssen) mit geeigneten Maßnahmen über den gesamten Prozess begrenzt werden, z.B. Eingrenzung des Anwendungszwecks, Auswahl von geeigneten Trainingsdaten, menschliche Bewertung der Antworten im Rahmen einer Supervision.

Datenschutz, Sicherheit und geistiges Eigentum

Datenschutz, Sicherheit und geistiges Eigentum

Generativer Einsatz stützt sich beim Training und auch beim produktiven Einsatz auf personenbezogene und unternehmensspezifische Daten. Hier gilt es die entsprechenden Datenschutzregeln und Sicherheitsstandards zu berücksichtigen. Das Risikomanagement erfordert auch hier konkrete Maßnahmen, um die Risiken zu begrenzen bzw. zu eliminieren. Dazu zählen beispielsweise die Auswahl geeigneter IT- und Softwarearchitekturen, Begrenzung des Datenraums auf relevante und verwertbare Informationen, Anonymisierung von Trainingsdaten.

Empfehlung: Einsatz erproben

Die Prognosen über Einsatzmöglichkeiten und Geschwindigkeit der Verbreitung von generativen KI-Lösungen sind sehr unterschiedlich. Die generative KI bietet gute Anwendungsmöglichkeiten im Rahmen der bAV-Verwaltung, wie weitere Automatisierung, Verbesserung der User Experience, Unterstützung bei der Bewältigung der Komplexität (z.B. Informationssuche, Zusammenfassungen, Analytics), Effizienzverbesserungen bei Softwareentwicklung und IT-Sicherheit. Allerdings sind bei der Implementierung und beim Einsatz auch einige Herausforderungen zu meistern.

Da die technologische Entwicklung sehr dynamisch ist, kann ein pragmatischer Ansatz für die Erprobung von KI empfohlen werden:

  1. Ziele definieren und Aufgabengebiete eingrenzen – „klein“ anfangen mit konkreten Use Cases
  2. Berücksichtigung der Regulierung und Unternehmensregeln (z.B. Datenschutz und Sicherheit) – idealerweise eingebettet in existierende Technologie-Strukturen
  3. Risiken begrenzen durch geeignete Technologien und Qualitätssicherungsmaßnahmen – (menschliche) Supervision als fester Bestandteil der Supervision
  4. Agiles Vorgehen: sukzessive Weiterentwicklung und Lernen von Erfahrungen
  5. Regelmäßige Überprüfung der Wirtschaftlichkeit und ggf. Adjustieren der Vorgehensweise

Auch bei der Frage zur Wirtschaftlichkeit gibt es bisher noch keine eindeutige Aussage. Hier müssen noch weitere Praxiserfahrungen gewonnen werden, in welchem Umfang diese Technologie zu Einsparungen führen kann. In jedem Fall ist es für Entscheidungsträger ratsam, sich im Rahmen der bAV mit KI zu beschäftigen, da auch die Gefahr besteht, von der technologischen Entwicklung abgehängt zu werden.

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