FRANKFURT AM MAIN, 23. Juni 2020 – Zwei Jahre nach Einführung zeigt das Entgelttransparenzgesetz Wirkung: Die Zahl der deutschen Unternehmen mit einem fest definierten Prozess für Auskunftsanfragen zum Gehalt hat sich mit 38 Prozent mehr als verdoppelt. Mehr Bemühungen gibt es auch im Recruiting und der Personalentwicklung: 40 Prozent der Unternehmen führen Maßnahmen im Bereich Recruiting durch, um faire Einstellungsprozesse zu gewährleisten. Allerdings ergreift erst rund ein Drittel konkrete Maßnahmen im Bereich Vergütung. Das sind die zentralen Ergebnisse der „Fair Pay Studie“, für die Willis Towers Watson in Kooperation mit dem Fair Pay Innovation Lab 79 Unternehmen in Deutschland mit insgesamt zwei Million Beschäftigten befragt hat.
Seit Anfang 2018 haben Beschäftigte in Unternehmen mit mehr als 200 Angestellten nach dem Entgelttransparenzgesetz Anspruch darauf, Informationen über die Vergütung von Kolleginnen und Kollegen mit vergleichbarer Tätigkeit zu erhalten. Was langsam anlief, nimmt nun etwas mehr Fahrt auf: Während 2018 noch 17 Prozent der deutschen Unternehmen standardisierte Auskunftsanfragen eingeführt hatten, sind es nun 38 Prozent. Hier wird auch, zusätzlich zu diesen fest definierten Prozessen, regelmäßig die Entgeltgleichheit mithilfe von Reporting und Monitoring geprüft. 78 Prozent der befragten Unternehmen haben ihre Gehaltsstrukturen nach Geschlecht überprüft. Untersuchungen nach ethnischer Herkunft und Nationalität führten allerdings bisher nur 9 Prozent durch.
„Trotzdem sind individuelle Auskunftsanfragen weiterhin selten. Noch immer geben 40 Prozent der befragten Unternehmen an, dass ihre Mitarbeitenden keine Anfragen gestellt haben“, sagt Florian Frank, Head of Talent & Rewards Deutschland und Österreich bei Willis Towers Watson. „Interessant ist auch, dass lediglich ein Drittel der befragten Unternehmen konkrete Maßnahmen bei Gehaltserhöhungen und Boni ergreift.“
Es ist wichtig, dass die Betriebe sich jetzt fragen: Woher kommen die Vergütungsunterschiede und was sind die Ursachen dafür? Es gilt, Fair Pay auf Basis von umfassenden Analysen und mithilfe einer offenen Kommunikation ganzheitlich im Unternehmen zu integrieren. „Immerhin ist Fair Pay inzwischen in gut der Hälfte der befragten Unternehmen Thema. Das ist eine erfreuliche Entwicklung“, sagt Henrike von Platen, CEO/Founder FPI Fair Pay Innovation Lab gGmbH. „Nachholbedarf gibt es bei der konkreten Umsetzung. Wenn den Worten nun auch Taten folgen, sind wir auf einem sehr guten Weg.“
Der Blick ins restliche Europa zeigt: Analysen finden dort wesentlich häufiger statt. „Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland also weiterhin hinterher“, sagt Florian Frank. Zwar liegt das auch an einer anderen Rechtslage in diesen Ländern – die Analysen müssen häufig im Geschäftsbericht offengelegt werden, der gesetzliche Druck ist also höher. In Deutschland ist aber auch ein genereller Haltungswechsel nötig. „Der Zwang, erst durch ein Gesetz gleichberechtigte Bezahlung zu ermöglichen, wäre nicht nötig, wenn Unternehmen verstehen, dass sie von fairer Entlohnung genauso profitieren wie ihre Mitarbeitenden.“ Die Vorteile von Fair Pay liegen schließlich auf der Hand: Es erhöht das Engagement der Mitarbeitenden, nutzt vorhandene Potenziale im Unternehmen besser, fördert das Arbeitgeber-Image, reduziert die Fluktuation und erleichtert das Recruiting von Talenten.
40 Prozent der deutschen Unternehmen analysieren ihr Gehaltsgefüge eher qualitativ in Einstellungs- und Beförderungsprozessen. Sie nehmen dabei nicht nur aktuelle Gehälter in den Blick, sondern auch Einstiegsgehälter, Grundgehaltserhöhungen und Beförderungsquoten. Hier sind insbesondere Frauen sowohl als Potenzialträgerinnen und noch mehr als Führungskräfte unterrepräsentiert: Lediglich 28 Prozent der Führungspositionen sind von Frauen besetzt. „Bei Fair Pay geht es immer auch um Chancengleichheit. Wenn Unternehmen schon im Recruiting den Fokus klar auf Gleichstellung legen, klappt es später auch mit den Frauen in Führung“, sagt Henrike von Platen. Zwei Drittel der befragen Unternehmen suchen im Recruiting nach Möglichkeiten, Gleichstellung zu fördern, etwa in Hinblick auf die Anteile von Männern und Frauen an Bewerbungen, genderneutrale Bewerbungsgespräche und Einstellungen oder die Qualifikation der Interviewenden.
So verwenden 91 Prozent der befragten Unternehmen genderneutrale Formulierungen, und auch in Leistungsbeurteilungen achten über 75 Prozent auf ausgeglichene Sprache. 62 Prozent bieten Unconscious-Bias-Trainings für Rekrutierende an. Ein Fünftel der Unternehmen hat zudem in die Gestaltung des Performance-Managements und der Beförderungsprozesse eingegriffen, um Fairness sicherzustellen. Im Vergleich zu 2018 werden beispielsweise Förderprogramme immer beliebter: Vier Fünftel haben diese bereits eingeführt. Aber auch Coaching, Mentoring und die Schaffung geeigneter Netzwerke werden von der deutlichen Mehrheit der Unternehmen mittlerweile unterstützt.
Für die „Fair Pay Studie“ hat Willis Towers Watson in Kooperation mit dem Fair Pay Innovation Lab Anfang 2020 79 Unternehmen mit insgesamt zwei Millionen Beschäftigen befragt. Die Studienteilnehmer sind im Finanzsektor, der allgemeinen Industrie, in der Hightech-Industrie, in der Pharmabranche und im Gesundheitswesen oder im öffentlichen Sektor tätig. Fair Pay bezieht sich nicht nur auf das Gehalt im engeren Sinne, sondern auf alle Prozesse, die mit der Vergütung zusammenhängen oder sich auf diese auswirken. Die Studie untersucht sowohl die Entgeltgleichheit als auch die Gleichstellung generell.
Willis Towers Watson (NASDAQ: WLTW) gehört zu den weltweit führenden Unternehmen in den Bereichen Advisory, Broking und Solutions. Wir unterstützen unsere Kunden dabei, aus Risiken nachhaltiges Wachstum zu generieren. Unsere Wurzeln reichen bis in das Jahr 1828 zurück – heute ist Willis Towers Watson mit 45.000 Mitarbeitern in über 140 Ländern und Märkten aktiv. Wir gestalten und liefern Lösungen, die Risiken beherrschbar machen, Investitionen in die Mitarbeiter optimieren, Talente fördern und die Kapitalkraft steigern. So schützen und stärken wir Unternehmen und Mitarbeiter. Unsere einzigartige Perspektive bietet uns einen Blick auf die erfolgskritische Verbindung personalwirtschaftlicher Chancen, finanzwirtschaftlicher Möglichkeiten und innovativem Wissen – die dynamische Formel, um die Unternehmensperformance zu steigern. Gemeinsam machen wir Potenziale produktiv.