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Artikel | Benefits Perspectives

Die Einführung neuer, nicht ruhegeldfähiger Vergütungsbestandteile ist zulässig

BAG bestätigt Rechtsprechung zu nicht ruhegeldfähigen Zulagen

Von Jennifer Sasse | 25. September 2024

Betriebs- und Tarifparteien dürfen neue Zulagen und Vergütungsbestandteile einführen, die nicht ruhegeldfähig im Sinne einer bestehenden Versorgungszusage sind.
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In dem Verfahren 3 AZR 144/23 (sowie in einem Parallelverfahren mit dem Az. 3 AZR 147/23) hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Frage befasst, ob nachträglich eingeführte Zulagen und Vergütungsbestandteile bei der Bemessung des ruhegeldfähigen Einkommens einer bestehenden betrieblichen Versorgungszusage berücksichtigt werden müssen.

Einführung nicht ruhegeldfähiger Vergütungsbestandteile bei bestehendem Versorgungssystem

Im konkreten Fall wurde einem Mitarbeitenden eine endgehaltsabhängige Versorgungszusage erteilt. Hinsichtlich des für die Höhe der Versorgungsleistungen zu berücksichtigenden ruhegeldfähigen Einkommens verwies die Versorgungszusage auf die Monatsvergütung eines Vergütungstarifvertrags. Darüber hinaus traf die Versorgungszusage Sonderregelungen für die Behandlung weiterer Vergütungsbestandteile und stellte klar, dass Tantiemen, Einmal- oder Sonderzahlungen nur zum ruhegeldfähigen Einkommen gehören, wenn diese ausdrücklich als ruhegeldfähig zugesagt wurden.

Im Jahr 1999 sowie im Jahr 2010 vereinbarte die Arbeitgeberin mit der Gewerkschaft jeweils die Einführung eines neuen Vergütungsbestandteils unter Ausschluss ihrer Ruhegeldfähigkeit. Beide neu eingeführten Vergütungsbestandteile wurden seit ihrer Einführung regelmäßig prozentual erhöht. Die ruhegeldfähige Monatsvergütung wurde sowohl vor als auch nach der Einführung der neuen Vergütungsbestandteile ebenfalls regelmäßig prozentual erhöht, wobei unter anderem zwischen 1999 und 2009 keine Anpassungen stattfanden. Außerdem fielen die Erhöhungen der ruhegeldfähigen Monatsvergütung nach Einführung der neuen Vergütungsbestandteile tendenziell geringer aus als vorher. Der Mitarbeitende sah hierin einen unzulässigen überproportionalen Zuwachs der neuen Vergütungsbestandteile, der die Systematik der endgehaltsabhängigen Versorgungszusage aushöhle. Er forderte, die neuen Vergütungsbestandteile als ruhegeldfähiges Einkommen zu berücksichtigen.

Berücksichtigung neuer Vergütungsbestandteile abhängig von konkreter Versorgungszusage

Das BAG teilte die Auffassung des Mitarbeitenden nicht und entschied, dass die neuen Vergütungsbestandteile nicht für das ruhegeldfähige Einkommen zu berücksichtigen seien. Das BAG begründet dies im Wesentlichen mit der Auslegung der Versorgungszusage. Diese unterlag als Gesamtzusage den Auslegungsgrundsätzen für Allgemeine Geschäftsbedingungen. Der Wortlaut der streitgegenständlichen Versorgungszusage stelle für das ruhegeldfähige Einkommen gerade nicht auf das gesamte monatliche Arbeitsentgelt ab, sondern detailliert und abschließend auf bestimmte Vergütungsbestandteile. Die neu eingeführten Vergütungsbestandteile seien von dieser abschließenden Regelung nicht erfasst.

Die Einführung neuer, nicht ruhegeldfähiger Vergütungsbestandteile verstoße auch nicht gegen eine allgemeine Leistungstreuepflicht. Denn die Betriebs- und Tarifparteien seien grundsätzlich nicht daran gehindert, nach Erteilung einer Versorgungszusage nicht ruhegeldfähige Zulagen als neue Vergütungsbestandteile einzuführen. Eine weitergehende Erhöhung des ruhegeldfähigen Einkommens sei vorliegend allenfalls eine rechtlich nicht geschützte Erwartung der Versorgungsanwärter. Eine Verpflichtung zur Erhöhung ergebe sich weder aus der Versorgungszusage noch aus einem anderen Rechtsgrund.

Rechtslage offen bei Aushöhlung bestehender Versorgungssysteme

Offengelassen hat das BAG, ob es zum selben Ergebnis käme, wenn die Entwicklung des berücksichtigungsfähigen Einkommens durch neue Vergütungsbestandteile „ausgehöhlt“ würde. Denn in dem betreffenden Fall habe eine solche Aushöhlung nicht vorgelegen. Die neuen Vergütungsbestandteile hätten zum einen nur einen kleinen Anteil der Vergütung ausgemacht (zirka 20 Prozent), sodass die prozentual höhere Fortschreibung dieser Vergütungsbestandteile im Vergleich zu den berücksichtigungsfähigen Bestandteilen nicht ausschlaggebend sei. Darüber hinaus sei die ruhegeldfähige Monatsvergütung nicht „eingefroren“ worden, sondern selbst prozentual weiter erhöht worden.

Auf eine genaue Regelung achten – bestehende Systeme nicht aushöhlen

Das BAG bestätigt mit diesem Urteil erneut die Möglichkeit für Betriebs- und Tarifparteien, neue, nicht ruhegeldfähige Vergütungsbestandteile auch bei bestehenden Versorgungszusagen einzuführen. Ob neue Vergütungsbestandteile ruhegeldfähig sind oder nicht, hängt im Wesentlichen von der konkreten Ausgestaltung der Versorgungszusage sowie den neuen Vergütungsbestandteilen ab. Sowohl bei der Erteilung der Versorgungszusage als auch bei der Einführung neuer Vergütungsbestandteile sollte daher auf eine genaue Regelung geachtet werden – insbesondere dann, wenn neue Vergütungsbestandteile nicht berücksichtigt werden sollen. Darüber hinaus sollte – zur Vermeidung von rechtlichen Risiken – keine Aushöhlung bestehender Versorgungssysteme durch außerverhältnismäßige Erhöhungen nicht ruhegeldfähiger Vergütungsbestandteile erfolgen.

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