Ein Paradigmenwechsel und weitere Änderungen im Detail
Die Forderung nach der jederzeitigen vollständigen Bedeckung des Solls des Sicherungsvermögens ist seit jeher eine der zentralen Kriterien bei der Prüfung der dauernden Erfüllbarkeit der Verpflichtungen. Daher müssen die im Referentenentwurf vorgesehenen Regelungen zur Zulässigkeit vorübergehender Unterdeckungen als nichts anderes als ein Paradigmenwechsel angesehen werden. Durch die vorübergehende Zulässigkeit einer Unterdeckung sollen vor allem nachteilige, aber erzwungene Anpassungen der Anlageallokation aufgrund einer drohenden oder eingetretenen Unterdeckung vermieden werden.
Die Voraussetzungen orientieren sich an den Anforderungen an Bedeckungspläne von nicht-versicherungsförmigen Pensionsfonds, was sachgerecht und zu begrüßen ist. Demnach sollen vorübergehende Unterdeckungen von bis zu 10 Prozent zukünftig erlaubt sein. Voraussetzung ist der Abschluss eines Sicherungsvermögensplans mit einem oder mehreren Arbeitgebern, der die Wiederherstellung der Bedeckung innerhalb von zehn Jahren und die jederzeitige Erfüllung der Solvabilitätskapitalanforderungen sicherstellt. Die Möglichkeit eines Sicherungsvermögensplans muss in der Satzung vorgesehen sein, der Plan selbst muss von der Aufsicht genehmigt werden.
Die Nutzung dieser Regelung bleibt also solchen Kassen mit willigen Vertragspartnern vorbehalten. Allerdings könnte die Bereitschaft von Arbeitgebern zum Abschluss von Sicherungsvermögensplänen aufgrund der im Vergleich zu anderen Eigenmittelsurrogaten flexibleren Gestaltungsmöglichkeiten steigen.
Eine wichtige Voraussetzung ist die Verankerung eines möglichen Sicherungsvermögensplans in der Satzung. Kassen, für die die Nutzung der Regelung in Frage kommt, sollten sich frühzeitig mit der entsprechenden Anpassung und der Abstimmung des Sicherungsvermögensplans beschäftigen, um im Bedarfsfall vorbereitet zu sein.
Ein erklärtes Ziel des Referentenentwurfs ist die Ausweitung der Anlagemöglichkeiten von Pensionskassen und daraus folgend die Ermöglichung höherer Renditen. Dazu sind Änderungen in der Anlageverordnung geplant:
Diese Maßnahmen sind sicher zu begrüßen. Auch die Aufsicht hat Bereitschaft signalisiert, die neuen Möglichkeiten durch sachgerechte Anpassungen im Stresstest zu begleiten. Kritik wird dahingehend geäußert, dass weder der Referentenentwurf noch die Begründung eine eindeutige Definition eines Infrastrukturprojektes vorsehen. Insoweit besteht hier noch Klarstellungsbedarf, damit die neuen Möglichkeiten rechtssicher genutzt werden können.
Wenn eine Kasse die für einen effizienten Betrieb erforderliche Größe unterschreitet, stellt sich die Frage der Auflösung. Ein satzungsgemäßer Auflösungsbeschluss mit gleichzeitiger Auszahlung des Deckungskapitals an die Begünstigten scheitert in der Praxis aber oft an dem Abfindungsverbot des Betriebsrentengesetzes.
Für viele Beobachter überraschend fand nun auch eine Regelung den Weg in den Referentenentwurf, die diesen Widerspruch adressieren und auflösen soll. Ob die vorgesehene Regelung diesem Anspruch genügt, wird noch diskutiert. Wird die gewünschte Wirkung erreicht, könnte die Auflösung einer Kasse aber zukünftig eine sinnvolle Alternative zu den oft aufwendigen und kapitalintensiven Bestandübertragungen bieten.
Seit dem Jahr 2023 ist der gleichzeitige Bezug von Erwerbseinkommen und gesetzlicher (Alters-)Rente ohne Anrechnung möglich. Auch Pensionskassen sollen zukünftig höhere Zahlungen bei vorzeitigem Leistungsbezug parallel zu Erwerbseinkommen vereinbaren können, um Hürden für eine Weiterbeschäftigung im Alter zu senken.
Diese Regelung rüttelt am Wesen der Pensionskasse, da für sie sogar ihre aufsichtsrechtliche Definition geändert wird. Angesichts vieler offener Praxisfragen hinsichtlich des gleichzeitigen Bezugs von Erwerbseinkommen und Betriebsrente bleibt aber abzuwarten, welche praktische Relevanz sie tatsächlich entwickelt. Auch weiterhin können Arbeitgeber oder Pensionskasse den Bezug von Leistungen an die Bedingung des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben knüpfen.
Die für Pensionskassen vorgesehenen Regelungen des zweiten Betriebsrentengesetzes zielen weniger auf die Förderung der weiteren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) ab, vielmehr adressieren sie einige in der Praxis identifizierte sehr spezielle Fragestellungen. Mit der richtigen Handhabung können sie den Handlungsspielraum einer Pensionskasse in entscheidenden Situationen vergrößern.