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Artikel | Risk Perspectives

Fresenius: Klarheit durch D&O-Quantifizierung

WTW Risk Summit 2024

5. Juli 2024

Was bedeutete die Dekonsolidierung von Fresenius Medical Care für das D&O-Risiko und somit für die D&O-Versicherung bei Fresenius? Ein Gespräch unter den Projektbeteiligten.
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Der Gesundheitskonzern Fresenius hat im Zuge seiner Neuausrichtung unter dem Titel #FutureFresenius sein Portfolio angepasst und konzentriert sich heute auf die vollkonsolidierten Operating Companys Fresenius Kabi und Fresenius Helios. Ende 2023 wurde die bei Fresenius als Investment Company geführte Fresenius Medical Care dekonsolidiert. Was bedeutete die Dekonsolidierung für die D&O-Versicherungen? Unterhalten haben sich darüber Christian Fuchsenthaler, Fresenius SE, und Moritz Enderle, WTW. Moderiert wurde das Gespräch von Philipp Rouget, WTW. Die Teilnehmenden kennen sich gut und duzen einander.

Philipp Rouget: Christian, beschreibe uns doch bitte kurz, worum es ging.

Christian Fuchsenthaler: Wegen der Dekonsolidierung von Fresenius Medical Care mussten wir das Versicherungsprogramm auf zwei Unternehmen aufsplitten, das wir bislang für den gesamten Konzern eingekauft hatten. Die Frage war nicht nur, wie wir in diesem Kontext die Programme neu strukturieren, sondern auch, welche Kapazitäten wir künftig am besten einkaufen sollten.

Philipp Rouget: Solche Versicherungsthemen kommen bei jeder Transaktion ja erst relativ spät auf den Tisch.

Christian Fuchsenthaler: So war es auch bei uns. Wir mussten zügig alle Versicherungsprogramme trennen und schauen, wie man die jeweiligen Unternehmensteile weiterversichert. Dabei haben etwa 80 Prozent der Fragen die D&O-Versicherungen betroffen und rund 20 Prozent alle anderen Lines. In Sachen D&O-Versicherungen war unser Beratungsbedarf also am größten.

Philipp Rouget: Um welche Themen ging es dabei vor allem?

Christian Fuchsenthaler: Es ging etwa um das Thema Pflichtverletzungen vor der Dekonsolidierung, um die Trennung der bisherigen Deckung, darum, wie wir mit ausgeschiedenen versicherten Personen umgehen und mit denen, die an Bord geblieben sind. Entscheidend war auch die Frage nach der neuen Höhe der Deckungssumme, auch mit Blick auf die Kumulklauseln und die entsprechenden Kapazitätsrestriktionen der Versicherer. Die meisten dieser Themen bekommt man ja mit der Versicherungstechnik gut in den Griff – bis eben auf die korrekte Taxierung der Deckungssumme.

Philipp Rouget: Um hier für Klarheit zu sorgen, habt ihr dann WTW mit ins Team geholt.

Christian Fuchsenthaler: Ja, wir wollten unsere D&O-Risiken noch besser verstehen, um die richtigen Entscheidungen für eine neue Versicherungsstrategie und den Versicherungseinkauf treffen zu können. Und dafür war aus unserer Sicht das analytische Modell von WTW am besten geeignet. Wir haben uns davon eine klare und nachvollziehbare Quantifizierung und finanzielle Bewertung potenzieller Haftungsrisiken unserer Manager versprochen.

Philipp Rouget: Moritz, als Christian mit seiner Anfrage auf dich zukam, wie hast du dich mit deinen Leuten ans Werk gemacht?

Moritz Enderle: Wie immer war für uns die Kommunikation entscheidend. Auch bei Fresenius wollten wir erst einmal die Herausforderung verstehen: Geht es um die Bestimmung des Status quo? Um eine Aufspaltung? Um Kostendruck? In welchen Strukturen bewegen wir uns? Worauf liegt der Fokus des Boards und bei den versicherten Personen? Und welche Risiken sind überhaupt relevant? Antworten auf Fragen wie diese gibt es nicht von der Stange, alles muss tailor-made sein.

Philipp Rouget: Tailor-made – hier ging es ja vor allem um die Modellierung einer angemessenen Höhe der Deckungssumme. Welche weiteren Informationen habt ihr dazu von Fresenius benötigt?

Moritz Enderle: Für eine gute Modellierung brauchen wir Daten, Daten, Daten. Und im D&O-Bereich ist es ja so, dass wohl kein Unternehmen eine zehnjährige Schadenliste mit Daten zu hunderten Fällen bieten kann, um zumindest mal rückblickend eine aussagekräftige Schadenfrequenz und Schadenhöhe zu bestimmen. Zudem ging es bei Fresenius um den Blick nach vorn.

Deshalb haben wir hier in einem ersten Schritt hochwertige externe Daten beschafft aus zahlreichen Unternehmen derselben Branche wie Fresenius und einer vergleichbaren Größe, um ein allgemeines Modell zu entwerfen. Dafür brauchten wir von Fresenius keinen größeren Input.

Philipp Rouget: Und im zweiten Schritt?

Moritz Enderle: Hier ging es um den Tailor-made-Aspekt. Dazu haben wir uns die Finanzkennzahlen von Fresenius genau angeschaut, die künftige Eigentümerstruktur , die Marktkapitalisierung und weitere spezifische Fakten. Dazu gehörte auch das Thema ESG: Welche regualtorischen und gesetzlichen Pflichten gelten für Fresenius? Und welche konkreten Haftungsrisiken können sich daraus ergeben?

Christian Fuchsenthaler: Hier haben wir auch unsere Kollegen von Investor Relations mit eingebunden. Weil wir an der Börse gelistet sind, war es für sie kein größerer Aufwand, uns alle relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen.

Moritz Enderle: Und mit allen Daten und Informationen konnten wir dann den genauen künftigen Standort bestimmen und eine Übersichtsgrafik entwerfen, die über verschiedene Eintrittswahrscheinlichkeiten und die zu erwartenden Schadenpotenziale für die D&O-Haftpflicht informiert.

Philipp Rouget: Konnte dann auch gleich, vor allem mit Blick auf das Höchstschadenpotenzial, über ein angemessenes Limit geredet werden?

Moritz Enderle: So einfach war es nicht. Bei unserer Analyse sind wir noch einen Schritt weitergegangen. Wenn ein dekonsolidiertes gelistetes Unternehmen auf den Markt kommt, weiß man nie, wie der Aktienkurs reagiert. Was bedeutet es etwa, wenn eine Sammelklage kurz nach dem IPO den Kurs um 25 Prozent nach unten drückt? Unser Ergebnis: Es würde sich empfehlen, im ersten Jahr ein höheres D&O-Limit zu nehmen, weil das Risiko dann noch relativ hoch ist, um danach das Limit zu reduzieren. Wir reden hier ja über die strategische Risikofinanzierung.

Christian Fuchsenthaler: Und die ganze Übung haben wir nicht nur für die Gesellschaft gemacht, die den Konzern verlassen hat, sondern auch für den verbleibenden Konzern. Insgesamt haben wir die Verteilung von Risiken und nötigen Deckungssummen also differenziert betrachtet.

Philipp Rouget: Und was hat euch unter dem Strich die D&O-Risikoquantifizierung gebracht?

Christian Fuchsenthaler: Als Ergänzung unserer eigenen Annahmen haben wir eine objektive Faktenbasis für die Diskussion mit unseren internen Stakeholdern gewonnen, übrigens in nur wenigen Wochen. Für den Vorstand haben wir dazu alle wesentlichen Infos noch einmal klar auf den Punkt gebracht.

Philipp Rouget: Danke, Christian und Moritz, für eure spannenden Ausführungen.

Christian Fuchsenthaler
Head of Insurance, Fresenius SE & Co. KGaA

Christian Fuchsenthaler leitet seit 2021 die Versicherungsabteilung der Fresenius SE und ist dabei Vorsitzender der Geschäftsführung des Inhouse Brokers.

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