FRANKFURT AM MAIN, 27. November 2023 – Für 81 Prozent der deutschen Unternehmen sind zunehmende regulatorische Anforderungen der hauptsächliche Grund, dass sie zu ihren Gehaltsstrukturen kommunizieren. Aber sie agieren aus einer Position der Unsicherheit heraus: Sie befürchten vor allem Rückfragen aus der Belegschaft, bezweifeln, dass das Management gut kommuniziert, und ihre Vergütungsstrukturen sind ihrer Meinung nach nicht ausgereift. Somit steigt der Druck auf Unternehmen, dass sie ihre Gehaltslücken aufdecken und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen. Das zeigt der neue Pay Transparency Survey der Unternehmensberatung WTW.
„Die EU-Direktive zu fairer Vergütung ist ein scharfes Schwert. Sie legt fest, dass Unternehmen künftig für diskriminierungsfreie, nachvollziehbare und transparente Vergütungsstrukturen zu sorgen haben. Viele Unternehmen in Deutschland tun aktuell aber noch nichts und wollen erst abwarten, wie diese Vorschriften in deutsches Recht umgesetzt werden. Das ist aber riskant, weil sie nur noch wenig Zeit haben, um ihre Gehaltsstrukturen dafür vorzubereiten“, sagt Florian Frank, Head of Work & Rewards bei WTW. „Denn Unternehmen, die ab 2026 ihre Gehaltsstrukturen offenlegen müssen, haben nur noch zwei bis drei Gehaltsrunden, um ihre Pay Gaps, die Gehaltslücken zwischen Männern und Frauen, zu schließen. Es herrscht akuter Handlungsbedarf“, betont Frank.
Zu den Themen, welche Unternehmen in Deutschland bezüglich ihrer Gehaltsstrukturen kommunizieren, gehören vor allem Hierarchie-Ebenen bzw. Job-Levels (68 Prozent), variable Gehaltsanteile (67 Prozent) und wie sich das Grundgehalt zusammensetzt (63 Prozent).
“Unternehmen müssen im Blick haben, welche Berichtspflichten mit der EU-Direktive kommen und welche Auskunftsrechte Mitarbeitende haben werden.”
Florian Frank | Head of Work & Rewards, WTW
Wozu sie hingegen kaum kommunizieren, ist das Durchschnittsgehalt von Mitarbeitenden im Vergleich zu Personen in einer ähnlichen Position oder Funktion. Nur bei neun Prozent ist das Teil der Kommunikation. Über die Hälfte der befragten Unternehmen (51 Prozent) plant gar nicht erst, dazu zu kommunizieren.
„Dass Unternehmen in erster Linie zu den einfacheren Vergütungsthemen informieren, überrascht nicht, weil sie sich in diesen Bereichen am sichersten fühlen“, sagt Frank. „Vor allem müssen Unternehmen im Blick haben, welche Berichtspflichten mit der EU-Direktive kommen und welche Auskunftsrechte Mitarbeitende dadurch haben werden. Beispielsweise müssen Unternehmen pro Mitarbeitergruppe, welche gleichwertige Arbeit leisten, die Pay Gaps berechnen. Wenn die Lücken mehr als fünf Prozent betragen und nicht durch objektive Faktoren erklärt werden können, müssen Unternehmen es melden und konkrete Gegenmaßnahmen gemeinsam mit dem Betriebsrat ergreifen. Ansonsten drohen Bußgelder. “
Wenn es um die Kommunikation der Gehaltsstrukturen innerhalb des Unternehmens geht, setzen Unternehmen vor allem auf das Management. Für 87 Prozent ist das der wichtigste Kanal, gefolgt vom Intranet (64 Prozent) und umfassende Vergütungsbescheinigungen, die auch Benefits wie die betriebliche Altersversorgung einschließen (sog. Total Rewards Statements, 53 Prozent).
Hier offenbart sich aber ein großer Widerspruch: Die Führungskräfte sind zwar der wichtigste Kanal, jedoch ist nur die Hälfte der Unternehmen (52 Prozent) davon überzeugt, dass sie ihr Management ausreichend zu den Gehaltsstrukturen schult. Beim Thema Lohngleichheit sind es sogar nur 19 Prozent. Das wirkt sich auf die Qualität der Mitarbeiterkommunikation aus. Nicht einmal ein Drittel der Unternehmen (30 Prozent) ist der Meinung, dass ihre Mitarbeitenden zu den Vergütungsstrukturen effektiv informiert werden. Bei Lohngleichheit sind es nur zehn Prozent.
Frank sagt: „Im globalen Vergleich schneiden Unternehmen in Deutschland schlechter ab, was die Kommunikation zu Vergütungsstrukturen betrifft. Dass liegt unter anderem daran, dass die Transparenzanforderungen in ausländischen Firmen schon seit längerem höher sind.“
Etwa ein Drittel (31 Prozent) der Unternehmen, welche über ihre Gehaltsstrukturen kommunizieren, gaben an, dass sie mehr Bewerbungen von potentiellen Mitarbeitenden erhalten. „Bei diesen Unternehmen handelt es sich meist um Fair-Pay-Vorreiter, die sich auch zertifizieren lassen und sich damit aktiv im Arbeitsmarkt positionieren. Das kann ein wichtiger Faktor im Wettbewerb um die besten Talente sein“, sagt Frank.
Mehr Kommunikation kann aber auch mehr Fragen nach sich ziehen: 62 Prozent berichten von mehr Rückfragen durch ihre Mitarbeitenden, wenn sie regelmäßig zu Vergütungsthemen informieren. „Gewachsene Gehaltsstrukturen sind nicht unbedingt auf den ersten Blick verständlich“, sagt Frank. „Wenn Firmen auf dieser Basis kommunizieren, ist es nachvollziehbar, dass Mitarbeitende mit Rückfragen auf sie zukommen.“
Vor dem Hintergrund der EU-Direktive sind Unternehmen dazu angehalten, möglichst schnell ihre Vergütungsstrukturen und Prozesse entsprechend den neuen Vorgaben anpassen, um etwaige Gehaltslücken zu schließen. Denn voraussichtlich ab 2026 werden die Regelungen auch in Deutschland gelten. Folgende Punkte sollten Unternehmen dabei beachten:
Frank sagt: „Unternehmen muss klar sein: Die Zeit des Abwartens ist vorbei, jetzt ist Zeit zu handeln. Die Überarbeitung der internen Gehaltsstrukturen kann komplex und langwierig sein. Unternehmen, die jetzt nicht starten, könnten das Nachsehen haben, wenn sie etwaige Unwuchten in ihren Vergütungsstrukturen offenlegen und dies ihren Mitarbeitenden erklären müssen.“
Weltweit haben 1313 Unternehmen mit insgesamt 26 Millionen Mitarbeitenden aus allen Branchen am WTW Pay Transparency Survey teilgenommen. In Deutschland wurden 57 Unternehmen befragt, die 3,4 Millionen Mitarbeitende beschäftigen. Die Umfrage wurde im Juli 2023 durchgeführt.
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