BRSG 2 - Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des BetrAVG
20. September 2024
Das Bundeskabinett hat den Entwurf zur Änderung des BetrAVG und anderer Gesetze beschlossen. Im Vergleich zum Referentenentwurf ergaben sich nur wenige Änderungen.
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FRANKFURT AM MAIN, 20. September 2024 – Das Bundeskabinett hat den Entwurf zur Änderung des BetrAVG und anderer Gesetze beschlossen. Im Vergleich zum Referentenentwurf aus dem Juni 2024 ergaben sich trotz vielfältiger Hinweise in der Verbändeanhörung nur wenige Änderungen. Kurz zusammengefasst bleibt noch immer festzuhalten: wenige Änderungen zugunsten der klassischen bAV, Schwerpunkte der Änderungen sind das Sozialpartnermodell, eine verbesserte Geringverdienerförderung, die Zulassung eines betrieblichen Opting-Out für Unternehmen in „tariflosen Bereichen“ bei mind. 20 % Arbeitgeberzuschuss sowie eine Reihe von Änderungen für EbAV‘s, v. a. für Pensionskassen, aber auch für Pensionsfonds, sowie Evaluierungsvorschriften mit „Verfallfrist“ 2028 zur Steigerung der Verbreitung der bAV auf „erkennbar mehr“.
Überblick zu den Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf
Die Änderungen, die der Regierungsentwurf im Vergleich zum Referentenentwurf enthält, sind zahlenmäßig wenige, zum Teil jedoch mit erheblichen Auswirkungen:
Begrenzung des betrieblichen Opting-out (§ 20 Abs. 3 BetrAVG-E) auf Unternehmen in tariflosen Bereichen: dadurch wird der ursprünglich vorgesehene weite Anwendungsbereich dieser Regelung deutlich eingeschränkt
Keine allgemeine freiwillige Höherversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung: es wurde klargestellt, dass die Möglichkeit freiwilliger Beiträge zum Ausgleich von Abschlägen in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 187a SGB VI-E) frühestens ab Vollendung des 50. Lebensjahres bestehen soll.
Höhere Geringverdienerförderung (§ 100 EStG-E) ab 1.1.2025 trotz voraussichtlich späteren Inkrafttretens des Gesetzes
Längere Anpassungsfrist für die vorzeitige Inanspruchnahme einer Betriebsrente (§ 6 BetrAVG): diese Regelung soll erst zum 1.1.2026 in Kraft treten, um den Arbeitgebern eine Übergangsfrist zur Anpassung ihrer Systeme bzw. ggf. ihrer Pensionspläne einzuräumen.
Neue Evaluierungsvorschriften mit Androhung eines Obligatoriums (§ 24a sowie 30a BetrAVG-E): bereits im Jahr 2028 soll geprüft werden, ob eine „erkennbare“ Steigerung der Verbreitung der bAV (ausgehend vom Stand 2021, 53,5 %) eingetreten ist. Sollte dies nicht der Fall sein, sollen Möglichkeiten für ein Obligatorium mit arbeitgeber- und arbeitnehmerfinanzierten Beiträgen auf Basis von reinen Beitragszusagen geprüft werden. Zudem soll durch eine Evaluierung der Nettorenditen in mittelbaren Durchführungswegen geprüft werden, ob Zusagen ohne Garantie tatsächlich bessere Kapitalerträge und damit höhere Versorgungsleistungen erbringen.
Im Detail zielen die Maßnahmen auf verschiedene mögliche Effekte:
Verbreitung der bAV
Stärkung des Sozialpartnermodells:
Das tarifvertragliche „Einschlägigkeitserfordernis“ bleibt erhalten, wird jedoch stark modifiziert. So sollen Tarifverträge möglich werden, die es (branchen-)fremden Unternehmen erlauben, per Tarifvertrag bei einem bestehenden Sozialpartnermodell mitzumachen, wenn die dort zuständigen Tarifvertragsparteien dem zustimmen. Dies soll es vor allem ermöglichen, ein Sozialpartnermodell jeweils im Rahmen der gesamten Zuständigkeit des Organisationsbereichs einer Gewerkschaft nutzen zu können, die oft mehrere Branchen umfassen, wenn es bislang nur in einer Branche ein Sozialpartnermodell gibt. Besonders bemerkenswert ist dabei das „Angebot“ an die Branchenfremden, dass unter bestimmten Voraussetzungen keine Beteiligung der Tarifvertragsparteien an der Durchführung und Steuerung erfolgen muss, d. h. dass ein reiner „Anschluss“ ausreicht.
Verbesserte Puffermöglichkeit zur Nutzung der Chancen des Kapitalmarkts: der bisher bereits mögliche Sicherungsbeitragspuffer (§ 35 PFAV) kann künftig auch durch Ertragsspitzen der Kapitalanlage befüllt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Damit sollen zusätzliche Finanzierungsmittel für die Pufferbildung erschlossen und so weitere Freiräume für die Kapitalanlage ermöglicht werden.
Tariföffnung der Abfindungsregelung für das Sozialpartnermodell, die sinnvolle Kapitalisierungsregelungen für kleinere Anwartschaften ermöglicht.
Die Haftung der Tarifvertragsparteien für eine mangelhafte Durchführung und Steuerung soll durch gesetzliche Regelung ausgeschlossen werden.
Zulassung des Opting-out (= automatische Teilnahme an einer Entgeltumwandlung mit Widerspruchsmöglichkeit) für Betriebe in tariflosen Bereichen auf Betriebspartnerebene (und nicht mehr nur durch die Tarifvertragsparteien) in allen Durchführungswegen, wenn der Arbeitgeber einen Zuschuss von mindestens 20 % auf die Entgeltumwandlungsbeträge beisteuert. Bei Tarifbindung oder Tarifüblichkeit von Entgeltregelungen (vgl. § 77 Abs. 3 BetrVG) bleibt es bei der bisherigen Regelung, d. h. dort sind weiterhin betriebliche Opting-out-Modelle nur zulässig, wenn sie durch Tarifvertrag zugelassen werden. Damit wird die unverändert bestehende Option für die Tarifvertragsparteien zwar ergänzt und auch für tariflose Bereiche eine solche Möglichkeit geschaffen, allerdings ist diese Änderung des § 20 Abs. 3 BetrAVG-E eine klare Einschränkung der im RefE deutlich weitergehender vorgesehenen Möglichkeit rein betrieblicher Opting-out-Systeme. Immerhin: Arbeitgeberzuschüsse nach dieser Opting-out-Norm erfüllen zugleich die Zuschusspflicht nach § 1a Abs. 1a BetrAVG, d. h. keine doppelte Bezuschussungspflicht für Arbeitgeber, soweit eine Entgeltumwandlung nach § 20 Abs. 3 BetrAVG-E erfolgt.
Verbesserung bei derGeringverdienerförderung nach § 100 EStG durch Erhöhung des maximalen Förderbetrages und des korrespondierenden Lohnsteuerfreibetrags sowie Dynamisierung der Gehaltsgrenzen, bis zu denen diese geförderte bAV durchgeführt werden kann. Damit wird ein wichtiger Impuls für die weitere Verbreitung der bAV gerade in diesem Bereich, in dem die Verbreitung der bAV tendenziell am geringsten ist, gesetzt. Diese Regelung soll ab 1.1.2025 gelten.
Keine allgemeine Höherversicherung in der gesetzlichen Rentenver-sicherung: durch eine knappe Änderung in § 187a Abs. 1a SGB VI wurde die Möglichkeit, freiwillig Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung zum Ausgleich von Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente einzuzahlen, auf Arbeitnehmer begrenzt, die das 50. Lebensjahr vollendet haben.
Fachkräftemangel und Anreize für längeres Arbeiten
Bezug vorzeitiger betrieblicher Altersrenten bei Bezug einer gesetzlichen Teilrente soll möglich sein, es soll jedoch keine gesetzliche Verpflichtung zu Teilbetriebsrenten geben. Um den Arbeitgebern entsprechende Systemanpassungen bzw. ggf. Änderungen ihrer Pensionspläne zu ermöglichen, soll dies erst ab 1.1.2026 in Kraft treten.
Dementsprechend bleiben Ausscheideklauseln für den Bezug vorzeitiger betrieblicher Altersrenten arbeitsrechtlich möglich.
Zulassung von Pensionskassenleistungen auch bei nur teilweisem Wegfall von Erwerbseinkommen bei Bezug einer gesetzlichen Teilrente.
Klarstellung für Wertguthaben bei Zeitwertkonten, dass auch bei vorzeitigem Bezug einer gesetzlichen Altersrente eine Entsparung bis zum Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze ermöglicht wird. Den Forderungen nach einer weitergehenden „Freistellungdauer“ auch über die Regelaltersgrenze hinaus wurde nicht entsprochen.
Änderungen bei der Insolvenzsicherung
Es werden Regelungen zur Digitalisierung des PSVaG eingeführt.
Bei der Finanzierung einer bAV über einen Pensionsfonds mit nicht-versicherungsförmigem Pensionsplan erfolgt im Kern eine Rückkehr zur ursprünglichen Rechtslage, nämlich dass bei Insolvenz des Arbeitgebers zwingend eine Übertragung von Versorgung und Sicherungsvermögen auf den PSV erfolgt. Die frühere Möglichkeit, dass der Pensionsfonds die weitere Durchführung mit Genehmigung der BaFin anstelle des PSV vornehmen darf, findet sich im aktuellen Entwurf nicht, wäre jedoch weiterhin wünschenswert, um alle praktisch relevanten Fragestellungen abzudecken.
Praktische Erleichterungen für die Beendigung von bAV-Systemen
Erleichterungen für dieAbfindung von bAV-Anwartschaften sind vorgesehen durch Erhöhung der Abfindungsgrenze von Rentenanwartschaften von 1% auf 2% (bei Kapitalanwartschaften von 12 auf 24 Zehntel der monatlichen Bezugsgröße (§ 18 SGB IV), falls der Arbeitnehmer zustimmt und diese Abfindung dann vom Arbeitgeber unmittelbar in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wird. Durch eine korrespondierende Änderung in § 187b SGB VI wird ermöglicht, dass die Einzahlung nicht mehr nur – wie bisher – durch den Arbeitnehmer erfolgen kann, sondern auch direkt durch den Arbeitgeber. Die Änderung soll nicht für Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes gelten.
Ein erheblicher Beitrag zur rechtssicheren Liquidation von Pensionskassen ist die arbeitsrechtliche Fiktion der Abfindung der bAV sowohl für laufende wie auch für beendete Arbeitsverhältnisse für die Trägerunternehmen, wenn die Liquidation einer Pensionskasse erfolgt ist. Klarstellend wurde der Gesetzestext dahingehend ergänzt, dass die Abfindungsfiktion nur greift, „soweit“ die bAV über die Pensionskasse durchgeführt wurde. Damit wurde mischfinanzierten Versorgungssystemen Rechnung getragen, die z. B. nur zum Teil über eine Pensionskasse und zum Teil über eine Direktzusage durchgeführt werden.
Verbesserungen bei der Finanzierung der bAV über EbAV‘s
Bei Pensionskassen soll es Änderungen im Rahmen der Anlagevorschriften und – für regulierte Einrichtungen - auch der Kapitaldeckungsvorschriften inkl. der temporären Zulässigkeit von Unterdeckungen geben.
Sozialversicherungsrechtliche Flankierung von Sonderzahlungen an kapitalgedeckte Pensionskassen, wie es sie in der SvEV bereits für umlagefinanzierte Pensionskassen gibt.
Für Pensionsfonds wird generell die Möglichkeit von Ratenzahlungen ins Gesetz aufgenommen – vor allem auch im Bereich der bisherigen fondsförmigen Verrentung nach § 236 Abs. 3 VAG ist dies neu und geht über eine gesetzliche Klarstellung hinaus. Flankiert wird die Regelung im VAG durch eine entsprechende Änderung in der Pensionsfonds-Aufsichtsversordnung.
Evaluierung und mögliche Konsequenzen ab 2028
Im Vergleich zum Referentenentwurf wurden zwei Evaluierungsvorschriften (§ 24a, § 30a) neu in den Entwurf aufgenommen:
Das BMAS wird 2028 untersuchen, ob das Ziel einer weiteren Verbreitung der bAV erreicht wurde. Falls nicht, wird die Bundesregierung Handlungsoptionen für den weiteren Ausbau, darunter auch die Möglichkeit der Einführung obligatorischer Betriebsrenten auf der Grundlage reiner Beitragszusagen, prüfen. D. h. gesetzlich wird hier das „Ende der Freiwilligkeit“ für die arbeitgeberfinanzierte bAV angedroht, falls jetzt keine substantiellen Verbreitungserfolge „erkennbar“ werden. Für kleine und mittlere Unternehmen wird insoweit ggf. der Bedarf für sachgerechte Sonderregelungen und Befreiungsmöglichkeiten gesehen.
Das BMAS wird auch die Nettorenditen bei „repräsentativen“ Einrichtungen der bAV in den mittelbaren Durchführungswegen (Pensionskassen, Pensionsfonds, Direktversicherungen und Unterstützungskassen) „unter die Lupe nehmen“. Ziel ist es, möglichst valide Erkenntnisse über die möglichen Auswirkungen von Kosten und Risiken auf die Höhe der Versorgungsleistungen zu gewinnen. Zudem soll erhoben werden, ob Kapitalanlagen in der bAV bei fehlenden Garantien zu höheren Renditen führen.
Nicht aufgegriffene Änderungswünsche
Bedauerlich ist, dass es nicht der große Wurf zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung in ihrer vollen Breite durch Umsetzung der immer wieder adressierten Änderungswünsche geworden und damit auch keine wirkliche Förderung der klassischen bAV erfolgt ist. Die Themen, die nicht aufgegriffen werden, sind vielfältig und praktisch enorm wichtig:
Man hätte sich gewünscht, dass nach der Entscheidung des BVerfG die Politik das Thema Rechnungszins in § 6a EStG angeht.
Themen wie die Grenzbeträge des § 3 Nr. 63 EStG oder auch die sozialversicherungsrechtliche Doppelverbeitragungsthematik finden sich im Referentenentwurf ebenfalls nicht.
Die gesamte Diskussion rund um Garantien, insbesondere bei der Beitragszusage mit Mindestleistung, wurde nicht aufgegriffen.
Auch eine Regelung zu arbeitsrechtlichen Grundsätzen bei der Neuordnung von Versorgungszusagen fand keinen Eingang in den Referentenentwurf, sondern bleibt weiterhin der Rechtsprechung überlassen.
Die im Zuge der höheren Inflationsraten der vergangenen Jahre erkennbar gewordene Strukturschwäche von § 16 Abs. 1, Abs. 2 BetrAVG wurde nicht aufgegriffen, d. h. es gibt weiterhin kein valides Ersatzverfahren zur VPI-Anpassung bei Rentenzusagen, die vor 1999 erteilt wurden.
Auch bei diesen Punkten werden künftige gesetzgeberische Verbesserungen notwendig sein, um die Rahmenbedingungen der bAV in ihrer vollen Breite zu verbessern und damit auch die Vorteile der klassischen bAV bei der weiteren Verbreitung der bAV für die Praxis noch besser nutzbar zu machen.
Inkrafttreten
Zeitlich ist wohl damit zu rechnen, dass dieses Gesetz erst Anfang des Jahres 2025 in Kraft treten wird. Daher werden in Art. 15 differenzierte Regelungen zum Inkrafttreten bestimmter Vorschriften getroffen. Für die Geringverdienerförderung ist zu begrüßen, dass jedenfalls das gesamte Jahr 2025 unter die neue Regelung fallen soll, auch wenn das Gesetz erst später im Jahr 2025 in Kraft treten sollte.