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Artikel

Die Zukunft des CHRO

Heute gefordert, morgen unersetzlich

Von Ariane Köhler , Ralph Lange und Timo Metsch | 16. September 2024

Vom administrativen Partner zum strategischen Wegbereiter – die neue Ära des CHRO von Versicherern.
ESG and Sustainability|Executive Compensation|Ukupne nagrade |Work Transformation
The Future of Financial Services

Der tiefgreifende Wandel unserer Weltwirtschaft definiert neue Anforderungen an die Profile von Vorständen, allen voran an die Position des CHROs. Megatrends wie Digitalisierung und Automatisierung, ESG und die komplexe Suche nach dem richtigen Way of Working nach der Pandemie stellen ein bislang vor allem administratives Ressort in das Zentrum organisatorischer Transformation. All diese Themen sind zudem mit der übergeordneten Herausforderung der Talentknappheit verbunden.

Führungskräfte auf C-Suite-Ebene müssen nun digitale Trends und deren Geschäftseinflüsse verstehen, Teams aus verschiedenen digitalen Disziplinen managen und weiterbilden sowie die Unternehmenskultur auf Technologieakzeptanz und Change Readiness ausrichten. Das Automatisierungsparadox führt zudem zu einer erhöhten Abhängigkeit von digitalem Talent bei der Einführung automatisierter Prozesse, das jedoch in der Regel nur schwer zu finden ist. Der „WTW Artificial Intelligence & Digital Talent Report“ zeigt, dass in Europa fast alle Unternehmen entsprechende Attraction- und Retention-Schwierigkeiten erleben. Versicherer werden zudem häufig nicht als attraktive digitale Arbeitgeber wahrgenommen.

Herausforderungen für Versicherer

Die Digitalisierung hat dabei eine disruptive Wirkung auf die gesamte Wertschöpfungskette der Versicherungsindustrie. Die Integration von Technologie und Daten in das Versicherungsmodell hat den umfassenden neuen Markt der InsurTechs entstehen lassen und einen intensiven Fokus auf die Gewinnung neuer Talente in den Bereichen KI, Data Science und Machine Learning geschaffen. Die C-Suite muss die digitalen Trends und deren Einfluss auf die Geschäftsstrategie verstehen, aber auch die Unternehmenskultur darauf vorbereiten.

Zudem fragen Kunden verstärkt nach schnellen und flexiblen digitalen Versicherungslösungen. Sie wünschen sich personalisierte Versicherungsangebote, die ihren individuellen Bedürfnissen und Risiken gerecht werden. Die Anwendung von Verhaltenswissenschaften und Design Thinking zur Verbesserung der Kundenerfahrung und Produktakzeptanz wird immer wichtiger. Führungskräfte müssen ihre Change-Management-Fähigkeiten ausbauen und weiterhin agil und kreativ mit einer kundenorientierten Denkweise arbeiten.

Zusätzlich rufen Regulatoren und Investoren nach einer ganzheitlichen ESG-Roadmap, die zu mehr Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit führt. Die mit Spannung erwartete nationale Umsetzung der EU-Entgelttransparenzdirektive bringt dabei neben komplexen Analysen auch die Herausforderung, einen effektiven Kommunikationsansatz für das sensible Thema Vergütung zu finden.

Die Veränderung der Rolle von HR ist reflektiert in den People-Fokusthemen, die sich DAX-Unternehmen öffentlichkeitswirksam auf die Fahnen schreiben und die Lösungen für zentrale Geschäftsherausforderungen unserer Zeit bieten sollen:

  • digitale Transformation,
  • Arbeitgeberattraktivität,
  • Talent Akquisition,
  • Learning und Development,
  • Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion sowie
  • Employee Wellbeing.

Interessanterweise findet sich im Versicherungsbereich wieder ein klarer Fokus auf eine Performance- und Exzellenzkultur. Dies spiegelt sich auch in vermehrten Anfragen zu Themen rund um Pay for Performance, die wir dieses Jahr aus der europäischen Versicherungsindustrie erhalten haben. Nachdem namhafte Unternehmen individuelle Boni abgeschafft haben, fragt sich die Branche nun, wie Leistung gesteuert und Top-Performer attraktiv vergütet werden können.

Wieso steht die Position CHRO im Fokus?

Es gibt mehrere Begründungszusammenhänge, die gerade die Rolle des CHRO in den Mittelpunkt vieler dieser Herausforderungen stellen. Zentrale Herausforderungen und Risiken sind eng mit den Mitarbeitenden verbunden. Mitarbeitergewinnung und -bindung ist längst unternehmensübergreifender Fokus in einer Wirtschaft, die mehr und mehr von Talentknappheit geprägt ist. Ebenso sind die Suche nach effektiven Arbeitsformen nach der Pandemie sowie Gehaltsentwicklungserwartungen und eventuelle damit verbundene Arbeitskämpfe durch hohe Inflationswerte primär People-Themen. Die Digitalisierung benötigt zwingend die richtigen Talente, aber auch die richtige Kultur, um erfolgreich zu sein; zusätzlich gefährden Arbeitslast und Unsicherheiten das Wellbeing von Mitarbeitenden.

Neben diesen Herausforderungen, die richtig interpretiert auch große Chancen für eine attraktive Differenzierung der Employee Experience bieten, verschieben sich auch kritische Risiken in den Einflussbereich der CHRO-Rolle. Cyber- und KI-Risiken sind oft Anwenderrisiken, und Reputationsrisiken sind mit Blick auf Entgelttransparenz, Whistleblower und Arbeitgeberbewertungsplattformen stärker im HR-Bereich verankert. Gerade im stark regulierten Versicherungsbereich, der durch DORA[1] einer Verschärfung von Pflichten im IT-Bereich entgegenblickt, sind diese Risiken zentral, eng überwacht und potenziell teuer.

John Bremen, Chief Strategy, Innovation & Acceleration Officer bei WTW und Gründer der WTW CHRO Thinking Ahead Group (TAG HR), betont, dass der Wert von Humankapital im Vergleich zu früher, als physische Werte und Rohstoffe dominierten, stark zugenommen hat. In den 70er Jahren machten immaterielle Vermögenswerte nur 17 Prozent des Marktwertes der S&P 500-Unternehmen aus, heute sind es laut dem Global Intangible Finance Tracker (GIFT) von Brand Finance 90 Prozent, wobei Humankapital eine signifikante Komponente ist. In der heutigen Wissensökonomie entsteht der größte Teil der Wertschöpfung durch intellektuelle Fähigkeiten und Innovation. Aktuelle Studien belegen, dass Unternehmen mit höherem Mitarbeiterengagement profitabler sind und weniger Fehlzeiten haben. Die steigende Bedeutung von Mitarbeiterengagement, kontinuierlicher Weiterbildung und der strategischen Entwicklung von Humankapital unterstreicht die zentrale Rolle von HR in der heutigen Geschäftswelt im Gegensatz zu früher, als HR oft nur ein administrativer Servicepartner und häufig nicht Teil des Vorstands war.

Skill-Anforderungen an die CHRO-Rolle

All dies definiert auch das Profil von HR-Vorständen grundlegend neu. John Bremen: „Die heutigen CHROs sind zunehmend strategisch langfristige Planer und setzen sich mit diversen Themen auseinander, die noch vor wenigen Jahren außerhalb ihres Kompetenzbereichs lagen, wie zum Beispiel generative Künstliche Intelligenz.“

Wenig überraschend unterscheiden sich für die Rolle des CHRO die seit langem prävalenten Skills von denen, die nach unseren Analysen in den vergangenen Jahren verstärkt gefordert werden[2]. Die Position des CHRO wird zum strategischen Vorstandsressort, welches unternehmensweite Transformationen, die bewusste Steuerung der Unternehmenskultur und den Schutz der Reputation der Organisation verantwortet und dabei mehr denn je als Vermittler im Vorstandskreis und teilweise steuernde Instanz verschiedener Vorstandsbereiche agiert.

Top 10 prävalente Skills

  • HR Strategy
  • Talent Management
  • Performance Management
  • Data Analysis
  • Leadership Development
  • Organization Design & Development
  • Change Management
  • Regulatory Compliance
  • Business Partnering
  • Diversity, Equity & Inclusion Strategy

Top 10 aufstrebende Skills

  • Measuring Effectiveness
  • Generating Insights
  • Employee Experience Design
  • Storytelling
  • Work Model Design
  • Employee Value Proposition Development
  • Digital Transformation
  • People Analytics
  • Culture Transformation
  • Reputation Management

In Stellenausschreibungen für CHROs in großen gelisteten Konzernen stoßen wir entsprechend vermehrt auf folgende (und ähnliche) Anforderungen:

  • Konsensfindung zwischen mehreren internen und externen Interessengruppen in komplexen Organisationen,
  • Erfahrung im Aufbau und in der Transformation von Führungs- und Organisationskulturen,
  • Erfahrung mit der Abstimmung von Geschäfts- und Personalstrategien,
  • Erfahrung mit bedeutenden organisatorischen Umgestaltungen und unternehmensweiten strategischen Initiativen, einschließlich ereignisgesteuerter Veränderungen wie IPO, M&A, Divestments, Joint Ventures, globalen Expansionen, Personalabbau und Überprüfungen von Geschäftsmodellen sowie
  • Erfahrung mit der Integration von ESG-Aspekten in die langfristige Personalstrategie des Unternehmens.

Mehr Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit

Mit People-Risiken und -Chancen, die mehr und mehr in den Mittelpunkt des Geschäftserfolges rücken, und Trends, die auf absehbare Zeit anhalten werden, steht die Veränderung der CHRO-Rolle keineswegs am Ende der Reise. Die Spitze des HR-Managements muss größeren und strategischeren Anforderungen gerecht werden als in der Vergangenheit, da Mitarbeitende mittlerweile ein zentraler Faktor des Unternehmenswertes sind. Kompetenzen rund um Transformation, Change und Stakeholdermanagement sind nicht länger „nice to have“, sondern zentrale Voraussetzungen, um als CHRO dieser neuen, besonderen Rolle im Vorstand gerecht zu werden.

Moderne CHROs müssen als Visionäre und Innovatoren agieren, welche die Zukunft der Arbeit aktiv mitgestalten und dabei eine Balance zwischen kurzfristigen Anforderungen und langfristigen strategischen Zielen finden. Dies beinhaltet die Implementierung neuer Technologien, die Förderung einer Kultur der kontinuierlichen Weiterbildung und Initiativen für mehr Diversität und Inklusion. Die CHRO-Funktion ist entscheidend für die Schaffung eines agilen, resilienten Unternehmens, das schnell auf Veränderungen reagieren kann und eine starke, positive Unternehmenskultur pflegt. In dieser dynamischen Umgebung wird die CHRO-Funktion nicht nur als Verwalter von Humanressourcen gesehen, sondern als strategischer Partner gefordert und geschätzt, der maßgeblich zur Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit des Unternehmens beiträgt.

Fußnoten

  1. Der Digital Operational Resilience Act (DORA) soll die digitale Betriebsstabilität von EU-Finanzunternehmen sicherstellen. Return to article
  2. Ergebnis eines WTW Skill Scans (Web Scraping) aus dem Jahr 2024. Return to article

Autoren


Senior Director, Head of Work and Rewards
Germany/Austria

Senior Associate Rewards Data Intelligence, Work & Rewards

Senior Director Executive Compensation, Work and Rewards
Germany/Austria

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