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Artikel | Benefits Perspectives

Arbeitsvertragliche Verweisung bei leitenden Angestellten

Laut BAG bedarf die dynamische Verweisung einer ausdrücklichen Klarstellung.

Von Dr. Felix Stern | 21. Juni 2024

Verweist ein Arbeitsvertrag auf geltende Versorgungsregelungen, gilt grundsätzlich deren jeweilige Fassung. Eine mögliche Ausnahme für leitende Angestellte besteht bei der Ablösung einer Gesamtzusage durch eine Betriebsvereinbarung.
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Klauselprüfung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung

In dem Verfahren 3 AZR 44/23 hatte sich der 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) – aus Anlass der Prüfung von Klauseln zum Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung (bAV) – mit den Voraussetzungen für die Einbeziehung eines leitenden Angestellten in den Geltungsbereich einer Betriebsvereinbarung zu befassen. Diese war an die Stelle einer Gesamtzusage getreten, auf welche der Arbeitsvertrag des Betroffenen Bezug genommen hatte.

Verweis auf die geltende Versorgungsregelung im Arbeitsvertrag

Im konkreten Fall wurde einem Mitarbeitenden arbeitsvertraglich eine bAV nach der in der Versorgungsordnung (des Rechtsvorgängers) des beklagten Arbeitgebers gültigen Regelung zugesagt. Bei Vertragsschluss handelte es sich bei der Versorgungsordnung um eine Gesamtzusage. Im Arbeitsvertrag wurde festgehalten, dass es sich bei dem Mitarbeitenden um einen leitenden Angestellten im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) handelte. Die Gesamtzusage sah eine Späteheklausel vor, nach der ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung im Fall des Todes des Mitarbeitenden für den Ehegatten nur entstehe, wenn die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres geschlossen worden sei.

Außerdem wurde festgelegt, dass die Ehe am, dem Todeszeitpunkt vorausgehenden, 1. Dezember mindestens ein Jahr bestanden haben musste. Im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses wurde die Gesamtzusage durch eine insofern wortgleiche Betriebsvereinbarung abgelöst. Die Späteheklausel und die Regelung zur Mindestehedauer wurden hierbei unverändert übernommen. Der Mitarbeitende heiratete nach seinem 60. Geburtstag die spätere Klägerin und verstarb innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung infolge eines Autounfalls.

Bestätigung bei Späteheklauseln und Regelungen zur Mindestehedauer

Die Späteheklausel, die bereits in der Gesamtzusage enthalten war und unverändert in die Betriebsvereinbarung übernommen wurde, erklärte das BAG, anknüpfend an seine bisherige Rechtsprechung, für unwirksam, da sie eine nicht gerechtfertigte, unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach § 7 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstellte.

Hinsichtlich der Regelung zur Mindestehedauer wurde ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG mangels hinreichenden Tatsachenvortrags nicht festgestellt. Allerdings erklärte das BAG auch diese Regelung für unwirksam, da sie eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) darstelle, welche den Mitarbeitenden unangemessen benachteilige (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Was bedeutet das für leitende Angestellte?

Die entscheidende Rechtsfrage lautete, ob die Regelung zur Mindestehedauer, auch nachdem sie unverändert in die Betriebsvereinbarung übernommen worden war, gegenüber dem Mitarbeitenden ihre Geltung entfalten konnte. Dazu musste zunächst die Versorgungsordnung in der Form der Betriebsvereinbarung gegenüber dem Mitarbeitenden als leitendem Angestellten anwendbar sein und die Klausel sodann der AGB-Kontrolle gemäß § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB standhalten. Entscheidend hierfür war, ob der im Arbeitsvertrag des Mitarbeitenden enthaltene Verweis auf die geltende Versorgungsordnung einen Wechsel von einer Gesamtzusage auf eine Betriebsvereinbarung zuließ, sodass die Versorgungsordnung in Form der Betriebsvereinbarung zum Bestandteil des Arbeitsverhältnisses des Mitarbeitenden als leitenden Angestellten werden konnte.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG sind arbeitsvertragliche Bezugnahmen auf die beim Arbeitgeber geltenden Regelungen zur bAV grundsätzlich als dynamisch zu verstehen, solange im Arbeitsvertrag nicht deutlich zum Ausdruck kommt, dass eine Regelung unabhängig von künftigen Änderungen fortgelten soll. Im vorliegenden Fall verwies der Arbeitsvertrag zwar auf die jeweils gültigen Versorgungsregelungen. Allerdings wurde der Mitarbeitende zugleich zum leitenden Angestellten im Sinne des BetrVG erklärt. Für eine Erstreckung der normativen Wirkung einer Betriebsvereinbarung auf einen leitenden Angestellten forderte das BAG wiederum eine ausreichende Klarstellung.

Leitende Angestellte als Sonderfall

Die nachträgliche Ablösung einer Gesamtzusage durch eine Betriebsvereinbarung stelle dabei für einen leitenden Angestellten einen Sonderfall dar, weil der die Betriebsvereinbarung schließende Betriebsrat die leitenden Angestellten typischerweise nicht vertritt (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG) und diese daher grundsätzlich nicht erwarten müssen, in den Geltungsbereich einer Betriebsvereinbarung zu fallen.

Nachdem eine solche Klarstellung im entschiedenen Fall nicht ersichtlich war, kam das BAG zu dem Ergebnis, dass die arbeitsvertragliche Verweisung auf die geltenden Versorgungsregelungen des Arbeitgebers insoweit als statisch zu verstehen sei, dass die Ablösung der ursprünglichen Gesamtzusage durch eine Betriebsvereinbarung nicht zu einer Erstreckung deren normativer Wirkung auf einen leitenden Angestellten führe. Die streitige Regelung zur Mindestehedauer unterlag damit als vertragliche Klausel einer Gesamtzusage der AGB-Kontrolle und wurde nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB für ungültig erklärt.

Keine automatische Verweisung

Neben einer Bestätigung der Rechtsprechung zu Späteheklauseln und Regelungen zur Mindestehedauer formulierte das BAG im entschiedenen Fall Anforderungen an eine Durchbrechung des Grundsatzes eines dynamischen Verständnisses arbeitsvertraglicher Verweisungen in die Versorgungsordnung des Arbeitgebers. So sei eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag zwar grundsätzlich so zu verstehen, dass die einschlägigen Versorgungsregelungen in ihrer jeweils geltenden Fassung (dynamisch) anzuwenden seien.

Allerdings kann eine Ausnahme vorliegen, wenn sich aufgrund eines späteren Wechsels von einer Gesamtzusage zu einer Betriebsvereinbarung die Frage nach einer Erstreckung deren normativer Wirkung auf von der ursprünglichen Gesamtzusage erfasste leitende Angestellte stellt. Demnach ist in einem solchen Fall nur von einer dynamischen Verweisung auszugehen, wenn sich zum Beispiel aus einer ausdrücklichen (arbeitsvertraglichen) Klarstellung ergibt, dass der leitende Angestellte in den Geltungsbereich der ablösenden Betriebsvereinbarung einbezogen werden soll.

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