Umfassende ökonomische und geopolitische Herausforderungen, sowie der demografische Wandel sind die Ursache von Transformationsbewegungen in vielen Branchen. Agile und flexible Unternehmensstrukturen gewinnen an Bedeutung. Unternehmen haben deshalb das Management der Pensionsverpflichtungen fest im Blick.
Die letzten Jahre waren für Unternehmen herausfordernd: Die Corona-Pandemie führte abrupt zu wirtschaftlichen Turbulenzen, Lieferengpässen und einer völlig neuen Arbeitswelt. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine verschärfte die schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen. Es kam zu einer Energiekrise, einem rasanten Anstieg der Inflation und in der Folge zu schnellen, starken Zinsanhebungen der Notenbanken. Die Kapitalmärkte entwickelten sich sehr volatil und das Zinsniveau stieg in kurzer Zeit deutlich an.
Zwischenzeitlich ist die Inflation deutlich zurückgegangen und die Europäische Zentralbank und die Federal Reserve haben erste Leitzinssenkungen vorgenommen. Die ökonomischen und geopolitischen Rahmenbedingungen für Unternehmen sind dennoch weiterhin fordernd. Das dritte Jahr in Folge wird für Deutschland ein negatives Wirtschaftswachstum vorhergesagt. Hinzu kommen demografische Herausforderungen. Eine hohe Anzahl an Leistungs- und Wissensträgern wird in den nächsten Jahren pensioniert werden. Die Suche nach den richtigen Talenten beschäftigt die Unternehmen somit auch in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten. Die Folge sind umfangreiche Transformationsprozesse in vielen Branchen und Unternehmen.
All diese Veränderungen schärfen und verändern auch den Blick auf die betriebliche Altersversorgung. Durch den starken Anstieg des Zinsniveaus kam es in der Folge auch zu einem starken Anstieg des internationalen Rechnungszinses zur Bewertung von Pensionsverpflichtungen und somit zu deutlich gesunkenen Pensionsverpflichtungen. Gemäß der German Pension Finance Watch von WTW betrug der Ausfinanzierungsgrad Mitte 2024 84,0 Prozent für die DAX-Unternehmen (79,1 Prozent Ende 2023) und 84,8 Prozent für die MDAX-Unternehmen (77,7 Prozent Ende 2023). Auf Grund der Durchschnittsbildung des HGB-Rechnungszinses ist der starke Zinsanstieg in den HGB-Bilanzen noch nicht angekommen und der Spread zwischen HGB und IFRS ist für die Unternehmen spürbar, denn je nach Fragestellung rücken die IFRS-Bilanz oder die HGB-Bilanz in den Vordergrund.
Nach den Erfahrungen von WTW werden zudem ca. 70 Prozent der laufenden Betriebsrenten gemäß § 16 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge (BetrAVG) alle drei Jahre gemäß der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes (VPI) angepasst. Der deutliche Anstieg der Inflation führte in den letzten beiden Jahren zu zweistelligen Rentenanpassungen und belastete die Cashflows der Unternehmen spürbar.
Hinzu kommt die anstehende Pensionierungswelle der sog. „Babyboomergeneration“. Die Anzahl der Rentenempfänger in den Unternehmen und somit auch die administrativen Anforderungen werden deutlich zunehmen. Gleichzeitig werden Teile des Personals, das die betriebliche Altersversorgung bislang administriert hat, in Rente gehen. Nachwuchs für dieses Spezialgebiet zu finden, ist für Unternehmen schwierig. Zudem stehen bei vielen Unternehmen hohe Investitionen in die Administrations- und Abrechnungssysteme an.
Welche Möglichkeiten haben Unternehmen mit Pensionsverpflichtungen, auf ökonomische, geopolitische und individuelle Veränderungen zu reagieren?
Eine Vielzahl von Unternehmen hat die Entwicklung der Pensionsverpflichtungen fest im Blick und hat seit Jahren verschiedene Maßnahmen des De-Riskings durchgeführt.
Im Zentrum stand und steht dabei häufig eine Anpassung des Designs der Pensionspläne. Rentenzahlungen wurden durch Alternativen wie Raten- oder Einmalkapitalzahlungen ergänzt bzw. ersetzt. Festzinsversprechen wurden häufig durch Produkte mit Kapitalmarktorientierung abgelöst. Diese sind bei den Mitarbeitenden ebenfalls beliebt, da sie renditestark und transparent sind. Eigenschaften, die sich Mitarbeitende laut WTW-Studien von einer passgenauen betrieblichen Altersversorgung wünschen.
Eine zusätzliche Möglichkeit, den Herausforderungen zu begegnen, ist ein Outsourcing von Dienstleistungen. In der Praxis werden häufig die Pensionsadministration, die Rentenabrechnung, sowie auch das Fiduciary Management auf externe Partner ausgelagert. Die Unternehmen sind dadurch nicht mehr gezwungen, das erforderliche Expertenwissen vorzuhalten. Zudem entfallen Investitionen in die Zukunftsfestigkeit der erforderlichen Systemlandschaften und Reportingstrukturen.
Mit dem spätestens seit der Jahrtausendwende wachsenden Bewusstsein für die Volatilität von im Zusammenhang mit der bAV stehenden Bilanzkennziffern etablierten sich zunächst die CTA-Treuhand und wenige Jahre später der Pensionsfonds als Finanzierungsvehikel. Durch Saldierung von Pensionsverpflichtungen und Planvermögen kann dadurch eine Bilanzverkürzung, eine fristgerechte Finanzierung und ein deutlich verbessertes Risikocontrolling erreicht werden. Allerdings kann damit keine vollständige Enthaftung erreicht werden. Die wirtschaftlichen Risiken aus Langlebigkeit, Inflation oder Kapitalanlage verbleiben beim Unternehmen.
Gerade diese Subsidiärhaftung des Arbeitgebers stellt sich für einige Unternehmen immer mehr als Hindernis heraus. Insbesondere bei Transformations- und M&A-Prozessen erschweren Pensionsverpflichtungen eine agile und schlanke Unternehmensaufstellung. Gleichzeitig ist es für Unternehmen auf Grund des demografischen Wandels wichtig, eine betriebliche Altersversorgung anzubieten. Sie ist ein wichtiger Benefit im „War for Talents“.
Wie kann der Spagat zwischen dem Wunsch nach vollständiger Enthaftung und gleichzeitiger Attraktivität für aktive Mitarbeitende gelingen?
Rentnergesellschaften sind eine geeignete Antwort auf diese Fragestellung.
Bei einer Rentnergesellschaft werden die Pensionsverpflichtungen gegenüber Rentnern und mit unverfallbaren Ansprüchen ausgeschiedenen Mitarbeitenden auf einen eigenen Rechtsträger (Rentnergesellschaft) übertragen. Der Transfer von unmittelbaren Pensionsverpflichtungen und Vermögen erfolgt in der Regel per Gesamtrechtsnachfolge im Wege einer Spaltung (§ 123 UmwG). Zum Schutz der Versorgungsgläubiger haften das spaltende (also das abgebende) sowie das aufnehmende Unternehmen nach der Spaltung grundsätzlich 10 Jahre lang gesamtschuldnerisch für die Altersversorgungsverpflichtungen (sog. Nachhaftung gem. § 133 Abs. 1 u. 3 UmwG).
Die Übertragung der Pensionsverpflichtungen unterliegt dabei nicht dem Versicherungsaufsichtsrecht, sondern fällt im Wesentlichen unter das Arbeits-, Umwandlungs- und Gesellschaftsrecht. Ein Zustimmungserfordernis der Versorgungsberechtigten, der Mitbestimmung oder der BaFin liegt somit nicht vor. In der Praxis empfiehlt es sich jedoch, auch die Mitbestimmung und die Versorgungsberechtigten zu informieren.
Die Gründung von Rentnergesellschaften ist nicht neu und wird von vielen Konzernen seit Jahren praktiziert. Relativ neu im deutschen Markt ist die anschließende Veräußerung der Rentnergesellschaft an einen Erwerber, der die rechtlich befreiende Übernahme von Versorgungsverbindlichkeiten zu seinem Geschäftszweck gemacht hat. Ein Anbieter übernimmt dabei sowohl die Abwicklung der ursprünglichen Versorgungszusage (Administration wie auch arbeitsrechtliche und sonstige Risiken der Zusage wie Zins, Untersterblichkeit und Inflation), als auch die mit der Übertragung des benötigten Planvermögens verbundenen Kapitalmarktrisiken. Die Rentnergesellschaft bietet somit die Möglichkeit zur vollständigen Enthaftung des abgebenden Unternehmens.
Gesetzliche Vorgaben für die Ausstattung einer Rentnergesellschaft gibt es nicht. Das BAG hat sich jedoch 2008 mit der Angemessenheit der Dotierung einer Rentnergesellschaft beschäftigt (BAG vom 11.03.2008 – 3 AZR 358/06). Dabei wurden die Sorgfaltspflichten des abgebenden Unternehmens gegenüber den Versorgungsberechtigten hervorgehoben. Eine Rentnergesellschaft soll so ausgestattet sein, dass sie die zugeordneten Verpflichtungen bei einer realistischen betriebswirtschaftlichen Betrachtung dauerhaft zuverlässig aus den bestehenden Vermögensmitteln erfüllen kann. Das BAG macht insbesondere Angaben zu Rechnungszins, Sterblichkeit und Inflation. Während die Grundsätze der BAG-Rechtsprechung i.A. auch heute noch einschlägig sein dürften, haben sich die bilanziellen und ökonomischen Rahmenbedingungen seitdem deutlich gewandelt. Zudem macht das BAG-Urteil keine Angaben zu den entstehenden Kosten, wie z. B. die Kosten für die Administration, Rentenauszahlung oder Insolvenzsicherung. Es gilt somit, die Prinzipien des BAG-Urteils in die aktuellen Gegebenheiten zu übersetzen.
Nach HGB können die abgespaltene/ausgegliederte Pensionsrückstellung und Vermögensgegenstände aus dem Einzelabschluss des übertragenden Unternehmens ausgebucht werden. Die aus der Spaltung gem. § 133 Abs. 1 u. 3 UmwG resultierende gesamtschuldnerische Haftung (sog. Nachhaftung) ist vom abgebenden Unternehmen nicht zu bilanzieren. Solange die Inanspruchnahme aus der Nachhaftung nicht wahrscheinlich ist, ist diese lediglich im Anhang anzugeben (§ 285 Nr. 3a HGB; IDW RS HFA 43, Rz. 30).
Nach Ende der 10-jährigen Nachhaftung kann nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften (IFRS) ein vollständiges Settlement nach IAS 19.111 erfolgen und somit die Pensionsverpflichtung ausgebucht werden. Die unter Nachhaftung stehende, verbleibende Verpflichtung kann regelmäßig mit Planvermögen (z. B. CTA der Rentnergesellschaft) saldiert werden. Es gibt in der Praxis zudem verschiedene Instrumente, wie z. B. Garantien, die eine Inanspruchnahme aus der Nachhaftung ökonomisch nahezu ausschließen. Hier kann mit dem Wirtschaftsprüfer häufig von Beginn an ein Settlement vereinbart werden.
Ein aktives und professionelles Management der Pensionsverpflichtungen steht auf der Agenda der Unternehmen weit oben und wird dort auf Grund umfassender ökonomischer und geopolitischer Herausforderungen bleiben. Neben den bekannten Möglichkeiten des De-Riskings wie Plangestaltung, Outsourcing, CTA und Pensionsfonds sind Rentnergesellschaften eine weitere attraktive Möglichkeit für Unternehmen, sich agil und zukunftsfest aufzustellen. Im Gegensatz zu allen anderen De-Risking-Optionen bietet die Rentnergesellschaft die Möglichkeit zur vollständigen Enthaftung. Alle Risiken gehen nach Ende der Nachhaftungsperiode auf den Erwerber der Rentnergesellschaft über.