Zwischen Staatsfonds, Sozialpartnermodell und Garantiebegrenzung
Michael Karst: Herr Richter, Herr Schwark, lassen Sie uns gemeinsam nach vorn schauen: Welche Zukunftsaussichten hat die bAV? Und was tut sich insgesamt in Sachen Altersversorgung? Dabei spielt natürlich auch die Politik eine wichtige Rolle. Wie bewerten Sie etwa die Diskussion rund um einen Staatsfonds?
Thomas Richter: Entscheidend ist, wo der Staatsfonds angesiedelt sein soll. Wir hätten kein Problem damit, wenn der Staat im Rahmen der ersten Säule einen Teil der staatlich organisierten Versorgung von einem Umlageverfahren ablenkt auf ein Kapitaldeckungsverfahren. Wir unterstützen grundsätzlich die Aktienrente.
Michael Karst: Jetzt kommt bestimmt noch ein dickes Aber …
Thomas Richter: … aber wenn der Staat auf die Idee kommt, als Anbieter in einem privaten Markt aufzutreten mit einem unschlagbar günstigen subventionierten Produkt, das ein staatliches Gütesiegel trägt, würden wir dies für nicht marktwirtschaftlich halten.
Peter Schwark: Dem schließe ich mich an. Wir brauchen weder in der zweiten noch in der dritten Säule einen Staatsfonds. Dies wäre kein fairer Wettbewerb. Ein solcher Staatsfonds ginge auch nicht ohne Zwang. Und Arbeitgebende könnten sagen: Wenn ich da schon mitmachen muss, dann brauchen wir doch keine bAV. Wir hätten insgesamt einen massiven Kannibalisierungseffekt.
Michael Karst: Klare Worte. Also, wenn Staatsfonds, dann nur in der ersten Säule. Im Kern geht es dabei ja um das Ziel, mehr für die Altersversorgung zu tun. Das gleiche Ziel hat das Sozialpartnermodell. Die Chemiebranche geht hier jetzt nach vorn.
Thomas Richter: In den letzten fünf Jahren ist jedoch nichts passiert. Wir haben deshalb vorgeschlagen, dass Arbeitgebende auch ohne tarifvertragliche Vereinbarung eine reine Beitragszusage anbieten dürfen. Das würde doch alles einfacher machen.
Peter Schwark: Aus unserer Sicht ist dabei vor allem das Garantieverbot kritisch. Es spricht doch nichts dagegen, zumindest Leistungen bei Berufsunfähigkeit oder im Todesfall zu garantieren. Die Modelle wären dann viel flexibler.
Michael Karst: Also ich bin ehrlich gesagt froh, dass sich in diesem Bereich jetzt etwas bewegt. Und wir könnten ja auch erst einmal abwarten, wie gut sich das Modell in der Praxis bewährt. Vermutlich wird auch die angedachte Evaluierung zeigen, wo noch Herausforderungen liegen und wie sie gemeistert werden können.
Peter Schwark: Also wir sind gespannt … Aber lassen Sie mich auf das Thema Garantien zurückkommen. Hier liegt insgesamt einiges im Argen. Nehmen wir etwa die Riester-Rente. Damit ist eine Beitragsgarantie von 100 Prozent verbunden. Doch bei einem Höchstrechnungszins von 0,25 Prozent ist das einfach unwirtschaftlich. Mit einem Federstrich könnte das Garantieniveau auf sagen wir mal 70 Prozent abgesenkt werden. Viele Vorsorgesparer könnten dann von mehr Anlagechancen profitieren.
Michael Karst: Das Thema Garantie zieht sich in der Tat durch. Zum Beispiel für die Beitragszusage mit Mindestleistung gilt ja das gleiche wie für die Riester-Rente; auch hier wären abgesenkte Garantieniveaus hilfreich. Unserer Meinung nach geht das bei einer klaren Argumentationslinie juristisch überzeugend bereits heute ohne Gesetzesänderung bei der Beitragsorientierten Leistungszusage; aber wir verstehen auch die Unsicherheiten, die diesbezüglich im Markt bestehen. Und, nicht zu vergessen, ein entsprechender Diskussionsbedarf besteht auch bei den wertpapiergebundenen Zeitwertkonten mit Nominalwertgarantie.
Thomas Richter: Die Garantiefrage ist auch aus unserer Sicht wichtig. Ohne mehr Spielraum für eine renditestarke Kapitalanlage geht es nicht. Aber profitieren davon auch die Geringverdiener? Gerade für die bAV ist diese Gruppe eine große Herausforderung.
“Geringverdiener profitieren zumindest nicht von einer auch noch so gut geförderten Entgeltumwandlung.”
Peter Schwark | GDV